Präzisionsoptik aus der Presse

Wenn es darum geht, den Mikrokosmos zu erforschen oder dem Licht auf den optischen Datenautobahnen der Zukunft den richtigen Weg zu weisen, sind Präzisionsoptiken unumgänglich. Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT stellen auf der Hannover-Messe eine kostengünstige Alternative zum herkömmlichen Herstellungsprozess vor: Pressen. Am Stand C22 in Halle 6 sind eine Polierspindel und erste gepresste Bauteile zu sehen.

Optische Linsen sind bereits Massenware: Sie fokussieren in der Supermarktkasse den Laser, der die Barcodes abliest; in Kleinbildkameras nehmen sie unsere Urlaubsimpressionen auf und im Handy die BiIder für den Fotogruß; in der Telekommunikation steuern sie den Datentransfer, der durch optisch leitende Glasfaserkabel fließt. Automatisierte Fertigungsverfahren decken den ständig steigenden Bedarf: Mit Spritzgusstechnik lassen sich Kunststofflinsen schnell und kostengünstig herstellen. Die fertigen Optiken werden eingebaut in Massenprodukte, beispielsweise einfache Kleinbildkameras oder Laserscanner. Aufwändiger ist die Verarbeitung von Glas zu hochwertigen optischen Linsen, die man für den Bau von Messgeräten, Mikroskopen oder technischen Belichtungssystemen benötigt. „Diese Optiken müssen so präzise gefertigt sein, dass die Oberfläche nicht einmal fünfzig Nanometer – das entspricht weniger als einem Tausendstel Haar-Durchmesser – von der errechneten Form abweicht“, sagt Christian Wenzel, Leiter des Geschäftsfelds Präzisions- und Mikrotechnik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen.

Bisher werden für die Präzisionsoptik Glaslinsen maschinell geschliffen und poliert. Bei Hochleistungsoptiken ist das ein komplizierter, mehrstufiger Prozess, der viel Erfahrung und Zeit verlangt. Eine Alternative bietet das Pressen: Rohlinge aus Glas werden unter hohem Druck und bei extremen Temperaturen in die gewünschte Form gebracht. Auf diese Weise stellen japanische Unternehmen bereits Glaslinsen im großen Maßstab her. „Der Umformprozess, die Herstellung der Abformwerkzeuge und die Abstimmung der einzelnen
Materialien sind bei dieser Präzisionstechnologie jedoch schwierig“, weiß Wenzel: „Die Einstellung der Parameter erfordert viel Geduld, Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Der Aufwand lohnt sich bislang für die Produktion von Großserien. Für Hersteller, die kleine und mittlere Serien fertigen, sind die Geräte jedoch noch nicht wirtschaftlich.“ Doch das will ein deutsch-amerikanisches Forscherteam im Sonderforschungsbereich „Prozessketten zur Replikation komplexer Optikkomponenten“, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, jetzt ändern. Die neue Technologie ermöglicht es künftig Herstellern von Kleinserien, kostengünstig Präzisionsoptiken – beispielsweise für biochemische oder technische Messgeräte – zu pressen.

Durch Kombination einer optischen Simulationssoftware mit der Finite-Elemente-Methode soll künftig ein Programm zur Modellierung erstellt werden, das entscheidende Fragen schon im Vorfeld klärt: Welche Oberflächenqualität muss eine Linse haben, um ihre optische Funktion zu erfüllen? Wie groß ist ihre Deformation bei der Abkühlung? Wie beeinflusst dieser Verzug die optischen Eigenschaften? Aus all diesen Faktoren lässt sich schließlich die exakte Form des Abformwerkzeugs – auf Nanometer genau – berechnen. Um diese theoretisch errechnete Form in das reale Werkzeug aus Metall umzusetzen, arbeitet das Forscherteam an neuen präzisen Schleif- und Poliertechniken. Keine leichte Aufgabe, denn das Material ist extrem hart, spröde und schwer zu bearbeiten. Es muss ja schließlich bei der Umformung von Glas zwanzig Tonnen Druck und Temperaturen bis zu achthundert Grad aushalten.

„Wir mussten eine Maschine entwickeln, die mit einem Interferometer die Form exakt misst, Abweichungen erkennt und über einen Algorithmus die Polierspindel steuert, die dann an den richtigen Stellen Nachbearbeitungen vornimmt“, erzählt Wenzel. Ende des Jahres soll das neue Werkzeug zur Herstellung von Präzisionsoptiken erste Bauteile produzieren.

Ansprechpartner:

Christian Wenzel
Telefon 0241 – 8904-152
Fax 0241 – 8904-198
E-mail: c.wenzel@ipt.fraunhofer.de

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Isolde Rötzer idw

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