Wettlauf gegen die Uhr: Wie CT-Bilder helfen können, den Zeitpunkt eines Schlaganfalls zu bestimmen

Prof. Jens Minnerup ist Erstautor der in den „Annals of Neurology“ erschienenen Studie zum Einsatz von CD-Bildern in der Schlaganfall-Diagnostik Foto: FZ

Ein Blutgerinnsel stört die Durchblutung des Gehirns, es wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, Gewebe stirbt ab: Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Je schneller die Patienten behandelt werden, desto größer ist die Chance auf vollständige Genesung.

Doch bei fast einem Viertel der Betroffenen ist nicht bekannt, wann die Symptome begonnen haben – eine Information, die wichtig wäre für die Therapie. Wissenschaftler aus Münster und Lübeck haben nun gemeinsam mit Neuroradiologen und Neurologen anderer Universitäten in einer Studie gezeigt, wie sich die Computertomographie (CT) nutzen lässt, um den Zeitpunkt hinreichend präzise zu bestimmen.

Die Bedeutung der Studie hängt mit der Thrombolyse zusammen: Diese Auflösung des Blutgerinnsels durch Medikamente ist nur innerhalb der ersten viereinhalb Stunden nach Schlaganfallbeginn wirksam.

Bei späterer Therapie profitieren Patienten nicht mehr von der Methode und zugleich steigt das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen. Den Zeitpunkt des Schlaganfallbeginns zu kennen, ist somit immens wichtig für die behandelnden Ärzte. Um die Diagnosemöglichkeiten zu verbessern, macht sich das neue Verfahren die Tatsache zunutze, dass bei einem Schlaganfall routinemäßig eine CT durchgeführt wird.

„Bei einem Schlaganfall wird Wasser im Gewebe der betroffenen Hirnregion eingelagert. Die Menge ist dabei zwar insgesamt sehr gering, nimmt aber zu, je länger der Hirninfarkt zurückliegt“, erklärt Prof. Jens Minnerup den Ansatz der Studie. Der Oberarzt der münsterschen Uniklinik für Allgemeine Neurologie ist Erstautor der Publikation.

Im Laborexperiment konnten Minnerup und seine Mitstreiter zunächst zeigen, wie sich die Menge eingeströmten Wassers auf die Strahlendichte auswirkt, also auf die verschiedenen Graustufen auf den CT-Bildern: je mehr Wasser, desto dunkler. Da die unterschiedlichen Abstufungen und deren Veränderung allerdings mit bloßem Auge häufig nicht genau zu erkennen sind, haben sich die Wissenschaftler eines Tricks bedient:

Sie setzen eine CT-Perfusionsmessung ein, durch die wenig durchblutetes Infarktareal gut zu erkennen ist. Anschließend nahmen sie eine Dichtemessung in ebendiesem Bereich – in einem sogenannten CT-Fenster – vor, so dass hier kleinere Grau-Abstufungen zu erkennen waren und sich die Wassermenge genauer bestimmen ließ.

Der Haken an der Sache: Die Graustufen des Gehirns unterscheiden sich von Mensch zu Mensch – nicht jede Schattierung ist also auf neu eingelagertes Wasser zurückzuführen. Aber auch dafür fand das Forscherteam eine Lösung: Da die rechte und die linke Hirnhälfte auf einem CT-Bild in der Regel gleiche Schattierungen aufweisen, verglichen die Wissenschaftler die Grauwerte im Bereich des Schlaganfalls mit denen im spiegelbildlichen Bereich der gesunden Hirnhälfte. So konnten sie für jeden Patienten individuell bestimmen, ob der Insult mehr oder weniger als viereinhalb Stunden zurücklag.

„Momentan ist dieses Vorgehen für den klinischen Alltag noch zu aufwändig“, so Dr. André Kemmling, Neuroradiologe an der Uniklinik Lübeck und gemeinsam mit Minnerup Initiator der Studie, die nun in der renommierten Fachzeitschrift Annals of Neurology erschienen ist. Die Forscher arbeiten daher derzeit an einer Methode, die leichter anzuwenden ist. Mit ihr könnten Neurologen und Radiologen dann in unklaren Fällen bestimmen, wann genau sich ein Schlaganfall zugetragen hat.

Redaktion:

Dr. Thomas Bauer
Referat Presse der Medizinischen Fakultat der Universität Münster
Tel. 0251-83-58937
mobil: 0171-4948979
E-Mail: thbauer@uni-muenster.de

Originalpublikation:

Minnerup J. et al.: Computed tomography-based quantification of lesion water uptake identifies patients within 4.5 hours of stroke onset: A multicenter observational study. Ann Neurol. 2016 Dec;80(6):924-934. doi: 10.1002/ana.24818.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28001316 Originalpublikation

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Weitere Informationen:

http://www.uni-muenster.de/

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