Wie der Wind weht auf Titan – Ergebnisse der Cassini-Huygens Mission zum Saturn-Mond Titan

RUB-Forscher berichten in NATURE-Sonderheft

In einem Sonderheft des Wissenschaftsmagazins NATURE über die NASA/ESA Mission Cassini-Huygens (Landung der ESA-Raumsonde Huygens auf Titan Anfang 2005) berichten Forscher der Ruhr-Universität Bochum um Prof. Dr. Peter Edenhofer (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik) gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam erstmals über die Ergebnisse ihrer Messungen auf dem Saturn-Mond Titan. Bei dem von ihnen durchgeführten Doppler Wind Experiment (DWE) wurden über den – gewöhnlich in der Akustik bekannten – Dopplereffekt die Winde in der Titan-Atmosphäre in Abhängigkeit von der Höhe gemessen. Erwartungsgemäß entsprach die Windrichtung der Rotationsrichtung des Mondes. Die Windgeschwindigkeiten geben den Forschern jedoch auch noch Rätsel auf: Sie sind in bestimmten Bereichen sehr niedrig bis beinahe null.

„Erdähnlicher“ Saturn-Mond Titan

Beim DWE ging es darum, das Höhenprofil der Windgeschwindigkeiten in der Titan-Atmosphäre zu bestimmen und bei der bordseitigen Radar-Sondierung der Oberfläche dieses Mondes mitzuwirken. Das Höhenprofil wollten die Wissenschaftler ursprünglich über Transmissionsmessungen zwischen Huygens und dem Saturn-Orbiter Cassini bei ca. 2 GHz ermitteln. Dazu nutzten sie den physikalischen Effekt der sog. Dopplerfrequenzverschiebung bei der Signalverbindung zwischen der ESA-Sonde Huygens als Sender, die an einem Fallschirm durch die Atmosphäre des Titan flog, und Empfänger(n) auf dem NASA-Orbiter Cassini bzw. auf der Erde. Die Daten begleitender bordseitiger Radarmessungen und optischer Kamera-Beobachtungen erlauben es, Oberflächenstrukturen des „erdähnlichen“ Titans zu erschließen. Die Erwartungen besagten, dass die Oberfläche vermutlich u.a. aus einem Ozean von flüssigen Kohlenwasserstoffen besteht. Der Titan wurde vor 350 Jahren von Christiaan Huygens entdeckt. Dieser größte Mond des Saturn zeichnet sich u.a. durch seine erdgeschichtliche Bedeutung aus, da seine Atmosphäre stark stickstoffhaltig und reich an organischen Verbindungen ist – was stets Fragen nach der Entstehung des Lebens aufwirft.

Bodenstationen zeichneten die Signale auf

„Durch eine kommandobedingte Fehlkonfiguration eines Übertragungskanals seitens ESA bei dem Empfänger des Cassini-Orbiters der NASA (Relais-Plattform zur Erde) kam die ursprünglich vorgesehene rein bordseitige Signalverbindung Huygens-Cassini leider nicht zustande“, erklärt Prof. Edenhofer die Geschehnisse bei der Landung auf Titan am 14. Januar 2005. Daher mussten die Forscher auf Messungen der Dopplerfrequenzverschiebung des hochfrequenten und extrem frequenzstabilen Huygens-Signals (erstmals bei einer interplanetaren Mission bordseitige atomare Rubidium Oszillatoren im Bereich von 2 GHz) zurückgreifen, die empfangseitig direkt an Bodenstationen auf der Erde aufgezeichnet wurden. Dabei kamen insbesondere das Green Bank Telescope in West Virginia (USA) und das Parkes Radio Telescope (Australien) mit Parabol-Antennenspiegeln vom Durchmesser 100 m bzw. 64 m zum Einsatz. Das Ost-West-Windprofil (zonal) von Titan wurde mit einer hohen räumlichen Auflösung der Größenordnung 1 m/s bestimmt.

Ergebnisse werfen auch neue Fragen auf

Einige Ergebnisse: Maximale Windgeschwindigkeiten von etwa 430 km/h ergaben sich für Höhenbereiche um 120 km, für die letzten fünf Kilometer Höhe vor der Landung ergaben sich ca. ein Meter pro Sekunde. Die zonalen Winde stellten sich erwartungsgemäß als prograd heraus, d.h. gleichgerichtet zur Rotationsbewegung von Titan. Erstmals wurden Phänomene der Superrotation in der Titan-Atmosphäre experimentell bestätigt, d.h. es wurden bereichsweise Windgeschwindigkeiten bestimmt, die größer sind als die äquatoriale Rotationsgeschwindigkeit von Titan. „In Höhen zwischen 60 und 100 km wurden überraschenderweise niedrige Windgeschwindigkeiten bis nahe null gemessen“, so Prof. Edenhofer. „Deren physikalische Interpretation befindet sich allerdings noch im Diskussionsstadium; wir vermuten etwa das Auftreten von Scherungswinden.“

Förderung des Experiments

Das Doppler Wind Experiment wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Projektträgerschaft mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Titelaufnahme

M. K. Bird, M. Allison, S. W. Asmar, D. H. Atkinson, I. M. Avruch, R. Dutta-Roy, Y. Dzierma, P. Edenhofer, W. M. Folkner, L. I. Gurvits, D. V. Johnston, D. Plettemeier, S. V. Pogrebenko, R. A. Preston & G. L. Tyler: The vertical profile of winds on Titan. In: NATURE Special Issue on Huygens (Nov./Dec. 2005), doi: 10.1038/nature04060

Weitere Informationen

Prof. Dr. Peter Edenhofer, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Arbeitsgruppe Antennen und Wellenausbreitung am Institut für Hochfrequenztechnik, Tel. 0234/32-22901/-22977, edh@hf.rub.de

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