Blick in ein kosmisches Schmuckkästchen

Sternhaufen gehören zu den hübschesten und gleichzeitig zu den astrophysikalisch interessantesten Himmelsobjekten. Einer spektakulärer Vertreter dieser Klasse findet sich am Südhimmel im Sternbild „Kreuz des Südens“: der offene Sternhaufen Kappa-Crucis mit der Katalognummer NGC 4755 ist gerade noch hell genug, um mit dem blossen Auge sichtbar zu sein.

Er ist auch bekannt als „(Herschels) Schmuckkästchen“, da er den englischen Astronomen John Herschel, der den Sternhaufen in den 1830er Jahren durch ein Teleskop beobachtete, mit seinen blassblauen und orangen Sternen an edelsteinbesetzten Schmuck erinnerte.

Offene Sternhaufen [1] wie NGC 4755 sind Ansammlungen von einigen bis einigen tausend Sternen, die durch ihre gegenseitige Schwerkraft aneinander gebunden sind – dies allerdings nicht allzu stark. Da die betreffenden Sterne zusammen aus der gleichen Gas- und Staubwolke entstanden sind, sind sie so gut wie gleichaltrig, und haben sehr ähnliche chemische Zusammensetzung. Das macht offene Sternhaufen zu einem idealen Laboratorium, in dem sich untersuchen lässt, wie sich Sterne mit der Zeit entwickeln.

Eines der Bilder, es basiert auf Daten des Digitized Sky Survey 2, zeigt die Lage des Schmuckkästchens inmitten der Sternfelder und Staubwolken der südlichen Milchsstraße. Auch einer der vier Sterne, die das namensgebende Kreuz des Sternbilds Kreuz des Südens ausmachen, und Teile des Kohlensacks, einer gigantischen Dunkelwolke, sind auf dem Bild zu sehen [2].

Eine neue Aufnahme, angefertigt mit dem Wide Field Imager (WFI), einer am MPG/ESO 2.2-Meter-Teleskop (ESO-Observatorium La Silla) installierten astronomischen Kamera mit besonders großem Blickfeld, zeigt den Sternhaufen und seine Umgebung in all ihrer vielfarbigen Schönheit. Die Aufnahme zeigt den beachtlichen Sternenreichtum dieser Himmelsregion. Eine ganze Reihe der Sterne befinden sich von der Erde aus gesehen hinter den Staubwolken der Milchstraße und erscheinen daher gerötet. [3]

Das Instrument FORS1 am VLT (Very Large Telescope, wörtlich „Sehr großes Teleskop“) der ESO erlaubt es, den Sternhaufen weit genauer in Augenschein zu nehmen. Der große Spiegel und die überragenden Abbildungseigenschaften des Teleskops zeichnen für die Qualität des hier gezeigten neuen Bilds verantwortlich, bei dem es sich, trotz einer Belichtungsdauer von lediglich fünf Sekunde, um das detailschärfste Bild handelt, das jemals ein bodengebundenes Teleskop von diesem Sternhaufen aufgenommen hat.

Mag das Schmuckkästchen bereits von der Erde aus gesehen in allen Farben erstrahlen – vom Weltraum aus, mit dem Weltraumteleskop Hubble von NASA und ESA, lässt sich zusätzlich Licht mit kurzen Wellenlängen jenseits des sichtbaren Spektrums einfangen, das bodengebundenen Teleskopen nicht zugänglich ist, da es in der Erdatmosphäre absorbiert wird. Das hier gezeigte neue Hubble-Bild von der Kernregion des Schmuckkästchens ist die erste Aufnahme eines offenen Sternhaufens, die den gesamten Spektralbereich vom nahen Infrarot- bis zum fernen Ultraviolettbereich abdeckt. Es wurde aus sieben Einzelaufnahmen zusammengesetzt, deren jede durch ein anderes Filter aufgenommen wurde, und zeigt nie vorher gesehene Details. Die Aufnahme ist eine der letzten, die mit der Wide Field Planetary Camera 2 erstellt wurden, die viele der bekanntesten Hubble-Bilder lieferte, bevor sie bei der letzten Wartungsmission ausgetauscht und auf die Erde zurückgebracht wurde.

Das Bild zeigt eine Reihe von blass-blauen Überriesen, einen einsamen roten Überriesen, eine Auswahl weiterer farbig-leuchtender und eine Vielzahl schwächerer Sterne. Die Farben der Sterne ergeben sich aus den unterschiedlichen Intensitäten ihres Lichts bei unterschiedlichen Wellenlängen.

Die große Spannbreite der Sternhelligkeiten ist darauf zurückzuführen, dass die hellsten Sterne des Haufens 15 bis 20 Mal soviel Masse besitzen wie die Sonne, die leuchtschwächsten dagegen weniger als die Hälfte der Sonnenmasse. Massereichere Sterne leuchten ungleich heller, altern allerdings auch schneller und werden viel eher als ihre masseärmeren Geschwister zu Riesensternen – wobei das Dasein als Riesenstern eine typische Phase gegen Ende eines Sternenlebens darstellt.

Das Schmuckkästchen liegt rund 6400 Lichtjahre von der Erde entfernt, und ist ungefähr 16 Millionen Jahre alt.

Endnoten

[1] Offene (oder galaktische) Sternhaufen sollten nicht mit Kugelhaufen verwechselt werden – kugelförmigen Ansammlungen von zehntausenden alten Sternen, die um unsere Galaxie (und andere Galaxien) umlaufen. Nach heutigem Wissen haben sich die meisten Sterne in offenen Haufen gebildet – auch unsere Sonne.

[2] Der Kohlensack ist eine mit dem bloßen Auge sichtbare Dunkelwolke am Südhimmel, nahe dem Kreuz des Südens. Dunkelwolken sind interstellare Wolken aus dichtem Staub, die einen Großteil des Lichts der dahinterliegenden Himmelsobjekte absorbieren; die Wolke erscheint daher dunkler als die umliegenden Regionen des Sternenhimmels.

[3] Wenn das Licht eines fernen Sterns auf seiner Reise zur Erde Staubwolken durchquert, so werden die blauen Lichtanteile stärker gestreut als die roten. Umgekehrt heisst dies: Ein größerer Teil des roten Lichts setzt seine Reise zur Erde ungestört fort; dementsprechend sieht der Stern von der Erde aus gesehen rötlich aus. Ein analoger Effekt ist für die rote Farbe der Sonnenuntergänge verantwortlich, die wir hier auf der Erde beobachten können.

Hintergrundinformationen

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Das Weltraumteleskop Hubble ist ein internationales Kooperationsprojekt der ESA und der NASA.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

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Dr. Markus Pössel Max-Planck-Gesellschaft

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