SMM 2012: Planungswerkzeuge für die Seeschifffahrt
Mit wachsenden globalen Warenströmen steigen die Anforderungen an verfügbare Kapazitäten im Hafenumfeld und an die dazugehörige Logistik. Das gilt für neu zu planende, aber auch für bestehende Seehäfen. Größte Herausforderung dabei:
Die vielen Einflussfaktoren, die bei der Planung zu berücksichtigen sind – angefangen bei Fahrwegen, Kai- oder Portalkränen, Lkw-Gates oder Bahnumschlag über Liegezeiten oder Containerkapazitäten, gesetzliche Regularien bis hin zu Terminvorgaben. Um eine verlässliche Entscheidung treffen zu können, ist es erforderlich, unterschiedliche Varianten mit vordefinierten Kennzahlen wie benötigter Flächenbedarf, Anzahl benötigter Zeiten am Kai sowie CO2-Emissionen zu vergleichen und zu bewerten.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML in Hamburg haben für diese Anforderungen das »Toolbased Rapid Planning Environment« entwickelt, kurz: ToolbaR PlannEr. Dieses modular aufgebaute Softwaresystem kann komplexe Planungsaufgaben für Seehäfen, Hafenterminals, Logistikflächen sowie Umschlagzentren im Hinterland effizient bearbeiten.
Durch die 3D-Planung schlendern und dank Simulation Engpässe erkennen
»Der ToolbaR PlannEr besteht aus drei Teilen. Erstens: Ein Multi-Touch-Planungstisch mit dessen Hilfe sich zeitnah Varianten in 2D planen, bewerten und in Echtzeit in 3D visualisieren lassen. Hierfür wurde eine maritime Bausteinbibliothek erstellt. Durch die Wiederverwendbarkeit der Bausteine können wir Varianten deutlich schneller planen«, erläutert Dipl.-Ing. Robert Rauer vom CML. »Zukünftige Gebäude, Anlagen oder Fahrwege aber auch Materialflüsse lassen sich nach Bedarf verschieben. Außerdem kann der spätere Betreiber die Fächen in der Planungsumgebung virtuell durchwandern.« Zweiter Teil ist eine Simulationssoftware. Über eine definierte Schnittstelle werden Daten ausgetauscht, um die vorher statische Planung durch dynamische Simulation zu bewerten und somit mögliche Engpässe zu identifizieren. Vorteil: Keine Medienbrüche – und damit doppelte Eingaben von Daten. Das beschleunigt den Planungsprozess. Die dritte Komponente des Systems ist der Schiffssimulator. Mit seiner Unterstützung werden die lokalen Gegebenheiten im Hafenbecken virtuell abgestimmt auf die navigatorischen Anforderungen. Die drei Einheiten sind über eine Datenbank miteinander verbunden, so dass jede Einheit auf die maritime Bausteinbibliothek zugreifen kann.
Konzepte für zukünftige »grüne« Containerterminals
Die Möglichkeiten der Software sind äußerst flexibel: So erstellten die Mitarbeiter am CML beispielsweise eine Konzeptstudie für ein »grünes« Containerterminal im Jahre 2030. Sie veränderten einige Parameter und konnten nachweisen, dass sich der Kraftstoffverbrauch und damit auch die Emissionen um etwa 12 bis 15 Prozent senken ließen. CML-Mitarbeiterin Claudia Bosse erklärt: »Unsere Idee ist, Elektroantriebe für anhebfähige, fahrerlose Transportfahrzeuge und Multi-Trailer-Units zu verwenden, die mehrere Container auf einmal transportieren können. Zudem haben wir etwa die Bahngleise für den direkten Umschlag mittels eines neuartigen, schienengeführten Portalkrans in eine tiefer gelegene Ebene des Terminals verlegt.«
Auch bei der Planung eines Terminals für Offshore-Windenergieanlagen kam das System zum Einsatz. Ein Problem bei der Errichtung von Windparks ist, dass raues Wetter und starker Seegang die Arbeiten beeinträchtigen und nur knappe Zeitfenster genutzt werden können. Allein der Transport der Bauteile benötigt einen Großteil der Zeit. Da sollen Beladezeiten am Hafen möglichst effektiv ablaufen. Schiffe, Anlagen, aber auch Material und Personal müssen direkt zur Verfügung stehen, sobald die Wetterbedingungen die Errichtung eines Windparks zulassen. Dementsprechend heißt das: Lagerflächen und Unterkünfte am oder in unmittelbarer Nähe des Hafens, Schwerlasttransporte mit Großkomponenten der Windräder mit direktem Zugang zu den Schiffen. »Diese Faktoren zusammen genommen ergeben ein ganz spezielles Layout für dieses Terminal. Was die virtuelle Planung leisten kann, zeigt sich insbesondere bei den Handling-Anforderungen für Großkomponenten und wie wir die darstellen und beschreiben können. Die Visualisierung von Fahr- und Drehkreisradien erleichtert auch die Überplanung bestehender Terminals«, so Bosse.
Virtual Reality beschleunigt den Bau von Spezialschiffen
Ein anderes Beispiel für die Möglichkeiten der virtuellen Planung ist der Bau von Spezialschiffen. Ingenieure müssen von der Schiffsbrücke bis zum Maschinenraum fast alles neu entwickeln. Viele Teilsysteme, wie Antrieb, Lüftung, Kühlung oder Feuerlöschsysteme, sind oft in engen Räumen untergebracht, müssen aber trotzdem leicht zugänglich und einfach zu bedienen sein. Entwickler vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Standort Rostock, machen mit Hilfe von Ergonomiesimulation das Schiff bereits als 3D-Modell am Computer erlebbar. Schiffbauer können damit die Entwürfe neuer Schiffe bewerten, Fehler im Vorfeld vermeiden und anspruchsvolle Spezialschiffe schneller konstruieren.
Weitere Themen auf der Messe sind die Fabrikplanung für maritime Produktionsstätten sowie Messsysteme, mit denen sich Strukturen überwachen und frühzeitig Fehler und Defekte entdecken lassen. Zu sehen sind die Exponate der vier Fraunhofer-Institute auf der SSM 2012 (Halle B6, Stand 317) vom 4. bis 7. September in Hamburg.
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