Sonnenteleskop ins All

Wissenschaftler der Kieler Universität sind mit einem ausgeklügelten Gerät an Bord des Raumsondenpaars STEREO, dessen Start für den 31. August geplant ist. Das spezielle Teilchenteleskop untersucht die von der Sonne ausgeschleuderten Gaswolken, um Auskünfte über die Zusammensetzung der energiereichen Teilchenstrahlung und über den Sonnenwind zu erhalten.

Sechzehn Detektoren an der Außenseite der beiden Raumsonden fangen die Materieteilchen des Sonnenwindes ein und unterscheiden sie nach Art, Energie und Einfallsrichtung. Aus diesen Daten lassen sich Erkenntnisse über Stoffarten der Teilchen und über ihre Beschleunigung gewinnen. Das ausgeklügelte Experiment trennt durch eine komplexe Anordnung hauchdünner Folien und ultrastarker Permanentmagneten (0,5 Tesla) Protonen von Elektronen, aus denen die Teilchenstrahlung der Sonne zu über 90 Prozent besteht. Das Gerät SEPT (Solar Electron and Proton Telescope) wurde in der Feinmechanikwerkstatt des Physikzentrums gebaut und bereits im Mai nach Cape Canaveral geschickt, wo eine Delta Rakete die Zwillingssonden Huckepack ins All bringen wird.

Um die Geräte auf dem Weg in die Sonnenumlaufbahn vor Strahlung und Wärme zu schützen, entwickelte man in Kiel eigens kleine Türen. Etwa drei Wochen nach dem Start öffnet Reinhold Müller-Mellin, der Projektleiter von SEPT, von der Bodenstation im Goddard Space Flight Center aus die kleinen Türen und schaltet das Experiment ein.

Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist neben dem Max-Planck-Institut in Lindau/Harz die einzige deutsche Forschungseinrichtung, die sich an der STEREO-Mission beteiligt. Das Institut für Extraterrestrische Physik wurde bereits 1998 aufgrund seines ausgezeichneten Experimentvorschlages und seiner einschlägigen Erfahrung für das Projekt ausgewählt. Heute leitet Professor Robert Wimmer-Schweingruber den Arbeitsbereich.

Zum Hintergrund: Die Zwillingsmission STEREO

Mit Hilfe zweier baugleicher Raumsonden wird die NASA zum ersten Mal sowohl die Sonne als auch die Erde zeitgleich aus zwei verschiedenen Blickwinkeln aufnehmen können, was drei-dimensionale Aufnahmen von Sonnenexplosionen ermöglicht. Mit Hilfe der Mondanziehung werden die beiden Raumsonden auf Umlaufbahnen um die Sonne geschickt, die der unserer Erde entsprechen, wobei eine Sonde der Erde vorauseilt, während die andere der Erde nachfolgt. Der Abstand zur Erde wird dabei ständig größer. Schon nach einigen Monaten will man so stereoskopische Aufnahmen der Gasausbrüche auf der Sonne erhalten und Geschwindigkeit und Richtung der Teilchenstürme bestimmen können.

Die Sonne schleudert beständig Gaswolken ins All. In unregelmäßigen Abständen beobachten wir jedoch gewaltige Gasausbrüche auf der Sonnenoberfläche, so genannte Sonnenstürme. Sie verursachen die bekannten Polarlichter und bringen das Magnetfeld der Erde völlig durcheinander. Kommunikationsnetze, Energieversorgung und Militäranlagen werden beeinflusst. Sie stören auch das Orientierungssystem einiger Tiere, wie Kieler Wissenschaftler am Beispiel der Wale im Jahr 2005 nachweisen konnten.

Die Zerstörungskraft der kleinsten, durchdringenden Materieteilchen, die aus der Sonne herausgeschleudert werden, beschädigt hochempfindliche Elektronik und menschliche Zellen und birgt somit ernste Gefahren für Satelliten und Astronauten, die sich ja außerhalb der schützenden Erdatmosphäre aufhalten.

STEREO ist auf zwei Jahre angelegt, hat aber genügend Kapazitäten, um weitere fünf Jahre verlängert zu werden. Die Mission erweitert das Vorgängerprojekt SOHO, das sich noch immer in Betrieb befindet, auf die dritte Dimension. Der Raketenstart wurde offiziell von der NASA auf den 31. August festgelegt. Die beiden Raumsonden und die Rakete sind im Zeitplan. Nur eine Verspätung des auf den 28. August terminierten nächsten Starts eines Space Shuttle oder schlechtes Wetter könnte den Starttermin noch gefährden. Reinhold Müller-Mellin wird in Cape Canaveral dabei sein.

Kontakt:
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik
Abteilung Extraterrestrische Physik
Reinhold Müller-Mellin
Tel. 0431/880-3227
mueller-mellin@physik.uni-kiel.de

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