Könnte man Gehirn- und Herzfunktionen in der medizinischen Diagnostik statt durch elektrische Messungen über die hervorgerufenen Magnetfelder detektieren, wäre dies ein großer Durchbruch bezüglich Geschwindigkeit und Qualität der Diagnosen.
Zurzeit scheitert dieses Ziel an der Verfügbarkeit geeigneter höchstempfindlicher Sensoren. Zudem funktionieren die heute verfügbaren Sensoren nur bei Tiefsttemperaturen. Neue Nanomaterialien versprechen hier einen Durchbruch.
Dank eines neu bewilligten Sonderforschungsbereiches (SFB) an der Universität Kiel können diese Fragen in den nächsten Jahren wissenschaftlich untersucht werden. Wissenschaftler aus drei Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie in Itzehoe haben sich die Entwicklung einer neuartigen, ungekühlten und unabgeschirmten biomagnetischen Schnittstelle zum Ziel gesetzt. In der langfristigen Perspektive könnte ein derartiges Sensorsystem aber nicht nur die medizinische Diagnostik und Behandlung verbessern, sondern auch Prothesensteuerung durch Gedanken, optimiertes Lernen oder die Verwirklichung neuartiger Körperüberwachungsfunktionen ermöglichen.
Der SFB 855 "Magnetoelektrische Verbundwerkstoffe – Biomagnetische Schnittstellen der Zukunft" ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre bewilligt und wird in dieser ersten Förderperiode mit rund 11,5 Millionen Euro finanziert. Sprecher ist Professor Eckhard Quandt. "In diesem Sonderforschungsbereich versprechen wir uns durch die stark interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physik, Materialwissenschaft, Elektrotechnik und Medizin die Entwicklung ganz neuartiger Magnetfeldsensoren, die speziell ausgelegt sind für wissenschaftliche und diagnostische Fragestellungen in Neurologie und Kardiologie", so Quandt.
Konkret geht es um die Aufzeichnung von Gehirn- und Herzströmen über deren Magnetfelder. Dies ist zwar bereits heute möglich, jedoch sind die Messungen bisher mit erheblichem Aufwand verbunden, so dass diese Techniken nahezu keinen Eingang in die medizinische Praxis gefunden haben. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, müssen nämlich äußere Magnetfelder stark abgeschirmt und herkömmliche biomagnetische Schnittstellen extrem aufwändig auf ca. -270°C gekühlt werden. Die neue Schnittstelle, deren Entwicklung sich die Forscher im SFB 855 zum Ziel gesetzt haben, soll dagegen ohne Kühlung und langfristig sogar ohne Abschirmung auskommen. Auch die Richtung von Magnetfeldern, zudem aus größerer Tiefe als bisher, könnten die neuen Sensoren ermitteln. Dadurch ergeben sich neue Anwendungen in Magnetoenzephalografie und Magnetokardiografie. So könnten sich beispielsweise Hirnschrittmacher zukünftig sehr viel zielgerichteter einsetzen lassen, ein wichtiges Ziel der gerade genehmigten ersten Förderperiode.
Voraussetzung hierfür sind neue Signalverarbeitungsstrategien und höchstempfindliche Sensoren für extrem kleine Magnetfelder. An deren Entwicklung, angefangen bei den physikalischen Grundlagen über die Herstellung aus Verbundwerkstoffen bis hin zur Anwendbarkeit in Kardiologie und Neurologie, sind an der CAU die Technische, die Mathematisch-Naturwissenschaftliche und die Medizinische Fakultät beteiligt.
"Mit dieser interdisziplinären Einrichtung wird auch unser Förderschwerpunkt Nanowissenschaften und Oberflächenforschung gestärkt", freut sich CAU-Vizepräsident Professor Siegfried Wolffram über den neuen SFB. "Die potenziellen Anwendungsbereiche machen deutlich, wie lohnend die Investition in diese Forschung ist. Außerdem ist die Bewilligung ein weiterer Beleg für die hervorragenden Voraussetzungen, die wir in Kiel für die Erforschung nanotechnologischer und oberflächenwissenschaftlicher Fragestellungen geschaffen haben", unterstreicht Wolffram. "Dieser Erfolg ist eine wichtige Grundlage für neue Ideen der Kieler Universität in der Exzellenzinitiative."
Der Wissenschaftsstandort Kiel wird durch den SFB gestärkt, an der CAU werden etwa 30 neue Stellen für Wissenschaftler geschaffen. Auch die Forschungskooperation in der Region wird durch die Zusammenarbeit von Universität und Fraunhofer-Institut weiter ausgebaut.
Fotos zum Thema finden Sie unter:
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2009/2009-121-1.jpgCopyright: CAU, Foto: Jürgen Haacks
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2009/2009-121-2.jpgCopyright: CAU, Foto: Jürgen Haacks
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2009/2009-121-3.jpgCopyright: CAU, Foto: Jürgen Haacks
Kontakt:
Jirka Niklas Menke | Christian-Albrechts-Universität
Weitere Informationen:
http://www.uni-kiel.de
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