Nanostrukturierung hält Tragflächen eisfrei

Jeder Wintereinbruch hat massive Auswirkungen auf den Verkehr auf Schienen, Straßen oder in der Luft.

Flugreisende müssen dann häufig schon vor dem Start Geduld aufbringen. Denn fällt das Thermometer unter den Gefrierpunkt, müssen die Tragflächen von Flugzeugen mit geeigneten Mitteln enteist werden, bevor sie an den Start gehen. Eis auf den Flügeln stört die Aerodynamik, weil es die für den Auftrieb notwendige Strömung zum Abreißen bringen kann. Deshalb wird auch während des Fluges dafür Sorge getragen, indem ein Teil der heißen Triebwerksabluft umgelenkt und in die Tragflächen geleitet wird. Eine andere Möglichkeit besteht im Einsatz nanostrukturierter Oberflächen. Lösungen wie diese zeigt die O&S, internationale Fachmesse für Oberflächen und Schichten, vom 22. bis 24. Juni in Stuttgart.

Wird der Flügel des Flugzeugs mit Hilfe heißer Luft beheizt, um ein erneutes Einfrieren zu verhindern, hat dies einen doppelten

Nebeneffekt: Das Fliegen wird teurer und die Belastungen für das Klima steigen. Bis zu 30 Prozent erhöht sich der Kraftstoffverbrauch eines Flugzeugs durch die notwendige Heizung.

 Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart haben vor diesem Hintergrund nanostrukturierte Oberflächen entwickelt, auf denen Wasser abgestoßen wird und sich auch bei Minusgraden nahezu kein Eis bildet.

Plasmaprozesse und nanostrukturierte Oberflächen sind ein Kernthema der O&S 2014. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist ein wichtiger Aussteller bei diesem Ereignis und traditionell mit mehreren verschiedenen Instituten vertreten.

Die Anti-Eis-Ausrüstung für Kunststoffoberflächen wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Nanodyn“ entwickelt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wurde. Grundsätzlich hatte Nanodyn zum Ziel, mit Hilfe modifizierter Oberflächen das Benetzungsverhalten gegenüber verschiedenen Medien wie Schmierstoffen oder auch Luftfeuchte, Wasser und Reinigungsmitteln zu verändern. Die dadurch erreichbare Minderung von Reibung und Verschleiß führt nicht nur zu höheren Wirkungsgraden, sondern auch zu einer längeren Lebensdauer von Bauteilen.

Die Anhaftung von Eis verringert sich um satte 90 Prozent

Ein Ergebnis des Nanodyn-Projektes sind strukturierte Schichten auf Kunststoffen aus schlag- und stoßfestem Polyurethan, die dem Wasser, das gefrieren will, keine Kristallisationskeime auf der Oberfläche bieten. Dadurch bleibt es in einem stark unterkühlten Zustand – englisch als supercooled bezeichnet. „Selbst wenn das Wasser gefriert, vermindert unsere Anti-Eis-Ausrüstung die Haftung von Eis um mehr als 90 Prozent“, sagt Dr. Michael Haupt, Projektleiter am IGB, die Versuchsergebnisse in der Eiskammer bei minus 30 Grad Celsius. Die Schichten werden auf den Kunststofffolien mittels Plasmatechnologien abgeschieden. Die Folie wird hierzu in eine Vakuumkammer geführt, in der ein Plasma die Oberfläche modifiziert. In einem Plasma werden Gasmoleküle durch das Anlegen einer hochfrequenten elektrischen Spannung angeregt und fragmentiert.

„Die hochreaktiven Gasmolekülbruchstücke können nun auf der Oberfläche der Folien ankoppeln und bilden dort eine Schicht. Durch Optimierung verschiedener Prozessparameter wie Art und Menge des eingesetzten Plasmagases, von Temperatur, Druck und Behandlungszeit können wir sehr dünne nanostrukturierte Schichten erzeugen“, erklärt Haupt.

Im Projekt Nanodyn wurden Plasmaverfahren verwendet, um neben den Anti-Eis-Folien auch Gewebe und Vliesstoffe mit gezielten benetzenden Eigenschaften und Oberflächen von besonders reibungsarmen Hybrid-Wälzlagern herzustellen. Bei den Lagern wird nicht nur eine höhere Effizienz bei der Herstellung, sondern auch eine erheblich längere Laufzeit erwartet. Weitere Beispiele für innovative Anwendungen sind auf der O&S 2014 zu erwarten.

Die Folien bringen Wasser dazu, einfach abzuperlen

 Die geordneten Strukturen, die durch die Plasmabehandlung auf den Anti-Eis-Folien entstehen, sind nur wenige Nanometer klein, haben aber einen großen Einfluss auf die Benetzungseigenschaften. Wird Wasser auf die Folienoberfläche gebracht, zieht es sich zu einem kugelförmigen Tropfen zusammen, der dann aufgrund der nur minimalen Wechselwirkung mit der Oberfläche von ihr abgestoßen wird. Um die Folie auf die Tragflächen von Flugzeugen zu bringen, wurde ein entsprechendes Plasma entwickelt: „Das können wir in einen industriellen Maßstab übertragen. Einer unser Projektpartner, der Anlagenhersteller PINK Plasma-finish, kann ganze Folienbahnen in großen Plasmakammern Rolle zu Rolle beschichten“, berichtet Haupt.

Bei der Rolle-zu-Rolle-Technik für die Plasmabehandlung von flexiblen Bändern werden diese von einer Rolle auf eine andere umgespult, um es durch die zwischenliegende Plasmakammer zu führen. Beide Rollen befinden sich im selben Vakuum wie die Prozesskammer. Dieser Aufbau gewährleistet eine gleichmäßige Behandlung und ein reproduzierbares Ergebnis. Die nanostrukturierten Folien können nach ihrer Herstellung einfach auf die Tragflächen geklebt werden.

Auf diesem Wege lassen sich die teure Enteisung von Flugzeugen, große Mengen an Enteisungsmitteln, vor allem aber Flugbenzin und damit erhebliche CO2-Emissionen einsparen. „Bei den großen Herstellern ist eine Markteinführung eher langfristig zu sehen, schneller geht es sicher bei kleinen Flugzeugbauern“, sagt Fachmann Haupt. Darüber hinaus gibt es weitere interessante Einsatzgebiete:

Auch auf Windrädern, die aufgrund von Vereisung im Winter stehen bleiben oder unwuchtig laufen, auf Solarpaneelen, Freileitungen und Gebäudeteilen können die nanostrukturierten Oberflächen gute Dienste erweisen. In allen Fällen würde eine Anti-Eis-Ausrüstung einen erheblichen Beitrag zur Sicherheit leisten.

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