Turbulenzen im U-Boot

Ein etwa zehn Tonnen schwerer Stahlbehälter, hoher Druck, schweres Gas und ein Temperaturgefälle von 40 Grad – das sogenannte „Göttinger U-Boot“ ist ein echter Wunderkessel.

Denn in der weltweit einzigartigen Versuchsanlage, die in der neuen Experimentierhalle des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation auf dem Fassberg entsteht, können Wissenschaftler unter kontrollierten Bedingungen so starke Turbulenzen erzeugen, wie sie sonst nur im Innern der Erde oder in Sternen vorkommen. In den nächsten Wochen geht die Anlage in Betrieb.

Federführend bei dem neuen Experiment ist Professor Dr. Guenter Ahlers von der University of California in Santa Barbara, der derzeit als Preisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung zu Gast in Göttingen ist. Vor Ort überwacht der gebürtige Bremer, der im Alter von 17 Jahren in die USA auswanderte, den Aufbau „seines“ Experiments. Die Versuche selbst steuert er dann später aus seiner Kalifornischen Heimat – über das Internet, ganz einfach per Mausklick.

„Turbulente Strömungen treten überall dort auf, wo es einen starken Temperaturunterschied gibt“, erklärt Ahlers. „Das ist etwa in einem Topf kochenden Wassers der Fall“, fügt er hinzu. Noch stärkere Turbulenzen gibt es in der Natur, etwa in der Sonne, in Wolken, in den Ozeanen – und im Innern der Erde. Dort steigt 4000 Grad heißes flüssiges Eisen aus 4000 Kilometern Tiefe auf, während kühleres nach unten sinkt. Dieser Vorgang, den Wissenschaftler als Konvektion bezeichnen, führt zu heftigen Verwirbelungen. Welche physikalischen Gesetze diese Wirbel beschreiben, ist noch immer unklar.

An der University of California versucht Ahlers, diese Frage zu beantworten. Im Labor erzeugt er mit Hilfe großer Heizplatten einen ähnlichen Aufbau wie im Erdinnern. Das Göttinger Experiment, das die Forscher wegen seiner eigenwilligen Form „U-Boot“ nennen, erlaubt es nun, noch einen Schritt weiterzugehen. Denn hier sind viel turbulentere Strömungen möglich.

Herzstück des „U-Bootes“ ist ein etwa zwei Meter hoher Zylinder aus Plexiglas, der einen Durchmesser von etwa einem Meter hat. Heizplatten sorgen für einen konstanten Temperaturunterschied von 40 Grad zwischen dem oberen und unteren Ende. „Entscheidend ist das Gas, mit dem der Zylinder gefüllt ist“, erklärt Ahlers. Denn das extrem reaktionsträge Schwefelhexafluorid ist bei Atmosphärendruck fünf Mal so schwer wie Luft. „Mit diesem Gas und bei hohen Drücken können wir Turbulenzen auf kleinstem Raum erzeugen, die sich in der Natur über Hunderte von Metern erstrecken“, erklärt Professor Dr. Eberhard Bodenschatz, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation.

Damit die Forscher den Wärmetransport und die turbulenten Strömungen in ihrem „U-Boot“ untersuchen können, wollen sie den Zylinder unter anderem mit Hochgeschwindigkeitskameras ausrüsten. Mit 50000 Bildern pro Sekunde verfolgen die Kameras dann, wie die Strömung kleine Staubteilchen mitreißt. Auf diese Weise hofft das deutsch-amerikanische Forscherteam, die Gesetzmäßigkeiten aufzuspüren, die der turbulenten Konvektion zugrunde liegen.

Professor Dr. Guenter Ahlers ist noch bis Mitte Juli am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation zu Gast. Einen Überblick über sein Forschungsgebiet gibt er am Mittwoch, 2. Juli, um 19 Uhr in der Göttinger Paulinerkirche. Sein Vortrag mit dem Titel „Bubble, Bubble, Toil and Trouble! The world is a turbulent place!“ bildet den Auftakt einer neuen Serie öffentlicher Vorträge des Max-Planck-Instituts, der Ludwig Prandtl Public Lectures. Der Eintritt ist kostenlos, der Vortrag findet in englischer Sprache statt.

Media Contact

Dr. Birgit Krummheuer Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.ds.mpg.de/

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