Bionik, biologischer Pflanzenschutz, medizinische Diagnostik und mehr

Auf der BIOTECHNICA in Hannover präsentieren vom 9. bis 11. Oktober sechs Forschergruppen der Universität Tübingen im Rahmen des Gemeinschaftsstandes Baden-Württemberg den neuesten Stand ihrer Forschung in der Biotechnologie. Die Themengebiete der Tübinger Arbeitsgruppen sind hierbei so vielfältig wie die Forschung an der Universität.

Das Spektrum erstreckt sich vom biologischen Pflanzenschutz über medizinische Diagnostik und innovative Arzneimittel bis hin zu neuartigen Klebematerialien, wasserleitenden Geweben und stabilen durchlässigen Verbundwerkstoffen. Die Forscher aus der Biologie, der Chemie und den Geowissenschaften zeigen, dass aus der Grundlagenforschung anwendungsbezogene Felder bis zu produktfähigen Ideen heranwachsen können.

Ein Beispiel hierfür ist das integrierte Verfahren zum biologischen Pflanzenschutz, eine Anwendung, die aus der Forschung über Pilz-Pflanzen-Interaktionen hervorging. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rüdiger Hampp, Physiologische Ökologie der Pflanzen, stellt ein patentiertes Verfahren zur biogenen Pflanzenstärkung vor, das effizient und kostengünstig ist. Mithilfe eines aus Bodenproben isolierten Bakteriums können Feinwurzelbildung und das Pflanzenwachstum gefördert werden. Darüber hinaus wird ein effektiver und andauernder Schutz gegen phytopathogene Pilze aufgebaut. So lassen sich bei land-, garten- und forstwirtschaftlichen Kulturen Pflanzenwachstum und Ernteertrag verbessern.

In einem anderen Projekt, das die Entwicklung eines intelligenten und vollautomatischen Messgerätes für die medizinische Diagnostik zum Ziel hat, arbeiten über 30 Arbeitsgruppen aus 11 europäischen Ländern zusammen. Die Projektkoordination liegt beim Tübinger Professor Dr. Günter Gauglitz, Physikalische Chemie. Mit der Kombination von biochemischen Erkennungsmethoden, biosensorischer Umsetzung und modernen Kommunikationsmöglichkeiten wird ein automatisiertes Diagnosegerät für die medizinische Praxis entwickelt.

Gleichfalls in der Gesundheitsforschung angesiedelt ist ein Projekt, das mit einem neuen Wirkstoffkonzept die Verbesserung der Behandlung virus- und tumorbedingter Erkrankungen zum Inhalt hat. Prof. Dr. Herbert Schott, Organische Chemie, stellt mit seinem Konzept „Duplex-Drugs“ einen Ansatz vor, der zur Optimierung der Therapie auf bewährte Arzneimittel in neuartiger Kombination setzt. Zwei Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkmechanismen werden chemisch gekoppelt und erst im Organismus in den Zielzellen selbst gespalten. Dadurch wird die Gefahr von Resistenzen vermindert, und es können teilweise sogar die Dosis der Einzelmedikamente sowie die Nebenwirkungen verringert werden. Dieses Konzept ist mittlerweile durch internationale Patente geschützt und soll im nächsten Schritt zu einem klinischen Prüfmuster weiterentwickelt werden.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie der Schritt aus der universitären Forschung in die Anwendung führen kann, ist die wissenschaftliche Kooperation zwischen der Universität und EMC microcollections GmbH, einer Ausgründung (1996) aus der Organischen Chemie (Prof. Dr. Günther Jung und Prof. Dr. Karl-Heinz Wiesmüller). Hier wird ein breites Spektrum an molekularen Werkzeugen für die Biotechnologie und Medizin präsentiert.

Aus dem Feld der Bionik (Kombination von Biologie und Technik) sind drei Arbeitsgruppen dabei, die aus der Biologie abgeleitete Prinzipien in technische Anwendungen umsetzen. Eine Gruppe, die an Insekten forscht, hat sich von der Klebzunge eines Käfers inspirieren lassen. Der Klebstoff dieser Kurzflügelkäfer besitzt außergewöhnliche Eigenschaften und zeichnet sich durch extrem schnelle Haftung an Oberflächen unterschiedlichster Art, hohe Zugfestigkeit und hohe Stabilität bei geringer Dosierung aus. Prof. Dr. Oliver Betz, Evolutionsbiologie der Invertebraten, untersucht die Eigenschaften von Haftsekreten, um sie technisch umzusetzen und nach dem Vorbild der Natur Klebstoffe zu entwickeln.

Von Pflanzen lernt eine andere Arbeitsgruppe, und zwar von deren Interaktion mit Wasser. PD Dr. Anita Roth-Nebelsick, Biogeologie und Angewandte Paläontologie, greift die biophysikalischen Prinzipien des pflanzlichen Wasserhaushaltes auf und erforscht Möglichkeiten der Nutzung für technische Anwendungen. Im Bereich des Transports von Flüssigkeiten werden Strukturen identifiziert, die in der Lage sind, Wasser unter Zugspannung ohne Emboliebildung zu transportieren.

Innovative Materialien lassen sich auch aus der Paläontologie und der Mineralogie ableiten, wie Prof. Dr. James Nebelsick (Biogeologie und Angewandte Paläontologie) und Prof. Klaus Georg Nickel, Ph. D., (Mineralogie und Geodynamik) auf dem Gebiet der geowissenschaftlichen Bionik demonstrieren. Ihr Vorbild aus der Natur, der Seeigel, hat sich seit über 500 Millionen Jahren unter harschen Umweltbedingungen bewährt. Mit ihrer „Schale“, einem Skelett aus verschiedenen Hartteilelementen mit komplex aufgebauten Materialien samt deren raffinierter Mikroarchitektur, können Seeigel ein Bauprinzip für neue und unkonventionelle Verbundwerkstoffe liefern. Diese leichten, festen und dennoch gas- und wasserdurchlässigen Materialien können Schutz vor Einschlägen bieten oder als Stichschutz dienen.

Die vorgestellten Forschungsthemen werden ergänzt durch Informationsmaterial zu Forschungsfeldern der verschiedenen Fachbereiche und durch speziell für die

BIOTECHNICA zusammengestellte Kooperationsangebote. Als zentraler Ansprechpartner stehen die Technologietransferstelle der Universität und die Patentverwertungsagentur allen Interessenten für Kontaktaufnahme, Information und Beratung zur Verfügung.

Die BIOTECHNICA auf der Messe Hannover gilt als die europäische Leitmesse der Biotechnologie, nicht zuletzt weil sie alle Sparten der Biotechnologie vollständig abdeckt – von Biotechnik-Grundlagen, Ausstattung und Dienstleistungen bis zu Anwendungsbereichen aus der Pharmazie und Medizin, der Industrie, der Ernährung, der Landwirtschaft und den Umweltwissenschaften. Darüber hinaus ist die BIOTECHNICA aber mehr als eine reine Messe. Sie bietet mit zahlreichen Kongressen und Expertenveranstaltungen zudem eine zentrale Plattform zum Technologietransfer. Erwartet werden 2007 über 900 Aussteller und 13.000 Fachbesucher aus mehr als 40 Ländern in Europa, Amerika und Asien.

Nähere Informationen:

Abteilung Forschungskontakte, Universität Tübingen
Dr. Friedrich Stracke, Tel: 07071/29-76788, E-Mail: friedrich.stracke@uni-tuebingen.de

Dr. Barbara Lederer, Tel: 07071/29-76876, E-Mail: barbara.lederer@uni-tuebingen.de

EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
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