Dem Ursprung von Epilepsien auf der Spur

Wenn sich epileptische Anfälle nicht durch Medikamente verhindern lassen, ist oft eine Operation notwendig. Die Ärzte entfernen dabei erkrankte Hirnabschnitte. Voraussetzung hierfür ist eine präzise Ortung der betroffenen Bereiche. Eine neue Methode, die Analyse sogenannter Hochfrequenzoszillationen im Elektroenzephalogramm (EEG), könnte dies künftig verbessern. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) fordert eine weitere Erforschung der Technik, um in Zukunft mehr Patienten eine Operation zu ermöglichen.

Ursache eines epileptischen Anfalls ist eine unkontrollierte Übererregung von Nervenzellen. Diese breitet sich innerhalb kürzester Zeit über das gesamte Großhirn oder Teile davon aus. „Die meisten Epilepsien nehmen ihren Ursprung an umgrenzten Hirnarealen”, erläutert Professor Dr. med. Detlef Claus, 1. Sekretär der DGKN und Direktor der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Klinikum Darmstadt. Diese Krankheitsherde sind schwer zu finden. Denn epileptische Anfälle dauern in der Regel nur wenige Minuten. „Wenn wir im Labor mit dem EEG die Hirnströme messen, ist die Aktivität bereits wieder zurückgegangen”, so Claus.

Einige Krankheitsherde senden aber auch zwischen den Anfällen Signale aus. Ein bekanntes Signal sind die sogenannten Spikes. Sie lassen sich mit Elektroden empfangen, die auf der Kopfhaut verteilt werden. „Die Möglichkeiten dieser EEG-Analyse sind jedoch begrenzt”, schränkt Dr. med. Julia Jacobs von der Abteilung für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen an der Universitätsklinik Freiburg ein. So treten Spikes gelegentlich auch in gesunden Hirnarealen auf und die Unterscheidung ist schwierig. Auch mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) und anderer funktioneller Untersuchungen gelinge es nicht immer, die erkrankte Region im Gehirn zu finden.

Eine neue Technik könnte hier helfen. Während bisherige EEG-Geräte auf Frequenzen bis zu 70 Hertz (Hz) begrenzt sind, zeichnen neuere Geräte auch Frequenzen bis zu 500 Hz auf und ermöglichen so die Suche nach neuen Markern epileptogener Hirnareale. „In dem Bereich des Gehirns, in dem epileptische Anfälle entstehen, treten Hochfrequenzoszillationen, kurz HFOs, auf“, berichtet die EEG-Expertin Jacobs. „Sie nennen sich ‚ripple’ bei Frequenzen zwischen 80 und 250 Hz und ‚fast ripple’ bei Frequenzen über 250 Hz.“ HFOs kommen nicht nur während eines epileptischen Anfalls vor, sondern vor allem zwischen den Anfällen – also dann wenn die EEG-Untersuchungen normalerweise durchgeführt werden. Ähnlich wie bei den Spikes treten „ripple” und „fast ripple” aber auch in gesunden Hirnregionen auf. „Im Hippocampus können sie Zeichen einer hohen Gedächtnisaktivität sein”, so Jacobs.

Deshalb wird die HFO-Analyse derzeit nur in Forschungseinrichtungen durchgeführt. Dort wird auch untersucht, ob eine Ableitung der HFO auf der Hirnoberfläche oder während der Operation die Suche nach den Krankheitsherden erleichtert. Jacobs ist zuversichtlich, dass die neue Technik sich durchsetzen wird und HFOs künftig als Biomarker für epileptogene Hirnabschnitte dienen können. Voraussetzung hierfür sei eine weitere intensive Beforschung der Methode, betont auch die DGKN. „Die bisherigen Erkenntnisse im Bereich Hochfrequenzoszillationen sind vielversprechend. Hier gilt es, weitere Untersuchungen anzuschließen. Unser Ziel ist es, möglichst vielen Patienten, bei denen Medikamente nicht helfen, eine Operation zu ermöglichen“, so Professor Claus.

Literatur:
J. Jacobs. Hochfrequenzoszillationen (>80 Hz) als Marker für epileptogene Areale. Klinische Neurophysiologie 2011; 42: 9-16

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