Neue Bildgebungsmethode macht Sauerstoffgehalt in Gewebe sichtbar

eMSOT-Aufnahme: Die roten Felder zeigen einen hohen Sauerstoffgehalt an, die grünen einen niedrigen. Tzoumas /TUM

Einen Königsweg, um den Sauerstoffgehalt in Gewebe sichtbar zu machen, schien es bislang nicht zu geben. Viele unterschiedliche Verfahren wurden ausprobiert, aber jedes hat seine eigenen Nachteile. In den vergangenen Jahren haben sich die Forschungsbemühungen auf diesem Gebiet auf optoakustische Methoden konzentriert. Diese, insbesondere die Multispektrale optoakustische Tomografie (MSOT), sind eines der Kerngebiete der Arbeit von Vasilis Ntziachristos.

Vereinfacht gesagt, wird bei einer MSOT-Aufnahme Licht zuerst in Schall und dann in visuelle Informationen umgewandelt: Zunächst wird ein schwacher, pulsierender Laserstrahl auf das Körpergewebe gerichtet. Moleküle und Zellen, auf die der Strahl trifft, erwärmen sich geringfügig und reagieren mit minimalen Vibrationen, die wiederum Schallsignale erzeugen. Diese werden von Sensoren aufgenommen und in Bilder umgewandelt. Die Art und Weise, in der die einzelnen Zellen und Moleküle auf den Laser reagieren, hängt von ihren optischen Eigenschaften ab, die sich ihrerseits aus ihren biochemischen Eigenschaften ergeben.

Komplexes Gewebe erschwert die Analyse

Theoretisch lässt sich mithilfe von MSOT auch zeigen, wie viel Sauerstoff in Blut enthalten ist. In der Praxis gibt es jedoch ein erhebliches Hindernis: Je tiefer ein Lichtstrahl in Gewebe eindringt, desto weniger intensiv wird er. Das liegt nicht nur daran, dass der Strahl durch jede Schicht Zellen gefiltert wird, die er durchquert. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Zellstrukturen innerhalb des Gewebes verschiedene Eigenschaften aufweisen, die beeinflussen, wie Licht gestreut und absorbiert wird. Diese Einflüsse müssen in Betracht gezogen werden, um bei einer MSOT aus den akustischen Signalen der Zellen die richtigen Schlüsse zu ziehen. In der Vergangenheit haben verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versucht, zu berechnen, wie das Gewebe die Verbreitung des Lichts beeinflussen wird. „Gewebe ist aber optisch so komplex, dass dieser Ansatz bisher noch nicht flexibel auf optoakustische Bilder von Gewebe im lebenden Organismus angewendet werden konnte“, sagt Stratis Tzoumas, Erstautor eines Artikels im Fachmagazin „Nature Communications“, in dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren neuen Ansatz beschreiben.

Eine neue Methode, Lichtverteilung in Gewebe zu beschreiben

Ntziachristos, Tzoumas und die anderen beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen völlig anderen Ansatz entwickelt. Ihre eMSOT genannte Methode verzichtet von vornherein darauf, den Weg des Lichtes durch komplexes Gewebe zu berechnen. Stattdessen machen sich die Forscher die Entdeckung zunutze, dass sich das Spektrum des Lichts in Gewebe mithilfe einer kleinen Anzahl an Grundspektren beschreiben lässt. Diese sogenannten Eigenspektren – daher auch das „e“ in eMSOT – können vorab durch Computersimulationen ermittelt werden. Die Methode nutzt Daten eines konventionellen MSOT-Geräts in Kombination mit einem neuen Algorithmus. Dieser ist in der Lage, die Effekte der Lichtstreuung und –absorption innerhalb des Gewebes zu korrigieren und akkurate Bilder der Sauerstoffmenge innerhalb des Gewebes zu erstellen.

Mithilfe von eMSOT waren die Wissenschaftler in der Lage, den Sauerstoffgehalt von Blut in lebendem Gewebe einen Zentimeter unter der Hautoberfläche zu messen. „Theoretisch können wir die Messtiefe noch vergrößern“, sagt Stratis Tzoumas. „Bei ungefähr drei Zentimetern gibt es allerdings eine Grenze. Irgendwann durchdringt das Licht das Gewebe einfach nicht mehr.“ Im Vergleich zu anderen optischen und optoakustischen Ansätzen beobachteten die Forscher bei eMSOT eine drastisch verbesserte Genauigkeit der Ergebnisse. Zusätzlich dazu, dass eMSOT ohne Eingriff in den Körper auskommt und weder auf radioaktive Strahlung noch auf Kontrastmittel angewiesen ist, liefert die Methode Bilder in höherer zeitlicher und räumlicher Auflösung als andere Techniken. „Informationen über die Menge an Sauerstoff in Gewebe sind für Forschung und Behandlung in vielen Bereichen enorm wichtig“, sagt Vasilis Ntziachristos. „Es ist gut möglich, dass eMSOT zum Bildgebungs-Goldstandard wird, sobald die Methode bereit für die klinische Anwendung ist.“

Kontakt:

Dr. Barbara Schröder

Chair of Biological Imaging (CBI)
Technische Universität München
barabara.schroeder@tum.de

Originalpublikation:

S. Tzoumas S, A. Nunes, I. Olefir, S. Stangl, P. Symvoulidis, S. Glasl, C. Bayer, G. Multhoff, V. Ntziachristos. „Eigenspectra optoacoustic tomography achieves quantitative blood oxygenation imaging deep in tissues.“ Nature Communications (2016). DOI:10.1038/ncomms12121

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Interview zum Thema:

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte”

Moderne Bildgebungsmethoden gehen weit über die Möglichkeiten von Röntgenstrahlen hinaus. Prof. Vasilis Ntziachristos ist Inhaber des Lehrstuhls für Biologische Bildgebung an der Technischen Universität München (TUM) und Direktor des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum München. Im Interview spricht er über die Faszination Bildgebung und darüber, wie Ingenieure und Ärzte eine gemeinsame Sprache finden.

Professor Ntziachristos, Sie forschen schon lange an Bildgebungsmethoden. Wie kam es dazu?

Ich habe schon früh damit angefangen. Bereits meine Diplomarbeit aus dem Jahr 1993 beschäftigte sich mit der Elektronik und Bildabfolgen von Magnetresonanztomografen . Seitdem habe ich mich mit vielen verschiedenen Methoden beschäftigt, um biologische Informationen sichtbar zu machen – mit optischen Technologien, radiofrequenzgestützten Bildgebungsmethoden, und auch mit unterschiedlichen Kombinationen aus Röntgenaufnahmen, Computertomografie, Magnetresonanztomografie und Ultraschall. Aber es ging immer um Bildgebung.

Was ist für Sie das Besondere an Bildgebung?

Bilder sind ein fundamentaler Weg, um die Welt zu begreifen. Es heißt, ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und das stimmt auch. Nehmen wir zum Beispiel die Biologie: es steckt so viel Information in der räumlichen Anordnung und Verbindung von Zellen und es ist faszinierend, dass wir Prozesse sichtbar machen können, die sonst versteckt ablaufen. Mithilfe von vorhandenen und neuen Technologien können wir zum Beispiel zeigen, was innerhalb von Körpergewebe abläuft. Und zwar nicht nur den anatomischen Aufbau, sondern auch die Verteilung verschiedener Zelltypen und sogar molekulare Informationen wie den Sauerstoffgehalt in verschiedenen Gewebetypen.

Sie haben zahlreiche Auszeichnungen und Fördermittel für ihre Projekte gewinnen können. An wie vielen verschiedenen Bildgebungsmethoden arbeiten Sie und Ihr Team eigentlich?

Wir haben drei Hauptgebiete auf denen wir forschen: Fluoreszenzbildgebung, Thermoakustik und Optoakustik. Innerhalb dieser Felder arbeiten wir an verschiedenen Geräten und Anwendungen. Im Bereich Optoakustik haben wir zum Beipiel drei Geräte mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten für den mikroskopischen Bereich. Wir haben drei unterschiedliche Mesoskope entwickelt – also Geräte, die einen Bereich zwischen der Vergrößerung eines Mikroskops und keiner Vergrößerung abdecken – mit denen wir die Hautoberfläche und das Gewebe direkt darunter untersuchen können. Dazu kommen verschiedene andere Systeme. Insgesamt haben wir mindestens zehn verschiedene Geräte, die diese Technik nutzen. Möglicherweise mehr, je nachdem wie man zählt.

Die Geräte befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Wie lange wird es dauern, bis optoakustische Geräte tagtäglich in Krankenhäusern angewendet werden?

In der Medizintechnik ist das immer ein langer Prozess. Optoakustische Systeme werden bereits heute in Krankenhäusern verwendet – allerdings derzeit nur zu Forschungszwecken und nicht im Krankenbetrieb. Wir glauben aber, dass es nicht lange dauern wird, bis diese Technologie in der Kardiologie, der Krebsmedizin, der Dermatologie und anderen Bereichen genutzt wird. Mithilfe weiterer Forschung und Tests in Krankenhäusern sollten wir in den nächsten zwei bis drei Jahren die entscheidenden Anwendungsmöglichkeiten für die Diagnose und die Begleitung von Therapien identifiziert haben.

Welche typischen Probleme treten auf, wenn es darum geht, eine im Labor entwickelte Technologie für eine praktische Anwendung anzupassen?

Man muss in der Lage sein, die Kluft zwischen Ingenieuren und Medizinern zu überbrücken. Ingenieure neigen dazu, Technologien zu entwickeln, weil sie wissenschaftlich interessant sind. Ob eine Technologie letzten Endes im Klinikalltag ankommt, hängt aber nicht davon ab, ob es sie wissenschaftlich interessant ist. Sie muss vielmehr ein medizinisches Problem lösen, für das es vorher keine Lösung gab. Es geht darum, eine gemeinsame Sprache zu finden, um die Bedürfnisse von Ärzten zu verstehen.

Wie gehen Sie bei Ihren Projekten mit dieser Herausforderung um?

Als es darum ging, den Förderantrag für das Projekt INNODERM zu verfassen – ein Handgerät für dermatologische Anwendungen, das wir derzeit entwickeln – haben wir uns mit Dermatologen aus dem Klinikum rechts der Isar zusammengesetzt. Es stellte sich damals heraus, dass tatsächlich in einigen Anwendungsbereichen ein dringender Bedarf für ein neues Gerät besteht. Es fehlt zum Beispiel eine Möglichkeit, den Erfolg von Behandlungen der Haut akkurat und vor allem quantitativ zu bewerten. Unsere Technologie kann dies leisten und somit Einblicke liefern, die bisher nicht möglich waren. Für Ärzte ist es wichtig, schnell feststellen zu können, ob eine Behandlung anschlägt, oder ob man einen anderen therapeutischen Ansatz verfolgen sollte. Mit einer ersten Version des Gerätes gehen wir dann in Krankenhäuser und führen Pilotstudien durch, um die Realisierbarkeit, also zum Beispiel die nutzfreundliche Anwendbarkeit des Systems, einzuschätzen. Darauf folgen dann größer angelegte Studien, um den klinischen Wert zu beurteilen. Das Projekt INNODERM ist im März angelaufen und auf fünf Jahre angelegt. In den ersten zwei Jahren werden wir die Technologie verbessern und anpassen, um spezifische Probleme zu lösen, danach beginnen die klinischen Studien.

Von INNODERM abgesehen – wie geht es weiter bei Ihnen?

Wir wollen herausfinden, an welchen Punkten wir mit unserer Technologie die Gesundheitsversorgung und auch die Gesellschaft nachhaltig beeinflussen können. Wir haben eine Menge Ideen dazu, wie wir Methoden weiter entwickeln können, um bisher unsichtbare Informationen mess- und sichtbar zu machen. Auf diese Weise könnte man medizinische Diagnosen früher und auch akkurater stellen. Grob gesagt, ist die Hälfte unserer Zeit diesem Ziel gewidmet. Die andere Hälfte widmen wir der technischen Entwicklung dieser Geräte.

Prof. Dr. Vasilis Ntziachristos

Vasilis Ntziachristos war Assistenzprofessor und Direktor des „Laboratory for Bio-Optics and Molecular Imaging“ an der Harvard University und dem Massachusetts General Hospital, bevor er 2007 den Ruf an den Lehrstuhl für Biologische Bildgebung der TUM erhielt. Eng mit dem Lehrstuhl verknüpft ist das – ebenfalls von Prof. Ntziachristos geleitete – Institut für Biologische und Medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum München. Neben anderen Auszeichnungen erhielt Prof. Ntziachristos 2013 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und gleich mehrere hochdotierte Forschungspreise des Europäischen Forschungsrats (ERC).

INNODERM

Mit INNODERM leitet die TUM ein europäisches Forschungsprojekt, in dem Mediziner und Ingenieure gemeinsam ein Handdiagnosegerät zur Früherkennung und besseren Diagnose von Hauterkrankungen entwickeln. Ziel ist es, Ärzten ein Werkzeug an die Hand zu geben, das zur vor-Ort-Analyse morphologischer, physiologischer und zellulärer Veränderungen des untersuchten Hautareals herangezogen werden kann und nicht nur Oberflächen-Informationen liefert, sondern auch in der Lage ist, Gewebe in mehreren Millimetern Tiefe zu untersuchen. Das Projekt vereint die Expertise von führenden Ingenieuren, Wissenschaftlern und Ärzten aus vier europäischen Ländern. INNODERM wird mit 3,8 Million Euro aus Horizont 2020, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, unterstützt.


http://www.nature.com/ncomms/2016/160630/ncomms12121/full/ncomms12121.html Link zum Original-Artikel in Nature Communications

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Dr. Ulrich Marsch Technische Universität München

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