Neues Messverfahren revolutioniert Neurowissenschaften

Die Medizinisch-technische Assistentin Nicole Kretschmann kann mit dem SIMOa-Analyzer bis zu 200 Proben pro Tag untersuchen. Felix Koopmann / Uniklinikum Dresden

Davon profitieren unter anderem Patienten mit multipler Sklerose (MS) oder einer chronisch-traumatischen Encephalopathie (CTE), einer Erkrankung unter der vor allem Profisportler leiden und die bisher erst nach Eintritt des Todes verlässlich diagnostiziert werden konnte.

Die durch den „SIMOa-Analyzer“ möglichen Untersuchungen sind das Ergebnis einer langjährigen Forschungszusammenarbeit des Dresdner Universitätsklinikums mit Kliniken in Boston, Basel, Barcelona, London und San Francisco.

„Der ‚SIMOa-Analyzer‘ gewährt uns erstmals über das Blut indirekte Einblicke in das menschliche Gehirn und bedeutet damit einen Quantensprung für die Behandlung neurologischer Erkrankungen“, beschreibt Prof. Tjalf Ziemssen, Leiter des Zentrums für klinische Neurowissenschaften der Klinik für Neurologie, den medizinischen Fortschritt.

„Bisher glichen Blutuntersuchungen auf Neurofilamente, das bei Schäden der Nervenzellen freigesetzt wird, der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen – aufgrund der geringen Konzentration waren sie nicht durchführbar. Doch mit der uns nun zur Verfügung stehenden Technik könnten wir sogar ein Sandkorn aus tausend 50-Meter-Schwimmbecken herausfiltern“, beschreibt der erfahrene Neurologe die neuen Möglichkeiten seines Fachbereichs.

„Die neue Blutuntersuchung ist ein Meilenstein für die Neurologie am Dresdner Universitätsklinikum, von dem unsere Patienten in besonderem Maße profitieren. Nichtinvasive Gehirn-Untersuchungen werden mit ihr zum neuen Standard und schaffen die Möglichkeit einer personalisierten Hochschulmedizin“, betont auch Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Universitätsklinikums.

Forschung mit Patientennutzen

Neurofilamente stellen das Skelett der Nervenzellen dar. Sterben diese aufgrund neurologischer Erkrankungen ab, werden Neurofilamente freigesetzt, die dann im Blut nachgewiesen werden. „Damit können wir bereits in einem sehr frühen Stadium von Erkrankungen Veränderungen in der Neurofilament-Konzentration im Blut feststellen und beispielsweise die Therapie entsprechend anpassen“, erklärt Prof. Ziemssen.

„Bisher war dazu noch eine Punktion des Gehirnwassers notwendig, bei der es zu ernsten Komplikationen wie einer Hirnhautentzündung kommen konnte, sodass jeder Einsatz dieser Methode sorgfältig abgewogen wurde. Die Blutuntersuchung hingegen wird zukünftig bei vielen Krankheitsbildern standardmäßig angewendet werden. Damit lassen sich auch die Zahl der für manche Patienten belastenden MRT-Untersuchungen reduzieren.“

Von der 150.000 Euro teuren Technik profitieren aktuell bereits die Patienten des Multiple Sklerose-Zentrums der Klinik für Neurologie. Durch ein enges Monitoring lassen sich rasch Veränderungen der Neurofilament-Konzentration im Blut feststellen und bevorstehende Krankheitsschübe besser einschätzen. Das Messverfahren wird zukünftig vor allem auch jenen Patientengruppen zugutekommen, die als Risikogruppe für eine chronisch-traumatische Encephalopathie (CTE) gelten.

Dazu zählen vor allem Profisportler, die im Laufe ihrer Karriere mehrere kleinere Hirntraumata erleiden, die letztlich im Alter zur Ausbildung von CTE, einer neurodegenerativen Erkrankung, führen können. Aus diesem Grund wird die spezielle Blutanalyse zur Überprüfung von Hirnschäden bereits in der National Football League (NFL) im US-amerikanischen Football-Sport eingesetzt, um Spielern mit kritischen Werten Erholungsphasen zu ermöglichen. Im Rahmen des internationalen Austauschs und neuen Forschungsprojekten sollen weitere Therapiemöglichkeiten durch den Einsatz des neuen Messverfahrens erprobt werden.

Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Zentrum für klinische Neurowissenschaften
Leitung: Prof. Dr. Tjalf Ziemssen
Tel. 0351/ 4 58 44 65 (Sekretariat)
E-Mail: tjalf.ziemssen@uniklinikum-dresden.de

http://www.uniklinikum-dresden.de/neu

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Holger Ostermeyer idw - Informationsdienst Wissenschaft

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