Reden in 3D: Komplexe Konstruktionsmodelle per Webbrowser besprechen und verwalten

Eine neue Software ermöglicht es, komplexe Konstruktionsmodelle wie das des Londoner Bahnhofes King's Cross im Webbrowser darzustellen und Änderungen daran zu verwalten.

Dies geschieht mit Spezialsoftware, die nicht jeder hat. Dadurch wird es oft sehr schwierig, gemeinsam Projekte zu bearbeiten. Es fehlt ein Programm, mit dem Ingenieure anhand von 3D-Modellen kommunizieren und Entwicklungsschritte nachvollziehen können. Saarbrücker Informatiker helfen hier mit einem neuen Verfahren, das Änderungen an 3D-Modellen dokumentiert und gleichzeitig im Web-browser auf jedem Gerät darstellen kann. Sie werden dieses erstmals auf der Computermesse Cebit am Forschungsstand der Saar-Uni (Halle 9, E13) zeigen.

Die Renovierung des Bahnhofs King’s Cross und des benachbarten Stadtquartiers in London wurde im Jahr 2005 angekündigt und 2012 abgeschlossen. Das international renommierte Ingenieurbüro Arup, unter anderem bekannt durch den Bau der Oper im australischen Sydney und der Alianz-Arena in München, übernahm die Leitung des 400 Millionen Pfund schweren Bauprojektes. Dabei sollte Arup auch das Gelände nördlich von King’s Cross als neues Stadtquartier entwickeln und war daher für 50 neue Gebäude, 2.000 neue Wohnungen, 20 neue Straßen und zehn neue öffentliche Plätze zuständig. Damit stand es vor der großen Herausforderung, dafür zu sorgen, dass alle Projektpartner die gleichen und aktuellsten Daten besitzen und visualisieren können. 

 
„Was bei Produktdaten bereits standardisiert wurde, ist bei allen 3D-Daten noch nicht üblich und damit sehr aufwendig“, erklärt Kristian Sons, der am Lehrstuhl für Computergrafik an der Saar-Uni promoviert und auch am nur wenige Schritte entfernten Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) forscht. Manche Unternehmen würden per Hand Excel-Tabellen führen oder gar Sub-Unternehmen beauftragen, um mit Hilfe von Computerspiel-Technologie 3D-Szenen und Notizen miteinander zu verknüpfen. Beim Ingenieurbüro Arup bestand eine weitere Herausforderung darin, das Vorhaben und dessen Fortschritte leichtverständlich für Geldgeber und Öffentlichkeit darzustellen. Die Zeichnungen ihrer Ingenieure verstanden nur Experten, die Bilder von Künstlern entfernten sich zu sehr von den technischen Vorgaben und öffentliche Ausstellungen waren aufwendig und teuer.

 
Die Saarbrücker Informatiker schufen daher zusammen mit Kollegen vom University College London „XML3DRepo“. Es kombiniert zwei Forschungsprojekte: die Beschreibungssprache XML3D und 3DRepo, eine Datenbank für 3D-Modelle. Diese ermöglicht es 3D-Objekte zu speichern, zu verändern und diese Änderungen automatisch zu verwalten. Gesponsert wird das Projekt unter anderem von Arup.

 
Die von Sons entwickelte Szenenbeschreibungssprache XML3D sorgt für die Darstellung im Browser: „Mit Hilfe von XML3D lässt sich das ganze Modell von King’s Cross in den Browser laden und so auf jedem internetfähigen Gerät anzeigen“, ergänzt Philipp Slusallek, Professor für Computergraphik der Saar-Uni und wissenschaftlicher Direktor am DFKI und Intel Visual Computing Institute. Möglich macht XML3D dies, indem es dem aktuellen Web-Standard HTML5 die nötigen Elemente hinzufügt, um in der Webseite neben Texten, Bildern und Videos auch animierte und interaktive 3D-Objekte beschreiben zu können. „Alle 3D-Komponenten sind somit Teil des HTML-Codes, der die Webseite definiert. Dieser lässt sich von jedem Web-Entwickler auch leicht mit weiteren Notizen oder Planungsdetails ergänzen“, erklärt Slusallek.

 
Die Ingenieure der Firma Arup überzeugt der Ansatz von „XML3DRepo“. Mit dessen Hilfe können sie nicht nur ohne großen Aufwand den Passagierfluss simulieren und das Aufhängen der Videokameras planen, sondern auch um die Gunst der Öffentlichkeit werben. Mit dieser Art von „Building Information Modeling“ (BIM, Gebäudedatenmodellierung) könne man die immer wichtiger werdende Information und Kommunikation zwischen Bauherr, Architekten und der Öffentlichkeit nicht nur ermöglichen, sondern auch kosteneffizient gestalten, schreibt die Forschungsabteilung von Arup auf ihrer Internetseite. Auch Kristian Sons glaubt an das Potenzial von XML3DRepo. Mit seinem Forscher-Kollegen Jozef Dobos vom University College in London plant er die Software durch eine Ausgründung zu kommerzialisieren.
Am Stand demonstrieren die Forscher die Mächtigkeit von XML3DRepo, indem sie ein detailreiches dreidimensionales Modell der Stadt London im Browser darstellen. Das Londoner Unternehmen Vertex Modelling hat dieses Modell erstellt.

 
Hintergrund zur Saarbrücker Informatik an der Universität des Saarlandes
Den Kern der Saarbrücker Informatik bildet die Fachrichtung Informatik. In unmittelbarer Nähe forschen auf dem Campus sieben weitere weltweit renommierte Forschungsinstitute. Neben den beiden Max-Planck-Instituten für Informatik und Softwaresysteme sind dies das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Zentrum für Bioinformatik, das Intel Visual Computing Institute, das Center for IT-Security, Privacy und Accountability (CISPA) sowie der Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“.

 
Ein Pressefoto finden Sie unter www.uni-saarland.de/pressefotos

 
Weitere Informationen:
http://3drepo.org/publications/xml3drepo-a-rest-api-for-version-controlled-3d-as…

Weitere Fragen beantwortet:
Kristian Sons
Projektleiter XML3D
Lehrstuhl für Computergrafik, Universität des Saarlandes
Telefon: 0681 85775 3833
E-Mail: kristian.sons@dfki.de

 
Redaktion:
Gordon Bolduan
Wissenschaftskommunikation
Kompetenzzentrum Informatik Saarland
E-Mail: bolduan@mmci.uni-saarland.de
Tel.: 0681 302 70741

Media Contact

Melanie Löw Universität des Saarlandes

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Messenachrichten

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer