Mit Potsdamer Fasertechnologie der Dunklen Energie auf der Spur

Am dunklen Nachthimmel über West-Texas beobachtet das 9.2m große Hobby-Eberly Teleskop (HET) des McDonald Observatoriums die Tiefen des Weltalls. Es ist einem der größten Rätsel der Astrophysik auf der Spur: der sogenannten „Dunklen Energie“, einem Phänomen das eng mit der Zukunft unseres Weltalls verknüpft ist.

Die Wissenschaftler wollen nun durch die Vermessung von Millionen Galaxien erstmals Näheres über die Eigenschaften der mysteriösen Dunklen Energie in Erfahrung bringen . Ein speziell am Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) entwickeltes Glasfaserbündel ermöglicht die gleichzeitige Erfassung und Spektroskopie von hunderten von Punkten eines Himmelsauschnitts für dieses ehrgeizige Projekt.

Um die Entfernungen zu den Galaxien bestimmen zu können, müssen die Astronomen diese Objekte nicht nur finden, sondern ihr Licht auch spektroskopisch analysieren, d.h. in seine Anteile verschiedener Wellenlängen zerlegen. Dafür wird das Teleskop mittels des Faserbündels an einen leistungsfähigen Multikanalspektrographen (genannt VIRUS) angeschlossen. Ein Prototyp des VIRUS Faserbündels und des Spektrographen wurde nun erstmals erfolgreich am Teleskop eingesetzt. Ab 2010 soll eine großräumige Durchsuchung des Himmels beginnen.

„Wenn es gelingt, die statistische Verteilung von entfernten Galaxien in Raum und Zeit zu bestimmen, so lässt dies Rückschlüsse auf die Natur der Dunklen Energie zu“, erklärt Andreas Kelz, der als Wissenschaftler des AIP an der Entwicklung des Instruments beteiligt ist. Bis vor kurzen glaubten Astronomen, dass es für das Schicksal des Universums zwei mögliche Szenarien gibt: Entweder enthält das Universum so viel Materie, dass ihre Anziehungskraft die gegenwärtig zu beobachtende Ausdehnung bremst und das Universum letztendlich in sich kollabieren läßt, oder die Expansion geht, wenn auch verlangsamt, unendlich weiter.

Neuere Beobachtungen hingegen legen nahe, dass sich das Universum vielmehr beschleunigt ausdehnt, es also eine Art Anti-Schwerkraft gibt, welche das Universum auseinandertreibt. Diese 'Dunkle Energie' genannte Kraft ist noch völlig unverstanden, auch wenn angenommen wird, dass sie 70% der Gesamtenergie des Universums ausmacht.

„Die Idee einer Energie, welche der Schwerkraft entgegenwirkt ist nicht neu.“, berichtet Matthias Steinmetz, wiss. Vorstand des AIP und Co-Ermittler. „Bereits Einstein postulierte sie 1920, hatte seine kosmologische Konstante dann aber wieder als 'größte Eselei' seines Lebens verworfen. Durch die aktuellen Messungen bekommt sie aber wieder neue Brisanz.“ Ein Antrag von Steinmetz zur Erforschung der Dunklen Energie konnte sich bereits erfolgreich im Wettbewerbsverfahren der Leibniz Gemeinschaft durchsetzen.

„Dazu bedarf es nicht nur eines großen Teleskops, sondern auch eines Instruments mit ungewöhnlicher Multiplex-Fähigkeit“, erläutert Kelz die Fähigkeiten der AIP Faserbündel, welche im kompletten VIRUS-Instrument die Erfassung von über 42,000 Spektren in einer Aufnahme ermöglichen. Da diese Leistungsfähigkeit nicht mehr in einem Großinstrument zu verwirklichen ist, gehen die Forscher dazu über, baugleiche Kleinserien zu konzipieren. Dieser Ansatz trägt nicht nur zur Kostenreduzierung bei, sondern erlaubt auch eine kommerzielle Fertigung in der Industrie.

Martin Roth, Programmbereichsleiter für 3D-Spektroskopie, führt aus, „dass sich das AIP im Bereich der Vielkanalspektroskopie inzwischen einen Platz an der Weltspitze erarbeitet hat. Zudem betreibt das Institut Technologie-Transfer in Kooperation mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Region. Ziel ist es, die am AIP entwickelte Technologie auch in anderen wissenschaftlichen Fachdisziplinen und in der Industrie nutzbar zu machen, so zum Beispiel in der Medizin, der Pharmazie, im Geo- und Umweltmonitoring, oder in der industriellen Prozeßsteuerung – um nur einige Beispiele zu nennen.“

Mit dem Forschungskonzept „innoFSPEC – Faseroptische Spektroskopie und Sensorik“ beteiligt sich das AIP zusammen mit der Universität Potsdam am Wettbewerb des BMBF zur Errichtung eines Zentrums für Innovationskompetenz. Dieses einzigartige inter-disziplinäre Zentrum soll Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Faserspektroskopie und Sensorik betreiben.

Einig sind sich Steinmetz, Roth und Kelz darin, dass „die Erforschung der Dunklen Energie durch HETDEX und die Entwicklung des innovativen VIRUS Instruments“, hervorragend die wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten des AIP vereint und momentan eines der spannendsten Probleme in der Physik darstellt.

HETDEX ist eine Initiative der Universität von Texas in Austin und des McDonald Observatoriums, mit Beiträgen des Astrophysikalischen Instituts Potsdam, der Universitäts-Sternwarte München, des Max Planck Instituts für extraterrestrische Physik, sowie der Penn State und der Texas A&M Universitäten.

Das Hobby-Eberly Telescope (HET) ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of Texas at Austin, Pennsylvania State University, Stanford University, Ludwig-Maximilians-Universität München, und der Georg-August-Universität Göttingen.

Kontakt Presse:
Astrophysikalisches Institut Potsdam:
Dr. Gabriele Schönherr (0331) 7499-383
presse@aip.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Andreas Kelz (VIRUS) (0331) 7499 411
Dr. Martin Roth (innoFSPEC) (0331) 7499 313
Prof. Matthias Steinmetz (HETDEX) (0331) 7499 381

Media Contact

Gabriele Schönherr idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer