Wie DVDs ticken: PhysikerInnen der Uni Graz gelang erstmals Einblick in die Oberfläche von Gläsern

Die WissenschafterInnen fanden einen Weg, wie Oberflächen mit ungeordneter Struktur atomar, also im Nanobereich, abgebildet werden können. Damit stehen der Wissenschaft neue Methoden zur Verfügung, Oberflächen wie jene einer DVD im Detail zu untersuchen und das gesamte Produkt technisch zu verbessern. Die zukunftsweisenden Ergebnisse wurden kürzlich im Forschungsmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.

Geheimnis des Chaos gelüftet.

Nach den Gesetzen der Physik werden Oberflächen grob in zwei Kategorien unterteilt: in geordnete und ungeordnete. Geordnete Oberflächen, wie zum Beispiel die von Kristallen, können dank der periodischen Anordnung ihrer Atome extrem präzise abgebildet werden. „Im Gegensatz dazu sind ungeordnete Oberflächen ein nahezu unbeschriebenes Blatt“, erklärt Steurer. PhysikerInnen der Uni Graz haben dieses Geheimnis jetzt gelüftet: Mittels gestreuter Röntgenstrahlen, die unter einem sehr flachen Winkel auf die Oberfläche auftreffen, gelangen ihnen zum ersten Mal experimentelle Einblicke in die Anordnung der chemischen Bindungen an der Oberfläche eines Selen-Glases. „Selen gehört zur Klasse der chalkogeniden Materialien, deren ganz besondere Eigenschaften bei optischen Speichermedien wie DVDs angewandt werden“, informiert der Physiker.

Steurers Team machte sich bei seinen Untersuchungen einen Effekt der Röntgenstrahlung, die Totalreflektion, zunutze. Der Forscher erklärt: „Wer schon mal Fische in einem Aquarium beobachtet und schräg von unten gegen die Wasseroberfläche geschaut hat, sieht dort die Spiegelung des Aquariumbodens. Diese Totalreflektion von Licht tritt beim Übergang von einem dichteren Medium, wie etwa Wasser, zu einem optisch dünneren Medium, zum Beispiel Luft, auf.“ Bei Röntgenstrahlen gibt es den Effekt auch, nur dass er dort beim Übergang vom dünneren ins dichtere Medium stattfindet. Bei ihren Forschungen leiteten die WissenschafterInnen in einem ersten Schritt Röntgenstrahlen unter einem sehr flachen Einfallswinkel auf eine ungeordnete Oberfläche. „Diese Strahlen werden so vollständig reflektiert, im Gegensatz zu sichtbarem Licht“, erklärt Steurer.

Neuartige Mess-Methode.

Bei der Kollision mit der Oberfläche können die auftreffenden Lichtteilchen Atome zu Schwingungen anregen und so Energie abgeben oder die Energie von bereits vibrierenden Atomen aufnehmen. Die Energieverteilung der gestreuten Lichtteilchen wird im Anschluss gemessen und spiegelt die Dynamik der Oberfläche wieder. In einem zweiten Schritt wird das experimentell aufgenommene Schwingungsspektrum analysiert und mit Modellrechnungen verglichen. Das so erworbene Wissen spielt auch eine wichtige Rolle in den Nanotechnologien und der Katalysatorforschung.

T. Scopigno, W. Steurer , S.N. Yannopoulos, A. Chrissanthopoulos, M. Krisch, G. Ruocco, and T. Wagner, Vibrational dynamics and surface structure of amorphous selenium, Nature Communications, Februar 2011. DOI: 10.1038/ncomms1197

Kontakt:
Dr. Wolfram Steurer
Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz
Tel.: +43 (0) 316 / 380-1627
Mobil: +43 (0) 699 / 81890568
E-Mail: wolfram.steurer@uni-graz.at

Media Contact

Gudrun Pichler idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-graz.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Klimakrise gefährdet alpine Ökosysteme

Gebirge sind vom Klimawandel besonders betroffen: Sie erwärmen sich schneller als das Flachland. Mit der Erwärmung schwindet die Schneedecke und Zwergsträucher dringen in höhere Lagen vor – mit starken Auswirkungen…

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Partner & Förderer