Bisher unerreichte Energien am Teilchenbeschleuniger LHC – Neues Kapitel der physikalischen Forschung beginnt

Der Neustart erfolgte vor zehn Tagen, und diesmal hat es geklappt: Der Teilchenbeschleuniger LHC am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf ist wieder in Betrieb gegangen und läuft nun reibungslos.

Die größte Maschine, die je gebaut wurde, erreichte am 30. November 2009 so hohe Energien, dass bei den Experimenten eine Einsicht in die Struktur der Materie mit bisher nicht dagewesener Präzision möglich wird. Physiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die das ATLAS-Experiment am LHC zusammen mit ihren Kollegen aus aller Welt aufgebaut haben, verfolgen die Entwicklung mit großer Spannung. Der ATLAS-Detektor funktioniert einwandfrei und hat bereits erste Teilchenkollisionen aufgezeichnet.

Der LHC ist der leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger weltweit und soll, so die Hoffnungen, neue und vielleicht auch völlig überraschende Erkenntnisse über den Aufbau der Materie und die Entstehung des Universums ermöglichen. 50 bis 100 Meter unter der Erde werden nahe dem Genfer See Protonenpakete in einem 27 Kilometer langen Ring auf sehr hohe Energie beschleunigt, wodurch die Protonen beinahe Lichtgeschwindigkeit erreichen. Prallen einzelne dieser Protonen auf-einander, können neue Teilchen entstehen, die von riesigen Detektoren erkannt werden. Die Hoffnung der Physiker richtet sich insbesondere darauf, das mysteriöse Higgs-Boson zu entdecken, das erklären würde, warum Teilchen überhaupt eine Masse haben können.

Der LHC hat erstmals Protonenenergien von 1,18 TeV erreicht und sieht für die Zukunft noch deutlich höhere Energien vor. Schon jetzt übertrifft er damit den Teilchenbeschleuniger mit der bisher höchsten Energie, das Tevatron bei Chicago, der 0,98 TeV verzeichnet. „Mit dem LHC beginnt eines der spannendsten Kapitel in der Physik. Wir haben jetzt Zugang zu Reaktionen, die bisher im Labor nicht beobachtbar waren“, sagt Prof. Dr. Volker Büscher vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Bis das Higgs-Teilchen gefunden wird, dürfte es aber etwas länger dauern. Im Jahr 2010 wird erst einmal die Dunkle Materie das heiße Thema sein“, erwartet der Mainzer Physiker. Indirekte Hinweise auf die Existenz der Dunklen Materie, zum Beispiel die ungewöhnlich schnelle Rotation der Außenbereiche von Galaxien, gibt es schon seit Längerem, aber ein eindeutiger Nachweis steht bislang noch aus.

Etwa 50 Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität sind an den LHC-Experimenten und ihrer Auswertung beteiligt. Forscher der Arbeitsgruppe Experi-mentelle Teilchen- und Astroteilchenphysik (ETAP) befassen sich vor allem mit dem ATLAS-Experiment, einem der vier großen Experimente am LHC. ATLAS wird die neuen Teilchen, die bei den Protonen-Kollisionen entstehen, feststellen und präzise vermessen. Das Experiment wurde in internationaler Zusam-menarbeit im Laufe von mehr als zehn Jahren von über 2.200 Physikern aus 37 Ländern aufgebaut. Von der Mainzer Forschungsgruppe wurde dabei mit dem sogenannten L1-Kalorimetertrigger ein zentraler Teil des Detektors entwickelt und gebaut: „Mit dem Trigger wird 40 Millionen mal pro Sekunde überprüft, ob eine interessante Reaktion stattgefunden hat“, beschreibt Prof. Dr. Stefan Tapprogge, ebenfalls vom Institut für Physik, das Instrument.

„Der Trigger ist also das Herzstück des Detektors, denn er ermöglicht erst die Messung. Wir sind stolz zu sehen, dass unser Beitrag zum Experiment bei den ersten Kollisionen wie erwartet funktioniert hat.“ Für das ATLAS-Experiment beginnt nun der spannende Teil einer auf viele Jahre angelegten Messkampagne, in der die Mainzer Gruppe sich überwiegend der Analyse und Interpretation der auf-gezeichneten Daten widmen wird.

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