Komposite, Schäume, Beschichtungen – Kunststoff-Innovationen auf der Messe K

Thermoplast-Schaum-Spritzgießen verhindert Schlierenbildung.<br>© Engel Austria GmbH<br>

Der Airbag gehört heute zur Standardausrüstung von Pkws. Im Notfall können sie Leben retten; wenn keine Gefahr in Verzug ist, schlummern sie hinter einer Abdeckung aus Kunststoff. Hergestellt werden solche Bauteile meist durch Spritzgießen: Man schmilzt den Kunststoff, spritzt ihn in eine Form und kühlt ihn ab, bis er wieder erstarrt. Für die Produktion von Abdeckungen für Airbags wird mittlerweile häufig ein neues Verfahren eingesetzt: Das Thermoplast-Schaum-Spritzgießen, kurz TSG.

Gegenüber dem herkömmlichen Spritzgießverfahren bietet die TSG-Technik einige Vorteile: Zum einen spart sie bis zu 30 Prozent Material ein. Zum anderen sind die Bauteile verzugsärmer – haben also weniger Dellen. Außerdem sind die Ingenieure bei der Gestaltung flexibler: Müssen sie beim herkömmlichen Spritzgießen darauf achten, den flüssigen Kunststoff vom dickeren Bauteilstück in die dünneren hinein zu spritzen, geht dies beim Thermoplast-Schaum-Spritzgießen auch anders herum – also vom dünneren Bauteilstück in das dickere.

Doch das neuartige Verfahren birgt auch einen Nachteil: Auf den Oberflächen der Kunststoffteile bilden sich Schlieren. Dass man diese bei den meisten Airbag-Abdeckungen nicht sieht, liegt an der Narbenoptik, die Unregelmäßigkeiten kaschiert. Forscher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologien ICT in Pfinztal wollen diese Schlieren nun ausmerzen – und dem Verfahren so auch zu Anwendungen verhelfen, bei denen die Bauteile gut sichtbar sind und ohne oberflächenstrukturierung eingesetzt werden sollen.

Gespritzter Schaum ohne Schlieren

Doch was genau ist Thermoplast-Schaum-Spritzgießen? Im Grunde genommen handelt es sich um eine übliche Spritzguss-Technik, bei der Kunststoff aufgeschmolzen und in eine Form gespritzt wird, bevor er erstarrt. Allerdings hat die TSG-Maschine eine zusätzliche Funktion: In die Kunststoffschmelze strömt Treibgas. Spritzt man dieses Gemisch in die Form, sinkt der Druck drastisch – ähnlich wie bei einer Sprudelflasche, die geschüttelt und dann geöffnet wird. Die Folge: Der Kunststoff, Forscher sprechen von Polymer, schäumt auf. Das fertige Bauteil ist daher nicht kompakt, also innen und außen gleich, sondern wie ein Sandwich aufgebaut. Innen besteht es aus dem geschäumten Kunststoff, während die Außenflächen kompakt und hart sind. Schlieren entstehen, weil die heiße Polymerschmelze Schaumblasen bildet, wenn sie durch das kühle Werkzeug fließt.

Diese werden durch den Druck der Polymerschmelze an der Werkzeugwand zerdrückt – die Unebenheiten erstarren mit der Schmelze und bleiben an der Oberfläche des fertigen Bauteils sichtbar. »Wir vermeiden die Schlierenbildung, indem wir das Werkzeug variotherm beheizen«, sagt Andreas Menrath, Wissenschaftler am ICT. »Das Polymer bleibt durch die höhere Werkzeugtemperatur während des Einspritzens länger verformbar, wenn es mit dem Werkzeug in Kontakt kommt. Die Blasen erstarren daher nicht sofort, stattdessen wird die Oberfläche glattgedrückt.« Die Anlagentechnik, die dazu nötig ist, haben die Forscher bereits erprobt und eingesetzt. Momentan arbeiten sie an einer weiteren Möglichkeit, die Schlieren zu verhindern: Das Werkzeug wird mit einer Isolierung beschichtet, die dafür sorgt, dass die Wärme länger im Polymer bleibt. Derzeit testen die Ingenieure verschiedene Materialien und Schichtdicken. Auf der Messe K stellen die Wissenschaftler eine TSG-Maschine aus und produzieren vor Ort geschäumte Frisbee-Scheiben.

24 Frisbees zeigen neue Technologien

Dies ist jedoch nicht alles, was die Besucher auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand zu sehen bekommen. Die beteiligten Institute präsentieren 24 Frisbee-Scheiben, die jeweils mit neuen Materialien oder mit neuen Technologien hergestellt wurden. So präsentieren Forscher des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, eine Scheibe aus einem Holz-Kunststoff-Komposit, kurz WPC. Dieses Material besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Holzmehl, zu 20 bis 35 Prozent aus Kunststoff und zu 5 bis 10 Prozent aus Additiven. Eine weiteres Frisbee zeigt einen Laserabtrag: Mit einem CO2-Laser haben die Forscher aus dem Polypropylen und Polyamid bestimmte Stellen abgetragen und somit Vertiefungen geschaffen.

Kunststoff und Glas vereinen

Einer der größten Vorzüge von Kunststoff ist: man kann ihn leicht formen. Diese Formbarkeit bringt jedoch auch Nachteile mit sich: Die Oberfläche verkratzt leicht. Abhilfe versprechen Beschichtungen: Sie sollen die Oberfläche härter machen und Kratzer vermeiden. Da die Lacke, die hierfür verwendet werden, ebenfalls auf Kunststoff basieren, sind ihrer Härte jedoch Grenzen gesetzt. Forscher des Instituts für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben nun eine neuartige Beschichtung entwickelt: Statt aus Kunststoff besteht sie aus Glas. Die Wissenschaftler vereinen damit erstmals Leichtigkeit und Härte. Das Auftragen der Glasschicht in einem Plasma dauert nicht länger als das des Lackes. Auch diese neue Beschichtung zeigen die Forscher auf der Messe K am Beispiel einer Frisbee-Scheibe.

Recyceltes Styropor®

Ein weiteres Frisbee besteht aus recyceltem Styropor®. Ein Novum, denn bisher galt dieses expandiertes Polystyrol als nicht recycelbar. Der Grund: Das meiste Styropor® wird für die Wärmedämmung von Gebäuden eingesetzt und ist daher mit Zusätzen versehen, die vor Flammen schützen sollen. Forscher am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising haben nun eine Technologie entwickelt, mit der sich Styropor dennoch wiederverwerten lässt. Das CreaSolv®-Verfahren liefert Recycling-Kunststoffe, deren Qualität ebenso hoch ist wie die von Neuware.

Media Contact

Dr. Stefan Tröster Fraunhofer-Institut

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