CeBIT 2002: Wanderer durch die Welt der Datennetze – Mobile Agenten auf der Suche nach Informationen

Wissenschaftler der Uni Jena um den Informatiker Peter Braun stellen auf der CeBIT einen neuartigen mobilen Agenten mit Namen „Tracy“ vor. Ein mobiler Agent ist ein kleines Programm, das im Auftrag seines Besitzers durch das Internet geschickt wird und dort selbständig von Rechner zu Rechner wandert, um Informationen zu sammeln. Dabei kann er weit über das Netz verstreute Datenbestände ausfindig machen.

Derartige mobile Agenten sind herkömmlichen Suchmaschinen weit überlegen. Der wesentliche Unterschied: Der Agent wandert zu den Informationen, bei einer Suchmaschine ist es genau umgekehrt. Der Weg, den die Agenten im Datennetz nehmen, ist – anders als bei Suchmaschinen – zuvor nicht festgelegt, sie suchen sich vielmehr die günstigste Route selbst aus. Agenten werden deshalb auch mit komplexen Aufgaben fertig. Da das Programm in der Sprache „Java“ geschrieben ist, ist es zudem plattformunabhängig, kommt also mit mobilen Endgeräten wie Handys und tragbaren Computern ebenso zurecht wie mit ortsgebundenen. Es eignet sich deshalb besonders für den elektronischen Handel, etwa bei Banken, Auktionshäusern, Buchläden oder Fluglinien im Internet. Da Agenten elektronisches Geld, aber auch Passwörter, Produktinfos und andere sensible Daten mit sich führen, haben die Entwickler großen Wert auf die Sicherheit gelegt. Nachdem der Mensch einem solchen Agenten einmal einen konkreten Auftrag gegeben hat, handelt er völlig selbständig. Er vertritt seinen Benutzer, verhandelt für ihn und schließt sogar für ihn Verträge ab.

Der Jenaer Agent „Tracy“ kann zum Beispiel selbsttätig eine Geschäftsreise organisieren – wie eine perfekte Sekretärin. Dazu erkundet er die günstigste Reiseverbindung, mietet ein Auto an, sucht ein geeignetes Hotel aus, plant ein Geschäftsessen und sogar den abendlichen Besuch eines Musicals oder eines Konzerts. Dabei nutzt er geschickt bereits vorhandene Web Services und kombiniert die Suchergebnisse miteinander. Tracy ist sogar lernfähig: Er merkt sich die Vorlieben seines Benutzers, etwa bei der Auswahl von Musik oder Speisen, und berücksichtigt sie bei seinem nächsten Ausflug. Nachfragen sind nicht nötig, der Auftraggeber kann in der Zwischenzeit andere Aufgaben erledigen und muss während dieser Zeit auch nicht mit dem Internet verbunden sein.

„Tracy“ kann aber noch mehr: So arbeitet er mit anderen Agenten zusammen, tritt aber, wenn nötig, auch in Wettbewerb mit ihnen. Er lässt sich auch als Beobachter zu einem Rechner schicken, der sich nur dann meldet, wenn sich Daten verändern, seien es nun Börsenkurse oder das Angebot in einem Internet-Versandhauskatalog. Daneben kann er geklont, also vervielfältigt, werden – die Klone durchstöbern dann gleichzeitig das Netz, die Suche wird dadurch nochmals effektiver. Dennoch ist dafür gesorgt, dass der Agent nicht mehrfach auf die gleichen Daten zugreift. Das hat einen großen Vorteil: Das Netz wird nicht durch unnötigen Datentransport überlastet. Hat der Agent seine Aufgabe erledigt, kehrt er zu seinem Auftraggeber zurück, sobald dieser sich wieder ins Internet einwählt.

Allerdings geht es unter Software-Agenten manchmal auch ähnlich zu, wie im richtigen Leben: So wie einst CIA und KGB sich gegenseitig ihre Agenten „umdrehten“, so können auch deren Software-Brüder manipuliert, ausgespäht und sogar einer „Gehirnwäsche“ in Form einer Veränderung der Daten unterzogen werden; manche legen sich sogar einen falschen Namen und eine andere Identität zu. Das freilich lässt sich durch eine aufwändige und genaue Programmierung verhindern. Und auch das kommt vor: Der Agent lässt sich nicht mehr blicken, er macht sich einfach aus dem Staub – eine Folge der erwünschten Selbständigkeit. Wenn er nicht mehr „lebt“ und auf seiner Wanderschaft zerstört wurde, ist nichts zu machen. Andernfalls bleibt nicht anderes übrig, als einen zweiten Agenten loszuschicken, um den ersten zurückzuholen.

Entwickelt wurde „Tracy“ am Lehrstuhl für Softwaretechnik der Uni Jena (Prof. Wilhelm R. Rossak). Neben Peter Braun waren Christian Erfurth, Jan Eismann sowie fast ein Dutzend Studenten an dem anspruchsvollen Programm beteiligt. Im Herbst dieses Jahres wollen die drei gemeinsam mit ihrem Professor sowie einem Betriebswirtschaftler und einem Juristen eine Firma gründen, die die Software professionell vermarkten soll. Der Name steht bereits fest: the agent factory. Ebenfalls noch in diesem Herbst wird ein einem US-amerikanischen Verlag ein gemeinsames Buch von Rossak und Braun erscheinen, Titel: „Mobile Agents“. Die Jenaer Informatiker belegen damit erneut, dass sie bei der Entwicklung mobiler Agenten ganz oben in der Weltspitze mitmischen.

Weitere Informationen: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Informatik, Lehrstuhl für Softwaretechnik, Ernst-Abbe-Platz 1-4, 07743 Jena, Dipl.-Inf. Peter Braun, Tel. 0 36 41 / 94 63 51, Fax: 0 36 41 / 94 86 62, E-Mail: Peter.Braun@informatik.uni-jena.de oder auf der CeBIT vom 13. bis 20. März 2002 in Hannover im future parc, Halle 11, auf dem Stand B 30, „Forschungsland Thüringen“.

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Hubert J. Gieß idw

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