Vibrationen den Schwung nehmen

Auf Schiffen entstehen enorme Schwingungen. Auslöser sind die leistungsstarken Dieselmotoren. © Fraunhofer LBF

Dieselmotoren vibrieren. Das belastet Bauteile von Schiffen enorm. Adaptronische Systeme können die Schwingungen wirksam reduzieren. Auf der Schifffahrtsmesse SMM zeigen Fraunhofer-Forscher ein Simulationswerkzeug, mit dessen Hilfe diese Systeme effizient entwickelt werden können: Die »Mechanical Simulation Toolbox« ist ab sofort am Markt zu haben und einfach zu bedienen.

Langsam legt das große Containerschiff vom Kai ab. Im Innern des Schiffrumpfs wummern die Diesel-Zweitakt-Motoren. 60 000 Kilowatt Leistung bringen alles zum Schwingen: Die Anschlüsse am Motor, die Hochdruckleitungen für Treibstoff und Schmieröl, den Antriebsstrang, Treppen, Stufen, Boden und Decken aus Stahl – einfach alles.

Die Schwingungen übertragen sich auf den gesamten Schiffkörper. »Ein massives Problem: Die Vibrationen stören nicht nur, sie schädigen auch wichtige Bauteile des Schiffs«, sagt Heiko Atzrodt, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt.

Keine unnötigen Prototypen

Adaptronische Systeme helfen, die Schwingungen zu reduzieren. Das LBF hat eine Simulationssoftware programmiert, mit deren Hilfe diese Systeme effizient entwickelt werden können. Die »Mechanical Simulation Toolbox« stellen die Wissenschaftler auf der Schifffahrtsmesse SMM von 6. bis 9. September 2016 in Hamburg vor.

»Erstmals ist eine Simulationssoftware für adaptronische Systeme verfügbar. Bislang existiert für derartige Systeme kein durchgängiger Entwicklungsprozess. Entsprechende Software gibt es bislang nur als Insellösungen«, berichtet der studierte Mechaniker.

Mit der Toolbox können Schiffbauer adaptronische Systeme Schritt für Schritt einfach am Rechner entwerfen. »Das spart Zeit und Kosten für teure Prototypen. Systeme können gleich von Anfang an optimal ausgelegt werden«, nennt Atzrodt als Vorteile. Das LBF implementiert die Software und ist Servicedienstleister.

Die Toolbox ist im hessischen Forschungsförderprogramm LOEWE entstanden (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz). Partner des LBF im Adaptronik-Projekt LOEWE-Zentrum AdRIA (Adaptronik – Research, Innovation, Application) in Darmstadt sind die Technische Universität sowie die Hochschule Darmstadt. Die virtuelle Simulationsumgebung ist nicht auf die Schifffahrt beschränkt. »Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo Schwingungen entstehen – und sie ist ab sofort zu haben«, informiert Atzrodt.

Passive und aktive Systeme

Mit Hilfe der Software lassen sich passive und adaptronische Systeme zur Schwingungsminderung am Computer simulieren. Bei passiven Systemen wird keine zusätzliche elektrische Energie eingeleitet. Sie wirken alleine durch ihren Aufbau. Federn und zusätzliche Massen beispielsweise reduzieren die Schwingungen von Brücken, Motoren- oder Getriebelagern, indem sie die Übertragungspfade modifizieren. »Diesen Systemen sind jedoch gerade für mobile Anwendungen Grenzen gesetzt, da sie hier nicht beliebig groß und schwer werden dürfen«, erklärt Atzrodt.

Dann kommen adaptronische Systeme ins Spiel. Diese Bauteile wandeln zugeführte elektrische Energie in mechanische Energie um und wirken so aktiv den Schwingungen entgegen. Dadurch sind sie trotz geringerem Gewicht und geringerer Größe leistungsfähiger. Die Toolbox des LBF simuliert das schwingende sowie das benötigte adaptronische System. Das virtuelle System kann angefangen beim einfachen Modell später komplex aufgebaut werden.

Atzrodt, gleichzeitig Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Adaptronik, in der insgesamt sechs Fraunhofer-Institute organisiert sind: »Am LBF beschäftigen wir uns seit über 15 Jahren mit adaptronischen Systemen und deren Simulation. Wir arbeiten dabei sehr eng mit der Industrie zusammen. Die Adaptronik wird stets bedeutender und die Nachfrage nach einer allgemein erhältlichen Simulationssoftware nahm in den letzten Jahren stetig zu. Wir haben in der Vergangenheit unsere Expertise deshalb verstärkt dafür eingesetzt, das benötigte Produkt zu entwickeln. Nun ist es am Markt zu haben.«

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