Chlorhersteller bleiben trotz fiebernder Margen cool

Anläßlich der EUROCHLOR 2005 in Prag wurden Experten aus über 30 Ländern die aktuellen Wirtschaftsdaten der Chloralkali-Industrie vorgestellt. Zu den technischen Innovationen der Tagung gehörten unter anderem membranschonende Elektrolysetechniken.

Wie das Gas, so das Geschäft: Auch der Handel mit Chlor stellt sich in der Regel als volatile Angelegenheit dar. “Allein in den letzten drei Jahren schwankte der Chlorpreis zwischen 40 und 330 US $ pro Tonne”, resümiert Charles Fryer, Direktor der britischen Tecnon OrbiChem. Hauptverantwortlich hierfür sei die Tatsache, dass die Chlorproduktion mit der Produktion von kaustischer Soda gekoppelt sei. So erfolgt die Produktion von Chlor und Natronlauge durch die Elektrolyse von Kochsalz (NaCl). Das Kuppelprodukt wird dabei gleichzeitig und in einem fixen Verhältnis von 1 t Chlor zu 1.1 t Natronlauge produziert. Weil Chlor und Natronlauge in einem festen Verhältnis produziert werden, wird das Angebot eines Produktes vom Absatz des anderen Produktes beeinflußt.

“Da beide Produkte in völlig unterschiedliche Märkte gehen, ist es sehr schwierig, beide Produkte wirtschaftlich in der richtigen Balance zu halten”, verdeutlicht Fryer. Bei einer Überproduktion von NaOH könnten die Überschüsse bis zur Auslastung der Lagerkapazitäten gelagert werden. Wenn es jedoch beim Chlor Überkapazitäten gebe, sei aufgrund der mangelnden Speicherkapazitäten eine Drosselung der Chlorproduktion unvermeidbar, was aufgrund der schwachen Konjunktur in den USA zuletzt im Jahre 2002 der Fall gewesen sei.

Dass am Chlor kein Weg vorbeiführt, verdeutlichen die wirtschaftlichen Eckdaten. So werden rund 55 Prozent aller Chemieprodukte mit Hilfe von Chlor produziert. Zusammen mit Erdölprodukten, die in der chemischen Industrie als Naphta Eingang finden, ist Chlor somit der wichtigste Grundstoff der Branche überhaupt. Dementsprechend basieren auch über 50 Prozent der weltweiten Umsätze der chemischen Industrie auf Chlor.

Die weltweite Chlorproduktion wird sich in diesem Jahr einer Prognose der Tecnon OrbiChem zufolge auf 46 Mio. t belaufen (siehe Tabelle), wovon etwa 25 % auf Europa entfallen. Dementsprechend sind in Europa rund 40.000 Menschen in der Chlor-Alkali-Industrie beschäftigt und weitere 2 Millionen Arbeitsplätze hängen in “nachgeschalteten” Industriezweigen von einer funktionierenden Chlorproduktion ab.

Extreme Schwankungen beim Cash-Flow

Zur Zeit boomt die Nachfrage wie nie zuvor, und der positive Cash-Flow sowohl für Chlor als auch Natronlauge bricht sämtliche Rekorde. Daß sich überragende Geschäftsergebnisse nicht spontan in Neuinvestitionen niederschlagen, liegt an der Tücke des Geschäfts. So ist auch der Cash-Flow der Anlagenbetreiber, welcher 1999 und 2002 vorübergehend in den negativen Bereich rutschte, extremen Schwankungen unterworfen. “Immerhin hat sich ein amerikanisches Unternehmen entschlossen, an der Westküste eine neue Fabrik zu errichten”, sagt Fryer. Noch vor ein oder zwei Jahren sei dies undenkbar gewesen.

Sorge bereiten den Chlorherstellern nach wie vor die weltweit unterschiedlichen und oft schwankenden Energiepreise. Da im Chlorpreis knapp 70 Prozent Energiekosten enthalten sind, können bereits geringfügige Fluktuationen die Wirtschaftlichkeit einer Chlorproduktion maßgeblich beeinflussen. Laut Fryer sind viele Chlorhersteller dazu übergegangen, mit Hilfe von erdgasbetriebenen Gasturbinen ihren Energiebedarf selber zu decken. Vorreiter seien die amerikanischen Chlorhersteller entlang der Golfküste, die gegenwärtig bereits zu 80 % ihre Energie selber erzeugen.

Rund 50 % aller weltweit in Betrieb befindlichen Chloranlagen basieren auf dem traditionellen Quecksilber-Verfahren. Zwar ist die Hg-Emission dieser Anlagen in den letzten acht Jahren von 26 g Hg auf 1 g Hg pro Tonne Chlor massiv gedrosselt worden, dennoch handelt es sich beim Verfahren um ein “Auslaufmodell” – bis spätestens Ende 2020 soll die letzte dieser Anlagen stillgelegt sein. Ähnliches gilt für das Diaphragma-Verfahren, welches auf einer trennenden Asbestschicht basiert. Da sämtliche Neuanlagen heute mit der Membrantechnik ausgestattet werden, wird diese Technologie in etwa zehn Jahren das industrielle Szenario beherrschen.

So bezogen sich die anläßlich der Eurochlor-Tagung vorgestellten technischen Innovationen vorrangig auf die Membrantechnik. Jüngste Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zielen darauf ab, mit Hilfe veränderter Prozesstechniken die Stromdichte in den Zellen und damit deren Effizienz zu erhöhen. Desweiteren wurden auch Optimierungspotenziale bei den Eigenschaften der ionendurchlässigen Kunststoff-Membranen ausgemacht.

Happy together – Membranen und Elektroden im Einklang

“Glückliche Membranen leben länger”, bringt Dr. Albert Zimmermann, Sales Manager bei der Dortmunder Uhde GmbH die Strategie des Unternehmens auf den Punkt. Damit ist unter anderem die Unterdrückung von Funkenentladungen, die auf die Membranen einen schädlichen Einfluß ausüben, gemeint. Mit Hilfe eines sogenannten “Single-Element-Design”, welches den Abstand der Elektroden optimiert und zugleich das Verhältnis Elektrode/Membran optimiert, will das Unternehmen einen zukunftsträchtigen Beitrag zur Langzeitstabilität der verwendeten Membranen liefern.

Ähnliches hat sich das japanische Unternehmen AsahiKasei auf die Fahne geschrieben. Angaben von Projektleiter Hiroyoshi Houda zufolge sei die Technologie der “Null-Funkenstrecke” im vergangenen Jahr in Japan bereits erfolgreich eingeführt worden. “Unser System arbeitet bei 3.05 Volt und 6 KA/m2”, sagt er. Schlüssel zum Erfolg sei ein neues Kathodenmaterial auf der Basis von Rutheniumoxid anstelle des bisher verwendeten Nickeloxids. “Mit diesem Material läßt sich die Überspannung des Wasserstoffs erheblich reduzieren”, betont er.

Die italienische DeNora will wiederum mit “schlanken Anoden” den Funkenflug verhindern. Aber nicht nur das. “Mit vergrößerten Anodenoberflächen und einer optimalen Ausnutzung der Ausgangsspannung lassen sich auch neue Potenziale der Energieausnutzung erschliessen”, hofft Angelo Ottaviani vom Bereich Elektrochemie der DeNora. Dabei gehe es nicht um Peanuts. “Einsparungen von 200 bis 300 kWh pro Tonne Chlor sind durchaus realistisch”, versichert er.

Kasten: Wie riskant sind Chlortransporte?

Beim Aufprall eines mit Chlorgas beladenen Güterzugs auf stehende Waggons sind am 6. Januar im amerikanischen South Carolina acht Menschen getötet worden, rund 240 litten unter Atembeschwerden oder trugen Verätzungen davon. Nach Angaben von Dr. Kathleen Shaver, Präsidentin des “Chlorine Institutes” in Washington D.C., sei der Unfall nicht auf einen technischen Defekt, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen. Bei vorausgegangene Rangierarbeiten wurde ein Weiche falsch gestellt. Dadurch sei der Güterzug auf ein Werksgelände geleitet worden.

Dr. Barrie S. Gilliatt, geschäftsführender Direktor von Eurochlor, erinnert in diesem Zusammenhang an “Global Safety Programm” der Chlorindustrie. Dieses beinhalte unter anderen einen permanenten Informationsaustausch über bestehende und neue Sicherheitspraktiken im Rahmen der Produktion, des Transports und der Distribution von Chlor. Dazu gehöre auch eine möglichst umfassende Dokumentation aller Vorfälle, um möglichst alle Schwachstellen aufzuspüren.

Media Contact

Rolf Froböse EUROCHLOR

Weitere Informationen:

http://www.eurochlor.org

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