Wie Licht auf Metallplatten gespeichert wird

Kleine Löcher bieten überraschende Einsichten

Der Beweis der Relativitätstheorie 1919 war eigentlich eine Ausnahme. Vieles von dem, was Einstein erdachte, ließ sich mit damaligen Mitteln nicht realisieren oder überprüfen: Sei es das Prinzip des Lasers, das Bose-Einstein- Kondensat oder die in einem sich schnell bewegenden Objekt anders verlaufende Zeit. Ähnlich verlief es mit der Nahfeldmikroskopie. Einstein spielte dabei eine kleinere Rolle, das Hauptverdienst ist Edward Hutchinson Synge zuzuschreiben. In einem Brief an Einstein spekulierte der Physiker darüber, dass es möglich sein müsste, Objekte abzubilden, die kleiner sind als die Wellenlängen des dazu benutzten Lichts. Dazu müsste man eine Vorrichtung haben, die so winzig kleine Löcher aufweist, dass keine Lichtwelle durchpasst. Damals, 1928, ein Ding der Unmöglichkeit. Heute ist es Routine für die Forscher, mit solch winzigen Löchern Experimente zu machen. An vorderster Forschungsfront steht dabei die Arbeitsgruppe um Christoph Lienau vom Max-Born-Institut, welche die ungewöhnlichen Eigenschaften von „Oberflächenplasmonen“ untersucht. Lienau: „Das Forschungsthema ist brandheiß.“

Licht, das um die Ecke biegt. Metalle, die Licht für eine gewisse Zeit speichern. Löcher, die Lichtwellen durchlassen, obwohl die Wellen zu groß dafür sind: Was für die meisten Menschen widersprüchlich klingt, das ist in der Arbeitsgruppe von Dr. Christoph Lienau Alltag. Sein Kollege Claus Ropers und er arbeiten am Max-Born-Institut mit ultrakurzen Lichtpulsen, die sie auf Lochplatten schießen. Dabei treten interessante Effekte auf.

Das Laserlicht breitet sich entlang der Metalloberfläche aus und regt Elektronen zum Schwingen an. Dadurch entsteht ein eigenartiger Zustand auf der Oberfläche, der dazu führt, dass Licht für eine kurze Zeit an der Oberfläche gespeichert wird – und zwar an der Vorderseite ebenso wie an der Rückseite der Lochplatten. Die Experten sprechen davon, dass Oberflächenplasmonen erzeugt werden. Der Lichtpuls dringt daher nur mit einer zeitlichen Verzögerung durch die Löcher und verändert dabei auch seine Struktur. Man kann sich das wie ein Nudelsieb vorstellen, in das man einen großen Schwall Wasser kippt. Der „Wasserpuls“ geht nicht sofort durch die Löcher, sondern füllt zunächst erst einmal das Sieb. Christoph Lienau ist zwar nicht ganz glücklich mit dem Vergleich des Reporters, doch die Quantenoptik lässt sich eben nur schwer in anschauliche Worte zu fassen.

Schon die Kürze der Pulse, zehn Femtosekunden, kann sich kein Mensch vorstellen. Eine Femtosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zu 31,7 Millionen Jahren. Diese kurzen Pulse erzeugt ein Kollege Lienaus am MBI, Günter Steinmeyer, mit speziellen Spiegeln (Verbundjournal vom März 2004). Die Pulse haben eine ganz charakteristische Struktur: Auf einer Zeitskala dargestellt sieht man zunächst einige kleine Wellen, dann einen ganz scharfen Zacken – den Laserpuls – gefolgt von einigen kleineren Zacken (Bild). „Diese Zeitstruktur ändert sich nach dem Durchlaufen der Lochplatten“, berichtet Lienau. „Das Licht wird für einige hundert Femtosekunden auf der Metalloberfläche gespeichert.“ Ähnliche Effekte seien auch bei photonischen Kristallen zu erwarten.
In einer demnächst in der Fachzeitschrift Physical Review Letters erscheinenden Arbeit haben Ropers und Lienau nun einen Weg gefunden, um einen Lichtpuls in einer zweidimensionalen Struktur (auf der durchlöcherten Metalloberfläche) einzufangen und seine Lebensdauer zu verlängern. „Das ist sehr wichtig“, betont Lienau. Denn die Versuchsanordnung ergibt einen ganz speziellen Lichtpuls, dessen Struktur sehr genau vermessen werden kann. „Wir vermuten, dass schon wenige fremde Moleküle auf der Metalloberfläche die zeitliche Form des Lichtimpulses verändern werden“, sagt Lienau, „weshalb wir uns vorstellen können, dass der Effekt für den Nachweis von winzigsten Stoffmengen genutzt werden könnte.“ Das Stichwort lautet Nanosensorik. Mit einer Änderung des Winkels zwischen Metallplatte und Lichtstrahl gelingt es sogar, die Verweildauer des Lichts quasi einzustellen. Lienau: „Es sieht so aus, als hätten wir hierfür einen neuen Schalter gefunden.“

Damit nicht genug. Mit Hilfe von Oberflächenplasmonen lässt sich Licht auf allerkleinstem Raum lokalisieren. Entscheidend ist nicht mehr die Wellenlänge des Lichts, sondern der Durchmesser der Löcher. „Wir können damit die Auflösungsbegrenzung von Lichtmikroskopen umgehen“, sagt Lienau. Vor gut 130 Jahren hatte Ernst Abbe in Jena seine bis heute gültige Theorie der mikroskopischen Auflösung formuliert. Demnach begrenzt die Wellennatur des Lichts die räumliche Auflösung optischer Verfahren: Was kürzer ist als eine Lichtwelle, kann nicht mehr abgebildet werden. 55 Jahre nach Abbe legte E. H. Synge dann die Grundlagen für die optische Nahfeldmikroskopie. Doch damals gab es weder Laser, noch die Möglichkeit, so winzige Löcher zu erzeugen. Heute gibt es Glasfasern mit winzigen Spitzen, die den Zweck erfüllen. Und die beleuchteten Löcher in den Platten, wie sie Lienaus Gruppe erzeugt.

Ein dritter Effekt ist ebenfalls interessant: Mit Oberflächenplasmonen lassen sich extrem kurze Lichtwellenlängen erzeugen, möglicherweise sogar so kurz wie die von Röntgenstrahlen. „Wir können wenige Nanometer große Lichtflecken machen, wenn man so will eine Art Röntgenmikroskopie auf einfache Weise“, sagt Lienau. Wobei: Der Begriff „einfach“ ist hier relativ.

Media Contact

Dr. Christoph Lienau Forschungsverbund Berlin e.V.

Weitere Informationen:

http://www.fv-berlin.de

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