DESYs FLASH-Anlage bringt Licht in die Nanowelt

Mit Hilfe des in der Welt einmaligen Freie-Elektronen-Lasers für weiche Röntgenstrahlung FLASH bei DESY in Hamburg gelang es einem internationalen Forscherteam erstmals, ein hochaufgelöstes Beugungsbild einer nichtkristallinen Probe mit einem einzigen, extrem intensiven und kurzen Laserblitz aufzunehmen.

Diese erste erfolgreiche Anwendung der neuen „flash diffractive imaging“ genannten Abbildungsmethode – die am 12. November 2006 online in Nature Physics veröffentlicht wurde – markiert den Beginn einer neuen Ära in der Strukturforschung von den Material- bis hin zu den Molekularwissenschaften. Das Experiment zeigt, dass es schon in naher Zukunft mit Hilfe eines einzigen ultrakurzen, extrem intensiven Laserpulses möglich sein sollte, Bilder von Nanoteilchen oder sogar von einzelnen großen Makromolekülen – Viren oder Zellen – aufnehmen zu können. Dies verspricht einzigartige Möglichkeiten, die Dynamik von Nanoteilchen und die Struktur großer Biomoleküle zu untersuchen, ohne die Proben vorher aufwändig kristallisieren zu müssen, wie es bei der herkömmlichen Röntgenstrukturanalyse erforderlich ist.

„Das experimentelle Prinzip, das an DESYs neuem Freie-Elektronen-Laser FLASH erstmals nachgewiesen wurde, verspricht eine Revolution der Strukturforschung in den Naturwissenschaften, einschließlich der Lebenswissenschaften, und zwar immer dort wo Bilder mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung benötigt werden,“ erklärt Professor Jochen Schneider, DESY-Forschungsdirektor und Mitautor der Veröffentlichung. „Als einziger Laser mit extrem intensiven, kohärenten Lichtblitzen im weichen Röntgenbereich von gerade einmal 25 Femtosekunden Dauer ist FLASH die erste Strahlungsquelle der Welt, an der diese und andere neuartige Experimentiermethoden studiert werden können. Dank großer Erfolge in der Beschleunigerphysik bei DESY ist FLASH auch die erste Nutzeranlage dieser Art, die Wissenschaftlern sehr unterschiedlicher Disziplinen zur Verfügung steht. Da das neue „single-shot“-Abbildungsverfahren ohne Linsen auskommt, kann die Methode bis zu atomarer Auflösung weiter entwickelt werden, sobald harte Röntgenlaser mit noch kürzerer Wellenlänge zur Verfügung stehen. Das von einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung von Professor Henry Chapman von der University of California und Professor Janos Hajdu von der Universität Uppsala durchgeführte Experiment untermauert die großen Hoffnungen auf revolutionär neue Messmöglichkeiten an künftigen Freie-Elektronen-Lasern im harten Röntgenbereich, wie der Linac Coherent Light Source LCLS in Stanford, Kalifornien, die gerade gebaut wird, oder der europäischen XFEL-Anlage in Hamburg.“

Bildgebende Verfahren sind oft dadurch begrenzt, dass die Strahlung, mit der das Bild erzeugt wird, die zu untersuchende Probe zerstört. Das bedeutet insbesondere für die Lebenswissenschaften eine harte Einschränkung. „Es gibt jedoch einen Weg, dieses Problem zu umschiffen“, erklärt Janos Hajdu. „Wir müssen das Bild schneller aufnehmen, als die Probe von der Strahlung zerstört werden kann.“ Darüber hinaus hat dieser Ansatz den Vorteil, dass man zum Beispiel wichtige Informationen über den Aufbau großer Moleküle bekommt, ohne diese vorher aufwändig kristallisieren zu müssen. Für die Aufnahme eines Beugungsbilds im „single-shot“-Verfahren wird nur ein einziger Molekülkomplex benötigt, der dann mit einem einzigen ultrakurzen, extrem intensiven Röntgenlaserpuls bestrahlt wird, um ein Beugungsbild zu erzeugen. Aus vielen solcher Beugungsbilder wird man dann die räumliche Anordnung der Atome ermitteln. Theoretische Studien hatten vorhergesagt, dass es tatsächlich möglich sein sollte, ein solches Beugungsbild von nichtkristallinen Objekten zu erhalten. „Es gab jedoch zwei große Fragenzeichen“, erläutert Hajdu. „Kann ein einzelner Blitz aus einem Freie-Elektronen-Laser ein aussagefähiges Bild erzeugen, bevor die Röntgenstrahlung die Probe in ein Plasma verwandelt? Und enthält dieses Beugungsmuster wirklich strukturelle Informationen über das Objekt, bevor es zerstört wird? Nach unserem Experiment können beide Fragen mit „ja“ beantwortet werden.“

In dem FLASH-Experiment brachten die Forscher einen sehr intensiven Lichtblitz von 32 Nanometern Wellenlänge und nur 25 Femtosekunden Dauer auf eine Testprobe – eine dünne Membran, in die ein 3 Mikrometer breites Muster geritzt worden war. Die Energie des Laserpulses heizte die Probe auf etwa 60.000 Grad Celsius auf, so dass sie verdampfte. Dem internationalen Forscherteam gelang es jedoch, ein aussagekräftiges Beugungsmuster aufzunehmen, bevor die Probe zerstört wurde. Das mit speziellen Rechenmethoden aus dem Beugungsmuster ermittelte Bild zeigte keine Strahlenschäden, das zweidimensionale Testobjekt konnte bis zur maximal möglichen Auflösung des Detektors rekonstruiert werden. Schäden an der Probe traten also erst auf, nachdem der ultrakurze Laserpuls sie durchquert hatte.

Um Bilder von Molekülkomplexen mit atomarer Auflösung aufzunehmen, müssen solche Experimente mit Hilfe von Strahlung noch kürzerer Wellenlängen, also im harten Röntgenbereich durchgeführt werden. Solche harten Röntgenstrahlen sollen ab 2009 von LCLS in Stanford und vom europäischen Röntgenlaser XFEL in Hamburg erzeugt werden, der 2013 in Betrieb gehen wird. Da die bei FLASH nachgewiesene Methode keine bildgebende Optik benötigt, kann sie in den Bereich der harten Röntgenstrahlung ausgedehnt werden, für den es bisher keine Linsen gibt.

FLASH ist ein Freie-Elektronen-Laser bei DESY, der 2004 in Betrieb genommen wurde und seit 2005 für die Forschung mit kurzwellig ultravioletter und weicher Röntgenstrahlung im Einsatz ist. Die 260 Meter lange Anlage hieß zunächst VUV-FEL (Vacuum Ultraviolet Free-Electron Laser) und wurde im April 2006 in FLASH (Freie-Elektronen-Laser in Hamburg) umbenannt. Während der ersten Messperiode, in der das Chapman-Hajdu-Team sein Experiment durchführte, hielt die Anlage mit 32 Nanometern bereits den Weltrekord der kürzesten, je mit einem Freie-Elektronen-Laser erzeugten Wellenlänge. 2006 stellte die FLASH-Mannschaft mit einer Wellenlänge von nur 13,1 Nanometern und intensiver Strahlung in der so genannten dritten Harmonischen bei 4,4 Nanometer Wellenlänge einen neuen Rekord auf. Im Jahr 2007 wird FLASH weiter ausgebaut, um die Wellenlänge der erzeugten Röntgenstrahlung auf den Designwert von 6 Nanometern in der Grundwelle und auf 2 Nanometer in der dritten Harmonischen zu verkürzen. FLASH ist für die Forschung mit Photonen im Einsatz und dient gleichzeitig als Pilotanlage für den europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaser XFEL, dessen Bau im Jahr 2007 beginnt.

Das „single-shot imaging“-Experiment wurde von einem internationalen Team aus 34 Wissenschaftlern von folgenden Institutionen durchgeführt:

o Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Deutschland
o Spiller X-ray Optics, USA
o Stanford Synchrotron Radiation Laboratory, Stanford Linear Accelerator Center SLAC, USA
o Technische Universität Berlin, Deutschland
o University of California, Davis, USA
o University of California, Lawrence Livermore National Laboratory, USA
o Universität Uppsala, Schweden

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Petra Folkerts idw

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