Physik im Spiel: Wenn der Ball wie von Geisterhand ins Tor gelenkt wird

Wunder gibt es immer wieder. Auch beim beliebtesten Sport der Deutschen, dem Fußball. Doch wenn der Ball eine Kurve fliegt und im Tor landet, hat dies nichts mit Zauberkräften zu tun. Vielmehr wirken hier physikalische Kräfte, die sich berechnen lassen. Dieser Ansicht ist Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik an der Universität Dortmund. Er widerspricht damit ganz deutlich Rudi Assauer, der einmal sagte: „Fußball ist unberechenbar.“

In einer besonderen Vorlesung ist Professor Tolan im Sommersemester 2006 ausgesuchten Phänomenen des Fußballs auf der Spur. Der 40-Jährige verlängert seine reguläre Veranstaltung zur Quantenmechanik mit Blick auf die WM um eine halbe Stunde. Interessierte können dann zum Beispiel herausfinden, wie die Bananenflanke genau funktioniert.

„Bälle, die einen starken Drall haben, fliegen um die Ecke,“ weiß Tolan. Denn auf den Ball wirken die Luftreibung, der (Gegen)-wind und die Gravitation. Wird der Ball bei etwa fünf Umdrehungen stark angeschnitten, kann er sich fünf Meter zur Seite bewegen, bei zehn Umdrehungen etwa zehn Meter. Physiker bezeichnen dies als Magnus-Effekt: Es entsteht ein Überdruck, der den Ball zur Seite schiebt, so dass dieser eine Kurve fliegt – möglichst ins Tor. Dies gelang zum Beispiel dem Brasilianer Roberto Carlos 1997 in einem Spiel gegen Frankreich. Je stärker der Ball rotiert, desto stärker ist der Effekt.

Ob die Bananenflanke gelingt, hängt allerdings auch von der Oberfläche des Balls ab. Denn die Nähte des Balls – der aus zwölf Fünfecken und 20 Sechsecken besteht – sind alles andere als nur Design. Sie sorgen vielmehr für einen stark veränderten Luftwiderstand. An ihnen lösen sich die Luftwirbel, die hinter dem Ball entstehen. Mit diesem Wissen kann man nicht nur bei der diesjährigen WM glänzen.

Die Grundgesetze der Mechanik und Aerodynamik greifen auch beim umstrittensten Tor der Fußballgeschichte, das 1966 in Wembley fiel. Laut Regelwerk ist ein Ball im Tor, wenn er sich eine ganze Umdrehung hinter der Linie befindet. Im Spiel Deutschland gegen England prallte er an der Torlatte ab und flog wieder aus dem Tor heraus. Der Linienrichter zählte dies als Treffer – und er kann damit Recht gehabt haben: „Es war ein Tor, wenn der Ball zwischen 75 und 100 km/h schnell war und an der Torlatte einen Drall bei circa zehn Umdrehungen pro Sekunde erhielt. Dann nämlich flog er eine Kurve und befand sich für 0,02 Sekunden hinter der Linie – in der Luft“, erklärt Tolan seine Berechnungen. Schmunzelnd und wohl wissend, dass diese wissenschaftlichen Analysen nur ohne persönliche Emotionen möglich sind.

Spannende Vorträge zur WM

Die Stadt und die Universität haben gemeinsam die Veranstaltungsreihe „Uni findet Stadt – Wissenschaftliche Exkurse zur WM“ organisiert. Metin Tolan erklärt weitere Phänomene in seinem Vortrag: „So werden wir im Sommer Weltmeister – Die Physik des Fußballspiels“ am 23. Februar.

Am 24. März berichtet Tanja Auffenberg, Institut für Deutsche Sprache und Literatur, „Von der Orientierung(-slosigkeit) auf dem Spielfeld“. Am 3. April macht Prof. Günther Rager, Institut für Journalistik, deutlich: „Wir werden auch ohne Medien Weltmeister (nur keiner kriegt es mit)“.

Prof. Stephan Starischka, Institut für Sport und Sportwissenschaft, fragt am 20. April „Fußball spielen kann doch jeder!? Über die sportliche Leistungsfähigkeit von Fußballspielern“. Dr. Ernst Jakob, Sportmedizinische Abteilung und Gesundheitszentrum Hellersen, interessiert anschließend „Wie fit muss denn der Schiri sein?!

Leistungsdiagnostische Untersuchungen bei Fußballschiedsrichtern“. Alle Vorträge beginnen um 19 Uhr im Dortmunder Ratssaal.

Kontakt:
Metin Tolan, Fachbereich Physik, Ruf: 0231/755 – 35 02
Weitere faszinierende Hintergründe zur Fußball-WM finden Sie in dem neuen Portal www.wm2006do.de. Unter dem Slogan „Hier ist mehr im Spiel“ schreiben, fotografieren und filmen Studierende des Instituts für Journalistik ungewöhnliche Geschichten rund um das Spielfeld.

Media Contact

Ole Lünnemann idw

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