ALMA entdeckt Supernova-Staubfabrik

Diese kombinierte Aufnahme zeigt den Überrest der Supernova 1987A als Kombination von Submillimeterdaten (rot), optischen daten von Hubble (grün) und Röntgendaten von Chandra (blau)<br><br><br>Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/A. Angelich. Visible light image: the NASA/ESA Hubble Space Telescope. X-Ray image: The NASA Chandra X-Ray Observatory<br>

Galaxien können bemerkenswert staubige Orte sein [1], und man geht davon aus, dass insbesondere im frühen Universum Supernovae die Hauptquelle für diesen Staub sind. Jedoch war die Beweislage für die Staubproduktionsfähigkeiten von Supernovae bisher eher dünn und konnte die große Menge an Staub, die in jungen Galaxien beobachtet wird, nicht erklären. Die neuen Beobachtungen von ALMA ändern dies nun.

„Wir haben eine bemerkenswert große Staubmasse gefunden, die in der zentralen Region der Ausflüsse einer relativ jungen und nahen Supernova konzentriert ist”, erläutert Remy Indebetouw, Astronom vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO) und an der University of Virginia, beide in Charlottesville in den USA. „Damit sind wir erstmalig in der Lage, wirklich abzubilden, wo der Staub entsteht. Für das Verständnis der Entwicklung von Galaxien ist das enorm wichtig.”

Ein internationales Team von Astronomen hat mit ALMA die glimmenden Überreste der Supernova 1987A [2] beobachtet, die in der Großen Magellanschen Wolke stattgefunden hat, einer etwa 160.000 Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie im Umlauf um unsere Milchstraße. SN 1987A ist die am nächsten gelegene beobachtete Supernovaexplosion seit Johannes Keplers Beobachtung der Supernova innerhalb der Milchstraße im Jahr 1604.

Astronomen hatten vorhergesagt, dass sich große Mengen an Staub bilden würden während das Gas nach der Explosion abkühlt, da sich Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Siliziumatome in den kühlen Zentralregionen des Überrests zusammenklumpen würden. Allerdings wurden bei früheren Beobachtungen von SN 1987A mit Infrarotteleskopen während der ersten 500 Tage nach der Explosion nur geringe Mengen heißen Staubs gefunden.

Mit ALMAs beispielloser Auflösung und Empfindlichkeit war das Wissenschaftlerteam in der Lage, Aufnahmen des viel häufigeren kalten Staubs zu machen, der im Millimeter- und Submillimeterbereich hell leuchtet. Die Astronomen schätzen, dass der Überrest nun etwa ein Viertel der Sonnenmasse in Form von neu entstandenem Staub enthält. Sie haben außerdem festgestellt, dass erhebliche Mengen an Kohlenstoffmonoxid und Siliziummonoxid entstanden sind.

„SN 1987A ist insofern besonders als dass sie sich nicht mit ihrer Umgebung vermischt hat. Somit ist das, was wir dort sehen, auch dort entstanden”, ergänzt Indebetouw. „Die neuen Ergebnisse von ALMA, die die ersten ihrer Art sind, zeigen einen Supernovaüberrest, der voll von Material ist, das einige Jahrzehnte zuvor noch nicht existiert hat.”

Supernovae können Staubkörner jedoch sowohl bilden als auch zerstören.

Als die Schockwelle der ursprünglichen Explosion in den Weltraum hinaus strahlte, entstanden dadurch hell leuchtende Ringe aus Material, die in den früheren Aufnahmen mit dem NASA/ESA Hubble Space Telescope zu sehen sind. Nach dem Auftreffen auf diese Gashülle, die vom vorhergehenden Roten Riesenstern an seinem Lebensende abgestoßen wurde, prallte ein Teil dieser mächtigen Explosion zum Zentrum des Überrests zurück. „Irgendwann wird diese reflektierte Schockwelle auf die aufgebauschten Klumpen aus frisch hergestelltem Staub prallen”, prognostiziert Indebetouw. „Wahrscheinlich wird dabei ein Teil des Staubs auseinandergesprengt werden. Es ist schwer vorherzusagen wie viel – vielleicht nur wenig, möglicherweise die Hälfte oder gar zwei Drittel.” Wenn ein großer Teil übrigbleibt und es in den interstellaren Raum schafft, könnte das die großen Mengen Staubs erklären, die Astronomen im frühen Universum beobachten.

„Sehr junge Galaxien sind unglaublich staubig, und dieser Staub spielt dann später eine große Rolle in ihrer Entwicklung”, erläutert Mikako Matsuura vom University College London in Großbritannien. „Heute wissen wir, dass Staub auf verschiedenen Wegen gebildet werden kann, aber im frühen Universum muss der Großteil von Supernovae stammen. Wir haben endlich direkte Hinweise gefunden, die diese Theorie stützen.”

Endnoten

[1] Kosmischer Staub besteht aus Silizium- und Graphitkörnern – Mineralien, die auch auf der Erde zu finden sind. Der Ruß einer Kerze ist den kosmischen Graphitstaub sehr ähnlich, obwohl die Größe der Rußkörner zehnfach größer sind als die typischen Körnergrößen des kosmischen Graphitstaubs.

[2] Das Licht dieser Supernova traf in Jahr 1987 auf der Erde ein, was sich im Namen wieder spiegelt.

Zusatzinformationen

Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist eine internationale astronomische Einrichtung, die gemeinsam von Europa, Nordamerika und Ostasien in Zusammenarbeit mit der Republik Chile getragen wird. Von europäischer Seite aus wird ALMA über die Europäische Südsternwarte (ESO) finanziert, in Nordamerika von der National Science Foundation (NSF) der USA in Zusammenarbeit mit dem kanadischen National Research Council (NRC) und dem taiwanesischen National Science Council (NSC), und in Ostasien von den japanischen National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Kooperation mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan. Bei Entwicklung, Aufbau und Betrieb ist die ESO federführend für den europäischen Beitrag, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), das seinerseits von Associated Universities, Inc. (AUI) betrieben wird, für den nordamerikanischen Beitrag und das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) für den ostasiatischen Beitrag. Dem Joint ALMA Observatory (JAO) obliegt die übergreifende Projektleitung für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den Beobachtungsbetrieb von ALMA.

Die hier vorgestellten Ergebnisse erscheinen demnächst unter dem Titel „Dust Production and Particle Acceleration in Supernova 1987A Revealed with ALMA“ von R. Indebetouw et al. in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters.

Die beteiligten Wissenschaftler sind R. Indebetouw (National Radio Astronomy Observatory (NRAO); University of Virginia, Charlottesville, USA), M. Matsuura (University College London, Großbritannien [UCL]), E. Dwek (NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt, USA), G. Zanardo (International Centre for Radio Astronomy Research, University of Western Australia, Crawley, Australien [ICRAR]), M.J. Barlow (UCL), M. Baes (Sterrenkundig Obst Gent, Gent, Belgien), P. Bouchet (CEA-Saclay, Gif-sur-Yvette, Frankreich), D.N. Burrows (The Pennsylvania State University, University Park, USA), R. Chevalier (University of Virginia, Charlottesville, USA), G.C. Clayton (Louisiana State University, Baton Rouge,USA), C. Fransson (Universität Stockholm, Schweden), B. Gaensler (Australian Research Council Centre of Excellence for All-sky Astrophysics [CAASTRO]; Sydney Institute for Astronomy, The University of Sydney, Australien), R. Kirshner (Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, USA), M.Lakicevic (Lennard-Jones Laboratories, Keele University, Großbritannien), K.S. Long (Space Telescope Science Institute, Baltimore, USA [STScI]), P. Lundqvist (Universität Stockholm, Schweden), I. Martí-Vidal (Technische Universität Chalmers, Weltraumobservatorium Onsala, Onsala, Schweden), J. Marcaide (Universidad de Valencia, Burjassot, Spanien), R. McCray (University of Colorado at Boulder, USA), M. Meixner (STScI; The Johns Hopkins University, Baltimore, USA), C.-Y. Ng (Universität Hong Kong, Hong Kong), S. Park (University of Texas at Arlington, Arlington, USA), G. Sonneborn (STScI), L. Staveley-Smith (ICRAR; CAASTRO), C. Vlahakis (Joint ALMA Observatory/Europäische Südsternwarte, Santiago, Chile) und J. van Loon (Lennard-Jones Laboratories, Keele University, Großbritannien).

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei den neuartigen Verbundteleskop ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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National Radio Astronomy Observatory (NRAO) and the University of Virginia
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