Mathematik für schonendere Computertomographie

Die CT wird immer leistungsfähiger: mehr Bilder in kürzerer Zeit, mehr diagnostische Möglichkeiten. So erlaubt es die moderne Mehrschicht-CT, mehrere aneinander angrenzende Schichten des Körpers gleichzeitig zu betrachten. Die Anzahl der CT-Aufnahmen wird also weiter steigen – und damit auch die Strahlenbelastung. Technische Verbesserungen konnten die Dosis pro CT bisher um maximal 30 Prozent senken. Bei weiterer Reduzierung würde durch erhöhtes Bildrauschen unweigerlich die Bildqualität leiden. Um trotz geringerer Dosis Aufnahmen hoher Qualität zu erzeugen, setzt die Arbeitsgruppe Medizinphysik am Institut für Strahlenschutz des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München auf die Mathematik: Ein neuartiger Algorithmus für die notwendige Rekonstruktion der Bilder aus den CT-Daten nutzt die in den Rohdaten steckende Information besser aus, erklärt der Leiter der Arbeitsgruppe, Dr. Christoph Hoeschen. So lassen sich aus der Hälfte der Daten – entsprechend einer halbierten Strahlenbelastung – mindestens gleich gute Bilder rekonstruieren wie mit dem bisherigen Standardverfahren, der „Filtered Back Projection“ (FBP).

Die Mess-Daten werden aus verschiedenen Winkeln aufgenommen, der gesamte Datensatz bildet ein so genanntes Sinogramm. In einer Rechenoperation entsteht daraus eine Annäherung an das ursprüngliche Bild. Der Algorithmus der FBP besteht aus zwei Hauptschritten: der Rückprojektion und einer Filterung. Diese Filterung ist notwendig, um die bei der Rückprojektion entstehenden Fehler auszugleichen, bringt aber eine gewisse Unschärfe ins Bild. Um diese möglichst gering zu halten, muss man so hoch aufgelöst messen wie möglich, und zwar – damit nun das Bildrauschen nicht zu groß wird – mit photonenreichen Strahlen. Sprich: Man muss eine hohe Strahlenbelastung in Kauf nehmen.

Der neue Rekonstruktionsalgorithmus, den die GSF-Wissenschaftler gemeinsam mit Kollegen von der Universität Oregon in Eugene, USA, geschaffen haben, kann direkt aus den Rohdaten eines CT-Scans Bilddaten errechnen. Basis der „Orthogonal Polynomial Expansion on the Disc“ (OPED) ist die Tatsache, dass sich eine Funktion, die das Objekt beschreibt, näherungsweise durch ein Polynom wiedergeben lässt. Durch geschickte Auswahl der benötigten Basisfunktionen können die Experten mit relativ geringem Rechenaufwand und auf einfache Weise aus Rohdaten eines CT-Scans eine äußerst genaue Näherung der tatsächlichen Eigenschaften des Objekts rekonstruieren.

Auch ein weiteres Problem der Rekonstruktion mittels FBP kann OPED elegant umgehen: Da die Strahlen nicht parallel, sondern fächerförmig verlaufen, die meisten gängigen FBP-Versionen aber zwingend parallele Strahlen erfordern, müssen aus dem Strahlenfächer Parallelstrahlen berechnet werden. Das kann zu Fehlern in der Rekonstruktion führen. Mit OPED lassen sich die benötigten Daten direkt aus den mit gefächerten Strahlen aufgenommenen Scans gewinnen. Die Daten müssen nur umsortiert werden, dann kann die Rekonstruktion sofort beginnen.

Dass OPED den Vergleich mit FBP nicht scheuen muss, haben Testsimulationen bewiesen. Anhand technischer Objekte und selbst erstellter Voxelmodelle menschlicher Körper wurden Rohdaten simuliert, wie sie ein tatsächliches CT liefern würde. Bei der anschließenden Rekonstruktion dieser Daten – einmal mit FBP und einmal mit OPED aus der Hälfte der FBP-Daten – gab das OPED-Bild Details schärfer wieder, ohne deutlich verstärktes Rauschen. Quantitative Auswertungen technischer Phantome zeigten: Mit OPED ist bei halber Dosis mindestens dasselbe Signal-Rauschverhältnis zu erreichen wie mit FBP bei voller Dosis. Mit dem neuen Algorithmus lässt sich also die Dosis ohne jegliche Qualitätseinbuße um die Hälfte reduzieren. Nun muss OPED nur noch die Hürde der Markteinführung nehmen, dann könnte in absehbarer Zukunft eine schonendere Computertomographie in Arztpraxen und Kliniken Einzug halten.

Für weitere Informationen und Bildmaterial kontaktieren Sie bitte die GSF- Pressestelle:

GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit
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Michael van den Heuvel idw

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