Leipziger Geophysiker registrieren magnetischen Doppelsturm nach Sonneneruptionen

Während der jüngsten aussergewöhnlichen Sonnnenaktivität wurden durch das Observatorium Collm der Universität Leipzig heftige magnetische Stürme in der Magnetosphäre beobachtet. Besonders ungewöhnlich ist die Ausbildung eines magnetischen Doppelsturms innerhalb von nur 36 Stunden.

In der Nacht zum Montag 03.11.03 kam es zu zwei weiteren Sonneneruptionen, so dass mit andauernder magnetischer Sturmtätigkeit und Beeinträchtigungen des Funk- und Flugverkehrs zu rechnen ist.

Bereits am vergangenen Dienstag 28.10.03 11:12h UTC hatte sich eine gewaltige Eruption des Sonnenflecks 10486 auf der Südhalbkugel ereignet. Das Maximum der Eruption wurde entsprechend der Strahlungsleistung im Röntgenbereich der Kategorie X17.2 zugeordnet. Grundlage der Klassifikation ist die Helligkeit der Erscheinung im Röntgenspektrum zwischen 1 und 8 Ångström. Das Ereignis war damit rund 1700 mal stärker als gewöhnliche täglich auftretende Eruptionen und das drittstärkste Ereignis seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1976. Die Hitliste der flares führt eine X20 Eruption an, die sich am 02.04.01 ereignete.

Am 26.10.03 waren bereits zwei Ereignisse der X-Klasse vorausgegangen, doch diesmal hatte sich der der Fleck 10486 durch Rotation der Sonne (Umlaufzeit 27d) so in Position gebracht, dass eine Eruption direkt auf die Erde hin gerichtet war. Als 10486 am 29.11.03 gegen 20:49h erneut aussergewöhnlich stark eruptierte (Klasse X10) war er der Erde bereits wieder leicht abgewandt. Die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Röntgenschauer erreichten jeweils nach etwa 8 Minuten die 149.6 Millionen km weit entfernte Erde. Beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre wurden deren oberste Schichten ionisiert. Dies führte auf der Tagseite der Erde zu Störungen des Funkverkehrs der Kategorie 4 auf einer Skala von 1 bis 5.

Begünstigend für die Ausbildung schwerer magnetischer Stürme, die von den Geophysikern am Observatorium Collm aufgezeichnet wurden, erwies sich ein südwärts ausgerichtetes Magnetfeld in der von der Sonne ausgeschleuderten Plasmawolke. Dieses Feld löschte auf der Tagseite das nordwärts gerichtete Erdfeld teilweise aus, wodurch der Materiestrom des Sonnenwindes ungehindert wie durch ein Fenster in die Magnetosphäre herein wehen konnte.

In den Registrierungen des Collmobservatoriums äussserte sich der Sturmbeginn am letzten Mittwoch gegen 6:18h UTC durch ein dramatisches Abfallen des Erdmagnetfelds um 250 Nanotesla – etwa das Zehnfache der sonst üblichen täglichen Schwankung. Aus der Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen des Röntgenblitzes und des Plasmaschauers (ewta 19 Stunden) konnte die Geschwindigkeit des Sonnenwindes bestimmt werden – 2150 km/s etwa das Fünffache der normalen Sonnenwindgeschwindigkeit. Während sich dieser erste Sturm sich noch nicht vollständig ausgebildet hatte, überlagerte sich der Einfluss des Röntgenblitzes der zweiten Sonneneruption X10.0 dem bereits in der Magnetosphäre tobenden Sturm.

Am Donnerstagabend traf nach einer Laufzeit von etwa 25 Stunden (mittlere Geschwindigkeit 1630 km/s) auch der zweite Plasmaschock auf die Magnetosphäre auf und führte zur vollständigen Ausbildung eines weiteren Sturms, der bis Freitagnachmittag anhielt.

Die beiden Magnetstürme wurden durch die internationale Wissenschaftlergemeinde dem planetaren Störungsindex K_p 9 zugeordnet. Der 1949 vom deutschen Geophysiker Julius Bartels eingeführte Index beschreibt die Abweichung des gemessenen Feldes von der normalen täglichen Variation bei ruhiger Sonne. Ereignisse des Maximalwerts 9 werden statistisch nur viermal pro Sonnenzyklus beobachtet.

Durch den Sturm wurden weltweit Beeinträchtigungen des Funk- und Flugverkehrs, der Satellitennavigation, der Stromversorgung sowie der Raufahrt berichtet. Insgesamt fielen die Störungen jedoch etwas geringer aus als erwartet. Nachdem in der Nacht zum heutigen Montag erneut zwei Sonneneruptionen der Klasse X auftraten, ist mit weiteren Störungen zu rechnen. Der besonders aktive Sonnenfleck 10486 wird sich allerdings für die nächsten 13.5 Tage auf der Erde abgewandten Hemisphäre der Sonne befinden. Weil auch lokal auf gewisse Sonnenflecken begrenzte Flares jedoch meist mit globalen koronalen Masseauswürfen verbunden sind kann noch keine Entwarnung gegeben werden.

Magnetfeldregistrierungen haben am Observatorium am Collmberg bei Oschatz eine lange Tradition. Über viele Jahrzehnte taten dort mechanische Variometer, an in einem „unmagnetischen“ Haus mitten im Wald ihren Dienst. An sensiblen Quarzfäden aufgehängte Magnete wurden durch die Schwankungen des Erdmagnetfelds ausgelenkt. Durch ebenfalls an den Fäden befestigte Spiegel wurde die Auslenkung optisch auf einen Rolle Fotopapier übertragen.

Gestern registrierte am Collm ein modernes Protonen- Präzessions-Magnetometer mit Overhauser Effekt (Typ GSM19) das magnetische Totalfeld und dessen Vertikalgradienten im Abstand von 5 Sekunden. Die Auflösung des Geräts beträgt 0.1 nT – das sind etwa 2 Millionstel des durchschnittlichen Erdfeldes. Eine vergleichbar genaue Längenmessung hätte eine Abweichung von 2 mm auf einen Kilometer.

weitere Informationen: Dr. Sven Friedel, E-mail: friedel@physik.uni-leipzig.de

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Dr. Bärbel Adams idw

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