Digitaler Rekordspeicher durch metallische Zwangsehe

Angenommen, die persönliche Musiksammlung umfasst 500 CDs. Das sind wahrscheinlich über 5000 einzelne Titel. Wäre es nicht praktisch, die komplette Sammlung als mp3-Dateien komprimiert auf nur einem Rohling speichern zu können?

Ein Paar Kopfhörer, ein Lesegerät und schon wäre es, als hätte man das heimische CD-Regal immer dabei. An Möglichkeiten der Umsetzung dieser Vision arbeitet zurzeit der Dresdner Physiker Dr. Dirk C. Meyer, Leiter der „Selbstständigen Nachwuchsgruppe für Nanostrukturphysik“ an der Technischen Universität Dresden mit seinen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie wissenschaftlichen Kooperationspartnern. Die Wissenschaftler entwickeln unter anderem Verfahren, mit denen beispielsweise die Speicherkapazität von DVDs um das Zehn- bis Hundertfache erhöht werden könnte.

Arbeitsgrundlage der Gruppe um Dr. Meyer ist die regelmäßige, gitterartige Struktur der Atome in festen Stoffen, die Kristallstruktur. Die Anordnung der Atome bestimmt maßgeblich die Materialeigenschaften, wie zum Beispiel Magnetismus, elektrische Leitfähigkeit oder Härte. Ziel ist es, die Atomgitter so verändern zu können, dass sich Eigenschaften modifizieren und damit auch verbessern lassen. „Wir möchten Atome überreden, ihren Platz im Teilchengefüge gezielt zu wechseln, auch wenn sie es eigentlich gar nicht wollen“, sagt der Physiker.

Wenn Atome nicht ohne weiteres ihre Position verändern oder neben unliebsamen Nachbarn einnehmen, helfen die Dresdner Wissenschaftler ein bisschen nach. Eisen und Chrom beispielsweise werden in einer Art Zwangsehe miteinander verbunden. Eigentlich lassen sich die beiden chemischen Elemente bei Raumtemperatur nicht mischen, was für maßgeschneiderte magnetische Werkstoffe interessant wäre, so ist Eisen unter entsprechenden Bedingungen ferromagnetisch, Chrom dagegen antiferromagnetisch. Aber mithilfe eines Lasers können beide Metalle verdampft und so miteinander trickreich gemischt werden. „Dies beherrschen unsere Kooperationspartner vom Institut für Werkstoffwissenschaft um Prof. Wolfgang Pompe im weltweiten Vergleich in Spitzenqualität“ so Dr. Meyer.

Ausgehend von dem durch den Laser herbeigeführten plasmaartigen Zustand, welcher der Situation auf der Sonnenoberfläche ähnlich ist, lagern sie die Atome dann – auch gegen ihren Willen – gemeinsam als hauchdünne Schicht auf den Oberflächen von umgebenden und vergleichsweise kalten Materialien ab. Einmal zwangsvereint fehlt den Atomen nach der Ablagerung einfach die Energie, um ihren Platz noch einmal zu wechseln und sich dadurch wieder zu entmischen.

Dr. Meyer ging anschließend folgender Frage nach: Was passiert, wenn man die Atome dieser Schicht teilweise wieder mobil macht – ihnen also Energie zuführt, mit der sie sich aus der Gitterstruktur mit den jeweils anderen Atomen befreien könnten. „Sie werden sich natürlich entmischen, um sich aus ihrer angespannten Lage Erleichterung zu verschaffen“, weiß der Physiker. Dadurch wird allerdings die Anordnung der Atome wieder verändert und damit die Eigenschaften der Stoffe. Im genannten Fall könnte so die Schicht vom nichtmagnetischen in den magnetischen Zustand übergehen. Die zugrunde liegende Gitteranordnung der Atome wird dabei durch die Beugung von Röntgenstrahlung vermessen, womit die Physiker die technisch nutzbaren Eigenschaften mit der jeweiligen Anordnung der Atome verknüpfen können.

Für besondere Entwicklungen dieser Methode für dünnste Schichten erhielt Dr. Meyer den „Max-von-Laue-Preis 2004“, der nach dem hauptsächlichen Entdecker (erstes erfolgreiches Experiment im Jahre 1912 und Nobelpreis für Physik im Jahre 1914) benannt ist. „Ohne eine aktive und motivierte Gruppe und ein wissenschaftliches Umfeld sowie technische Unterstützung – wie an der TU Dresen vorhanden – sind derartige Leistungen für Einzelne undenkbar“, so Dr. Meyer.

Beschießt man nun Stück für Stück einer so gefertigten dünnen Schicht „in Zwangsehe“ auf einem CD-ähnlichen Rohling mit energiegeladenem Laser oder Ionen werden sich die Atome nur genau an der jeweiligen Stelle – limitierbar auf die Ausdehnung einer Handvoll Atome – neu anordnen, auf die der Energiestrom gerichtet ist, ähnlich einem CD-Brenner im Computer. Dieses Verfahren wäre zum Beispiel auf einem Rohling anwendbar, dessen Oberflächenbeschichtung Stelle um Stelle magnetisiert oder eben nichtmagnetisch belassen sein könnte. Digitale Daten wären so in einer bisher nicht erreichten Kapazität auf beschichteten Rohlingen speicherbar. Auf winzigen Mikrochips ließen sich mit diesem Verfahren sogar magnetische Leiterbahnen „schreiben“. „Unsere Publikationen zu diesem Thema in international renommierten Fachzeitschriften werden von Fachkollegen in aller Welt rege zitiert – nahezu jede Woche erscheint eine wissenschaftliche Publikation von Fachkollegen, welche die erwähnten Arbeiten als Grundlage würdigen: „Und immer ist damit auch von der TU Dresden die Rede“, freuen sich Dr. Meyer und seine jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Informationen für Journalisten: Dr. Dirk C. Meyer, Leiter einer selbständigen Nachwuchsgruppe (Juniorprofessor) für Nanostrukturphysik, Tel. 0351 463-32536

E-Mail: dirk.meyer@physik.tu-dresden.de

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Kim-Astrid Magister idw

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