60. IAA Nutzfahrzeuge eröffnet – Nutzfahrzeugbranche im Aufwind

Gottschalk: Standort Deutschland muss Lufthoheit über Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnen

Bei guter Stimmung aufgrund der erfreulichen Auftragslage und der zunehmenden Beschäftigung bei Lkw ist die 60. Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) Nutzfahrzeuge am Donnerstag von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement eröffnet worden. „Die guten Zahlen bei Nutzfahrzeugen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir eine Standortsicherungsoffensive auf breiter Front brauchen“, so Prof. Dr. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), in seiner Eröffnungsrede: „Wir haben uns nicht vom deutschen Meckertrend, vereint in Oberjammergau, anstecken lassen. Wir übersehen aber auch nicht, dass die Automobilindustrie insgesamt derzeit zwei Temperaturen erlebt: Wohltemperiert bei Nutzfahrzeugen, frostig im Inlandsabsatz bei Pkw.“

Die Nutzfahrzeugindustrie könne nach Jahren der tiefen Restrukturierung nun endlich einmal durchatmen. Prof. Gottschalk: „Beim Pkw-Geschäft in Deutschland stecken wir hingegen mitten in einer Phase ehrgeiziger Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir befinden uns in einem der tiefgreifendsten Anpassungsprozesse seit der Krise 1992/1993, in dem Standortnachteile zum Handeln zwingen. Damit sich die Perspektive für unseren Standort wieder aufhellt, brauchen wir eine Offensive der Flexibilität und der Senkung der Arbeitskosten.“

Der VDA-Präsident betonte: „Wir können nicht Jahr für Jahr neue Exportrekorde aufstellen und zusehen, wie unser Inlandsmarkt stetig an Volumen verliert. Wenn der Inlandsmarkt an Bedeutung verliert, verliert früher oder später auch der Standort. Wir müssen feststellen: Wir haben ein Kostenproblem am Standort Deutschland. Die Vorstellung, wir könnten hier die 35-Stunden-Woche zementieren und gleichzeitig in Polen den Samstag zum Regelarbeitstag erklären, ist pure Illusion!“

Diese Industrie wolle und werde ihre Position als Innovations-, Investitions- und Beschäftigungsmotor Nr. 1 in Deutschland behalten: „Wir stehen zum Standort Deutschland. Er hat seine Qualitäten. Aber wir müssen auch wissen, dass es schmerzliche Einschnitte bedeutet, ihn für den härter werdenden Wettbewerb fit zu machen. Es geht nicht um Sozialabbau aus unternehmerischer Willkür oder um Trophäen für die ’Weltmeisterschaft im Kostensenken’, sondern um die Wiedergewinnung der Lufthoheit über die eigene Wettbewerbsfähigkeit, und damit langfristig um den Erhalt der Arbeitsplätze.“

Prof. Gottschalk bekräftigte die Hoffnung, dass vom Aufschwung der Nutzfahrzeuge positive Impulse für die Belebung der Gesamtkonjunktur im Inland ausgehen könnten: „Wir erwarten im Gesamtjahr zweistellige Zuwachsraten in Produktion und Absatz schwerer Nutzfahrzeuge.“ Aufgrund der bereits durchgeführten Verschlankung der Prozesse, der Neuordnung der Fertigungsstrukturen, aber auch der Produkt- und Technologieoffensive sei die Zuversicht in diese Industrie auch gerechtfertigt – trotz drastisch gestiegener Stahlpreise und höherer Materialkosten.

Der VDA-Präsident verteidigte die Branche gegenüber Vorwürfen, vorwiegend im Ausland Arbeitsplätze zu schaffen: „Richtig ist, dass die Unternehmen bei Nutzfahrzeugen Milliarden in die deutschen Standorte investiert haben – ob in Düsseldorf, Hannover, in Ludwigsfelde, München oder Wörth. Das ist bei Pkw nicht anders. Wie sähe es in Ostdeutschland ohne die Investitionen der Autoindustrie aus?“ Diese Industrie habe in den letzten 10 Jahren andererseits aber auch 160.000 neue Arbeitsplätze in Mittel- und Osteuropa geschaffen. Sie habe mit 10 Mrd. Euro Investitionsvolumen über 200 neue Betriebe allein in den neuen Beitrittsländern der EU errichtet.

Prof. Gottschalk: „Wo stünden wir denn mit unseren Kosten ohne solche ’Mischkalkulation’? Diese Vorleistungen sind längst integraler Bestandteil unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit geworden, von dem auch der Standort Deutschland profitiert. Mit Basar-Ökonomie hat das nichts zu tun. Unsere Strategie heißt: globale Präsenz und Vernetzung mit dem eigenen Standort, der seine unbestrittenen Qualitäten hat. Die Betriebsräte haben das längst verstanden. Hoffen wir, dass diese Erkenntnis nun auch bei den Gewerkschaftszentralen dämmert.“

Die Bundesregierung habe einen deutlichen Schritt unternommen, aus dem Arbeitsmarkt wieder einen „Markt“ zu machen. Prof. Gottschalk: „Im Übrigen: Für mich kann es ruhig bei diesem Namen ’Hartz IV’ bleiben. Nicht aus Solidarität mit einem Kollegen aus unserer Industrie, sondern weil notwendige und richtige Reformpolitik keine ’Umetikettierung’ braucht!“

Der VDA-Präsident appellierte an Regierung und Opposition, den Mut aufzubringen, den Menschen zu sagen, dass die sozialen Sicherungssysteme sonst nicht mehr zukunftsfähig sind: „Wenn wir die Grundstimmung der Bürger verbessern wollen, müssen wir uns zu einem klaren Reformkurs ohne Hintertürchen durchringen.“

Prof. Gottschalk richtete vier Grundforderungen an die Politik: Erstens sollten beschlossene Steuersenkungen tatsächlich umgesetzt werden. „Für den Vorschlag, auf Steuersenkungen zu verzichten, Mindestlöhne zu versprechen, den Unternehmen aber Mindeststeuern in Aussicht zu stellen, bekommt man vielleicht einen ’Oskar’, aber noch lange keinen Aufschwung!“, so der VDA-Präsident. Zweitens dürfe die Beschäftigung in Deutschland nicht automatisch immer stärker unter den steigenden Soziallasten leiden. Drittens, an die Adresse der Ökoaktivisten in der Regierungskoalition gerichtet: „Beenden Sie das unsägliche Herumhantieren an weiteren Ökosteuererhöhungen, an der Streichung der Pendlerpauschale. Die Schraube der Belastungen für Bürger, Autofahrer und Industrie ist längst überdreht! Und viertens: Machen Sie Schluss mit Täuschungsmanövern wie ’Tanken für die Rente’ oder ’Kapitalertragssteuern für die Krankenversicherung’!“ Auch an solchen Dingen liege es, dass die Menschen in diesem Lande so schwer wieder Vertrauen fassten.

Diese IAA ist zugleich der Startpunkt für eine Öko-Offensive des Nutzfahrzeugs, unterstrich Prof. Gottschalk: „Mit der vorzeitigen Erfüllung der Grenzwertstufen EURO 4 und 5 schlagen die europäischen Nutzfahrzeughersteller ein neues Kapitel in Sachen umweltverträglichen Straßengüterverkehrs auf: Mit der weiterentwickelten gekühlten Abgasrückführung und der neuen SCR-Technologie zur Abgasnachbehandlung kommen neue, hoch leistungsfähige Umwelttechnologien auf den Markt. Damit werden gegenüber EURO 3 Stickoxide noch einmal um 60 Prozent und Partikel um 80 Prozent reduziert.“

Diese Offensive sei das Pendant zur Offensive bei Diesel-Pkw, über die der VDA mit dem Bundeskanzler Mitte Juli in Stuttgart Einvernehmen erzielt habe: Die von deutschen Automobilherstellern in Deutschland neu zugelassenen Diesel-Pkw werden bis 2008 mit Partikelfiltern ausgerüstet sein. Prof. Gottschalk: „Aber der Markt braucht jetzt dringend Klarheit, wie es mit der steuerlichen Förderung aussieht. Ich betone: Förderung! Auf eines können wir gerne verzichten: eine Bonus-Malus-Regelung, die die Masse der Autofahrer noch zusätzlich belastet.“

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Eckehart Rotter presseportal

Weitere Informationen:

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