Erste Supraflüssigkeit aus Magneten

Quantenphänomene finden sich typischerweise in der Welt der kleinsten Teilchen. So lassen sich zum Beispiel die Zustände von Elektronen auf ihrem Weg um einen Atomkern ohne die Quantenmechanik nicht verstehen. Es gibt jedoch auch makroskopische Quantenphänomene wie zum Beispiel die Supraleitung oder die verwandte Supraflüssigkeit. Dort wird das Verhalten sehr vieler Teilchen durch einen einzigen effektiven makroskopischen Quantenzustand beschrieben.

In Supraflüssigkeiten oder bei der Supraleitung können dies viele Milliarden Teilchen sein, die zu dem Quantenverhalten beitragen. Ein charakteristisches Phänomen, das diese Zustände interessant macht, ist das Verschwinden von elektrischem Widerstand oder der Viskosität (Zähigkeit) einer Flüssigkeit.

Klassische so genannte Ferroflüssigkeiten sind schon seit einiger Zeit bekannt. Die jetzt hergestellte Quantenferroflüssigkeit besteht aus magnetischen Atomen (Chrom), die in einem stark unterkühlten Gas einen Phasenübergang zu einem Bose Einstein Kondensat durchlaufen. Diese Kondensate sind Supraflüssigkeiten mit verschwindender Viskosität.

Den Stuttgarter Wissenschaftlern ist es gelungen, in dieser Flüssigkeit die magnetische Wechselwirkung zwischen den Teilchen so zu steuern, dass sie wie in einer Ferroflüssigkeit die Eigenschaften des Kondensats stark bestimmt. So richtet sich diese Flüssigkeit zum Beispiel an einem Magnetfeld aus und wird in ein solches hineingezogen. Dabei machen sie sich eine so genannte Feshbach-Resonanz (benannt nach dem Amerikanischen Physiker Herman Feshbach) zu Nutze.

Wie Regentropfen auf der Windschutzscheibe

Als nächsten Schritt werden die Stuttgarter Wissenschaftler die Eigenschaften einer solchen neuartigen Flüssigkeit untersuchen. Sie erwarten beispielsweise, dass die Flüssigkeit unter bestimmten Umständen instabil wird und sich von selbst in kleine Tröpfchen aufteilt – ein Phänomen, das mit dem Verhalten von Regentropfen auf einer Windschutzscheibe vergleichbar ist. Untersucht wird auch, ob sich mit diesen Chrom Kondensaten auf unkonventionelle Weise Nanostrukturen herstellen lassen.

Die Arbeiten sind Teil des transregionalen Sonderforschungsbereichs SFB/TR 21, bei dem die Uni Stuttgart Sprecherhochschule ist. Der SFB mit dem Titel „Control of quantum correlations in tailored matter“ (Co.Co.Mat) hat sich unter anderem die Aufgabe gestellt, neue Arten solcher Quantenzustände der Materie aufzuspüren. Daraus ergeben sich unter anderem neue wissenschaftliche Anwendungen für ultrakalte Gase.

*) Der Beitrag von Thierry Lahaye, Tobias Koch et. al. mit dem Titel „A quantum ferrofluid“ ist vorab einsehbar unter http://www.pi5.uni-stuttgart.de/publications/arxive0706.1670.pdf

Weitere Informationen bei Prof. Tilman Pfau, Tel. 0711/685-68025, e-mail: t.pfau@physik.uni-stuttgart.de sowie bei Tobias Koch, Tel. 0711/685-64953,

e-mail: t.koch@physik.uni-stuttgart.de.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer