electronica 2012: Der Klick mit dem Blick

Mit dieser Datenbrille können Anwender Displays durch die Bewegung ihrer Augen steuern. <br>© Fraunhofer COMEDD<br>

Wenn Mechaniker komplexe Reparaturen durchführen, waren sie bisher meist auf Informationen aus Handbüchern angewiesen. Doch das Blättern störte die Konzentration, die Arbeit dauerte länger. Daran ändert sich wenig, wenn die Daten vom PC oder Laptop abgerufen werden. Auch hier braucht es einige Klicks, um zur richtigen Zeichnung zu gelangen.

Weiterer Nachteil: Werkzeuge müssen zur Seite gelegt werden. Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Organik, Materialien und Elektronische Bauelemente COMEDD in Dresden arbeiten seit mehreren Jahren am Design von interaktiven HMDs – Head Mounted Displays –, etwa für Datenbrillen, die auf OLED-Technologie basieren. Diese machen neben der realen Welt eine erweiterte Realität mit zusätzlichen Informationen sichtbar. Bisher mussten Befehle für die erweiterte Realität (englisch: Augmented Reality) allerdings immer per Datenhandschuh oder Joystick eingegeben werden.

Jetzt haben die Wissenschaftler mit Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe und der Firma TRIVISIO eine Datenbrille entwickelt, deren Display sich per Augenbewegung steuern lässt. Ein damit ausgerüsteter Mechaniker kann sich den Schaden direkt mit der Brille ansehen und gleichzeitig mit den Augen durch eine eingeblendete Bedienungsanleitung blättern. Das System ist auf der Messe electronica vom 13. bis 16. November in München am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand 121 in Halle A5 zu sehen.

Photodiode erfasst Augenbewegungen

»Wir nutzen in unserer Brille einen neuartigen CMOS-Chip mit integrierter Kamera und OLED-Mikrodisplay, für den wir auch das Patent haben«, erklärt Projektleiter Dr. Rigo Herold. Die Forscher haben hier zum ersten Mal OLEDs gemeinsam mit Photodetektoren auf den CMOS-Chip integriert.

»Er wird mit mikroskalierten Sende- und Empfangseinheiten ausgestattet, die Anordnung der Informationen erfolgt dabei hintereinander – Arraystruktur lautet der Fachbegriff. So entsteht ein bidirektionales Mikrodisplay. Das heißt, wir können sowohl Bilder aufnehmen als auch wiedergeben«, erläutert Herold. Der Chip ist 11 mal 13 Millimeter groß und enthält vier Leuchtpixel sowie eine Photodiode in der Mitte. Diese erfasst die Augenbewegung des Brillenträgers.

Die Pixel sind zuständig für die Bilder, die der Anwender auf das Mikrodisplay eingespielt bekommt. Letzteres besteht aus einer verschachtelten Matrix von OLED-Leuchtpixeln und dazwischen eingebetteten Photodetektoren, die quasi als Kamera arbeiten. Das Display hat eine Leuchtfläche von 10,24 mal 7,68 Millimeter. Blickt der Betrachter durch die Brillengläser zum Horizont, wird vor ihm in einigem Abstand etwa eine Montagezeichnung oder eine Landkarte in einer Größe von bis zu einem Meter projiziert.

»Das ist eine vollkommen neue Systemgeneration für das persönliche Informationsmanagement«, sagt Herold. »Mit der Datenbrille kann der Nutzer gewohnt die reale Welt wahrnehmen, gleichzeitig werden die Augenbewegungen mit der Kamera aufgenommen. Ein Blick auf die Pfeiltaste sorgt dafür, dass eine Seite umgeblättert wird. Auch wenn beispielsweise die Datenbrille von Google vielleicht noch etwas schicker ist, so erfordert auch sie einen Joystick, um sich durch das Menü zu blättern. Das entfällt hier.« Ein Techniker oder Arzt behält die Hände frei und kann sich ganz auf seine Tätigkeit konzentrieren.

Auf der electronica stellen die Forscher das System als Evaluation Kit vor. Das Paket enthält die Brille sowie die zugehörige Hard- und Software. Letztere haben Kollegen vom IOSB entwickelt, die Optik stammt von dem Brillenhersteller TRIVISIO. Das System läuft auf LINUX und Windows. Die Kunden erhalten einen Rechner, können aber auch nur die Software kaufen und auf ihren eigenen Rechnern installieren.

Im Juni 2012 wurden die Forscher zum 50. Jubiläum der weltweit wichtigsten Displaykonferenz SID 2012 in Boston mit dem »Best in Show Award« ausgezeichnet. Derzeit testen erste Interessenten die Möglichkeiten, die die neue Technologie für den Produktions-, Industrie-, Medizin- und Sicherheitsbereich bietet.

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Dr.-Ing. Rigo Herold Fraunhofer Forschung Kompakt

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