Europaweites Projekt zur Entwicklung moderner Freie-Elektronen-Laser

Der bei BESSY aufgebaute Teststand HoBiCaT, in dem u.a. untersucht wird, wie sich die bei DESY entwickelten supraleitenden TESLA-Cavities bei ihrer Betriebstemperatur von -271°C verhalten. Diese Cavities (Hohlraumresonatoren) sind wichtige Elemente moderner FEL. © BESSY / Schurian

BESSY koordiniert Forschung an supraleitenden Beschleunigereinheiten

Die Europäische Kommission fördert mit neun Millionen Euro unter dem Titel „EUROFEL“ Voruntersuchungen zum Bau von Freie-Elektronen-Lasern. Das Projekt startet derzeit unter der Beteiligung von 16 führenden Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden. Die Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung (BESSY) koordiniert eines von sechs Teilprojekten, in dem es um Untersuchungen an supraleitenden Beschleunigereinheiten geht. Das Fördervolumen dafür beträgt 1,3 Millionen Euro. Die Gesamtkoordination von „EUROFEL“ liegt bei DESY in Hamburg.

In fünf europäischen Ländern wird derzeit der Bau von Freie-Elektronen-Lasern (FEL) geplant, um Europa weiterhin eine führende Position in naturwissenschaftlicher Forschung und Entwicklung zu sichern. Diese komplexen Anlagen werden ultrakurze Lichtpulse im UV- und Röntgenbereich mit laserähnlichen Eigenschaften erzeugen und sind unverzichtbar für die Aufklärung grundlegender Prozesse in Physik, Chemie und Biologie.

Die neusten Designkonzepte für besonders effiziente und vielseitige FEL erfordern allerdings noch theoretische und experimentelle Studien, in denen die benötigten Komponenten optimiert und getestet und die erforderlichen Prozesse aufeinander abgestimmt werden müssen. Um diese Voruntersuchungen geht es bei „EUROFEL“.

Grob vereinfacht wird bei einem FEL zunächst ein Elektronenstrahl in einem Linearbeschleuniger auf nahezu Lichtgeschwindigkeit gebracht und durchläuft dann einen Undulator. Undulatoren bestehen aus einer Abfolge von Dipolmagneten, die ein alternierendes Magnetfeld erzeugen, das die Elektronen auf eine wellenförmige Bahn zwingt. Dabei strahlen sie Licht ab. Bei der richtigen Wahl aller Parameter werden die Elektronen veranlasst, im „Gleichtakt“ – d.h. kohärent – Licht extrem hoher Intensität in einem sehr schmalen Wellenband auszusenden. Um diesen Prozess genau regeln zu können, wird parallel zu den Elektronen ein nur wenige Femtosekunden langer Laserpuls eingestrahlt (eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde).
Im Einzelnen werden an jede Komponente des FEL – angefangen von der Einheit, die den Elektronenstrahl erzeugt, bis hin zu der Synchronisation aller Systeme mit einer Genauigkeit von 100 Femtosekunden – extreme Anforderungen gestellt. In dem von BESSY geleiteten Teilprojekt geht es vor allem um die Optimierung der supraleitenden Hohlraumresonatoren, (wie der TESLA Cavities) in denen die Elektronen erzeugt bzw. beschleunigt werden. Diese Cavities sind röhrenförmige Strukturen aus dem supraleitenden Metall Niob. Damit die Elektronen nahezu Lichtgeschwindigkeit erreichen, müssen sie zahlreiche hintereinander gekoppelte Hohlraumresonatoren durchlaufen, in die über Mikrowellensender ein hochfrequentes Wechselfeld eingespeist wird. Um die für die Beschleunigung erforderlichen Felder zu erzeugen, ist normalerweise eine Leistung von vielen Kilowatt nötig. Gekühlt mit flüssigem Helium sinkt die Temperatur der Cavities aber auf dicht über den absoluten Nullpunkt, wo sie supraleitend werden und die benötigte Leistung sich um Größenordnungen reduziert. Untersucht werden in dem Teilprojekt z.B. wie die Felder in den Hohlraumresonatoren genau eingestellt werden können oder Fragen, die die Kopplung zwischen den Sendern und den Cavities betreffen.

Als einer von sieben Einrichtungen in Europa, die den Bau eines FEL planen, kommen BESSY die Ergebnisse aus „EUROFEL“ direkt selbst zugute. Der von BESSY konzipierte Freie-Elektronen-Laser soll quasi-kontinuierliche (einige zehntausend ultrakurze Pulse pro Sekunde) kohärente Strahlung im UV- und weichen Röntgenbereich liefern und wäre damit komplementär zu dem von DESY geplanten XFEL, der im harten Röntgenbereich arbeiten und zehn Pulse pro Sekunde liefern wird. Das technische Konzept des BESSY-FEL wird derzeit vom Wissenschaftsrat begutachtet.

Die BESSY GmbH ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 80 außeruniversitären Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär, sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.

Ansprechpartner: Dr. Jens Knobloch, Berliner Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung, (030) 6392-4883, jens.knobloch@bessy.de

Media Contact

Dr. Markus Sauerborn idw

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