Nachwachsende Rohstoffe ergänzen natürliche Ressourcen

Laut Statistik steigt nicht nur weltweit, sondern auch im industriell geprägten Deutschland der Verbrauch an Düngemitteln von Jahr zu Jahr an. Hierzulande werden allerdings immer mehr Energiepflanzen wie Raps, Mais oder seit neuestem auch Chinaschilf (Miscanthus) angebaut.

Natürliche Ressourcen wie Erdöl, Erdgas oder andere, sogenannte fossile Energieträger belasten nicht nur die Umwelt, sondern sie sind endlich. Dies weiß man trotz der Optimismus verbreitenden Explorationsfirmen, die immer neue Lagerstätten entdecken. Dieser Sachverhalt führt unmittelbar zur Einsicht, dass in Deutschland vermehrt der Anbau nachwachsender Rohstoffe zu betreiben sei. Sie müssen nicht importiert werden und verbessern somit die Handelsbilanz. Überdies fällt durch sie auch die Ökobilanz deutlich vorteilhafter aus.

Neue Energiepflanzen mit Mehrfach-Nutzen sind demnach gegenwärtig stark gesucht und nachgefragt, wie das hier unlängst geschilderte Biotech-Projekt „Naturkautschuk aus kasachischem Löwenzahn“ zeigt. Doch bevor nachwachsende Rohstoffe angebaut werden, müssen sie in ihren Vor- und Nachteilen für den einheimischen Anbau von Experten beurteilt werden.

Inzwischen gibt es mehrere Unis oder andere staatliche Forschungsinstitute, die diese nicht leichte Aufgabe bewältigen. Als wichtigste bundesweite Anlaufstelle z.B. für Agrar-Unternehmen oder Landwirte, gilt jedoch die FNR – Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, die vom Bundes-Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) gefördert wird. Hier ist seit 2005 der Forschungsverbund „Entwicklung und Vergleich von Standort-angepassten Anbausystemen für Energiepflanzen“ (EVA) angesiedelt. Dessen Experten und Broschüren informieren umfassend, wie ein nachhaltiger, produktiver und rentabler Anbau von nachwachsenden Rohstoffen anzugehen ist.

Förderung von F & E-Projekten

Primäre Aufgabe der FNR ist die Übernahme von Projekt-Trägerschaften. Zur finanziellen wie wissenschaftlichen Unterstützung können privatwirtschaftliche Vorhaben aus dem Bereich F & E (Forschung und Entwicklung) eingereicht werden, ebenso wie die Entwicklung von Produktlinien, die von der Erzeugung bis zur praktischen Anwendung und hin zur Entsorgung reicht. Für solche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben wurde das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ vom BMELV ins Leben gerufen, das im laufenden Jahr dafür insgesamt 53 Mio. Euro zur Verfügung stellt. Weitere 9 Mio. Euro Fördergelder kommen aus dem Energie- und Klimafonds des BMBF für Bio-Energien.

Die FNR berät und unterstützt überdies Interessenten bei einem Einstieg in Förder- und Kooperationsprojekte der EU sowie der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Eine Projekt-Datenbank rundet das Angebot ab. Forschung und Entwicklung von Produkten sowie Verfahren im Bereich „Nachwachsende Rohstoffe“ werden aber auch von anderen Organisationen unterstützt und gefördert, z.B. von der EU, der Bundesregierung und den Bundesländern.

Bemerkenswerte Zunahme der Anbauflächen

In Deutschland werden 2011 auf 2282500 Hektar Ackerland eine Vielzahl von Energie- und Industriepflanzen angebaut, schätzt die FNR. Diese Fläche entspricht ca. 19 % der gesamten Ackerflächen im Land und einem Anstieg von ca. 7 % gleich 150000 Hektar gegenüber dem Vorjahr. Um die gleiche Zahl von 150000 Hektar wuchs die Anbaufläche von Pflanzen, die zur Biogas-Erzeugung dienen und um weitere 10000 Hektar, auf denen Energiepflanzen wachsen, die der Herstellung von Bioethanol dienen. Doch derzeit klaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch Welten. Weil der neue Biokraftstoff von den Kunden an der Tankstelle nicht so recht akzeptiert wird, wollten die Mineralölkonzerne E 10 aus dem Angebot nehmen und der Politik der nachwachsenden Rohstoffe die rote Karte zeigen. Die Bundesregierung setzte sich jedoch mit ihrer postwendenden Forderung durch, weiter den Super-Benzin-Ersatz E 10 an Tankstellen anzubieten.

Raps für Biodiesel oder reines Pflanzenöl werden 2011 in Deutschland auf einer um 30000 Hektar gegenüber dem Vorjahr reduzierten Fläche angebaut. Dennoch bleibt Raps hierzulande die bedeutendste Energie- und Industriepflanze, zu der sie sich in den letzten 10 Jahren entwickelte. Mit Rapsöl können auch Blockheizkraftwerke (BHKWs) sowie Ölheizungen betrieben werden, wenn sie entsprechend aus- bzw. umgerüstet werden. Auch in Biogas-Anlagen kann Raps als Substrat zur Wärme- oder Stromerzeugung eingespeist werden.

Obwohl weitgehend CO2-neutral leidet Raps als Bioenergieträger jedoch unter seiner Verwendung als proteinreiches Tierfutter. Überdies kann die Düngung der Rapsfelder mit Stickstoff zur Bildung von Di-Stickstoffoxid (N2O = Lachgas) führen, einem über 300-fach stärker als CO2 wirkenden Treibhausgas. Auch die Weiterverarbeitung zu Biogas oder Pflanzenöl für die Küche sowie zu Biodiesel verbraucht Energien, noch negativer ist der erhebliche Wasserbedarf der Pflanze für ihr Wachstum einzuschätzen. Schließlich haben die Auswirkungen des Einsatzes von Raps als Biokraftstoff auf die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel einen unangenehmen Beigeschmack.

Tendenziell werden jedoch Kulturpflanzen, die zur Biogas-Erzeugung dienen, verstärkt angebaut. Von mangelndem Marktangebot kann keine Rede sein. Es sind insbesondere Mais und Getreide, auf die das Dilemma „Teller oder Tank“ gemünzt ist. Spürbar ist dies weniger in unseren Breiten als in Entwicklungsländern, wo Regierungen an ausländische Agrarfirmen große Agrarflächen vermieten oder verpachten. Diese Unternehmen bauen auf den fruchtbaren Feldern Energiepflanzen an und exportieren ihre Ernten in ihr Herkunftsland. Dies bringt der Regierung zwar Devisen, den Einwohnern jedoch kaum zusätzliche Mahlzeiten.

In Deutschland wird neben Getreide und Mais derzeit der großflächige Anbau von Hirsearten oder der Durchwachsenen Silphie (Silphium perfoliatum) erprobt. Letztere stammt aus Nordamerika und ist beliebt wegen ihrer großen Biomasse bei gleichzeitig niedrigem Wasserverbrauch. Ihre Nutzung als Energiepflanze ist noch im Stadium der Prüfung, wobei Ergebnisse von 18…28 Tonnen Trockenmasse zu großen Hoffnungen Anlass geben.

Noch positiver klingen die Töne beim Anbau von festen Brennstoffen. Hier sind schnell wachsende Baumarten gefragt wie Pappeln, Weiden und Robinien, aus denen Agrarholz hergestellt wird. Besonders aufgefallen war den Bio-Experten das sehr schnell wachsende Schilfgras Miscanthus, das bis zu 4 m hoch wird. Es wird bereits großflächig von einem sächsischen Biosprit-Hersteller eingesetzt, der seit über einem Jahr Biokraftstoffe im industriellen Maßstab herstellt. Zurückgegangen ist in Deutschland der Anbau von Hanf und Flachs im vergangenen Jahr.

Mehr Forschung führt zu höheren Erträgen

Angesichts der zahlreichen Faktoren, die es bei der Aussaat und dem Aufwachsen der Energiepflanzen für einheimische Ressourcen und dem Umweltschutz zu beachten gilt, spricht Vieles für einen verstärkten Einsatz der modernen Biologie, speziell der Gentechnik. Erhalten die Pflanzen ein perfekteres Gen-Profil zur Ausbildung von mehr Biomasse und besserem Schutz vor Parasiten, kann auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet werden – bei gleichzeitig höheren Ernteausbeuten.

Voraussetzung für einen zielgerichteten Umgang mit Energiepflanzen ist die Biotechnologie, speziell die Sequenzierung von Pflanzen-Genomen und die grüne Gentechnik. Manche Energiepflanzen können durch Gentransfer 50…300 % mehr Biomasse bilden, wie Max-Planck-Evolutionsbiologen um Prof. Weigel bereits vor einigen Jahren entdeckten. Die DNA von Raps, Weizen sowie mehrerer, mit ihm verwandter Gräserarten wurde bereits entschlüsselt. Somit können die Genforscher den Ertrag und die Widerstandsfähigkeit der in Frage kommenden Pflanzen gegenüber Krankheiten und Schädlingen deutlich verbessern.

Mit dem seit wenigen Jahren praktizierten Pharming, d.h. der Herstellung pharmakologischer Wirkstoffe in Pflanzen mittels Gentransfer, eröffnete sich ein neuer lukrativer Horizont für die Agrar- bzw. Landwirtschaft. Pharming sei deutlich preiswerter, sagen die Experten, und man könne die großen Fermenter einsparen. Das Geschäft mit medizinischen Wirkstoffen könnte sinnvollerweise durch eine lukrative Zweitverwertung der Pflanze, z.B. zur Biogas-Herstellung, ergänzt werden. Das Wissen aus den Pflanzen-Genomen könnten Züchter weiter nutzen, um schneller neue, zielgerichtete Sorten zu entwickeln. So baut die BASF im Labor derzeit gentechnisch optimierten Raps an, der deutlich mehr gesunde, langkettige Omega-3-Fettsäuren hervorbringt.

Die Bayer CropScience AG und das auf Pflanzen spezialisierte israelische Biotech-Unternehmen Evogene Ltd., Rehovot, dechiffrieren gemeinsam das Weizen-Genom und haben inzwischen über 200000 SNPs (Single Nucleotide Polymorphism) identifiziert, von denen viele innerhalb des Genoms eine Rolle für das Wachstum oder Aussehen der Weizenpflanze spielen. Diese SNPs, teilt Bayer mit, liefern die aussagekräftigsten Informationen hinsichtlich bestimmter Pflanzeneigenschaften und könnten als Biomarker in der Züchtungsforschung eingesetzt werden. Ihre Identifizierung und Kartierung innerhalb des Weizengenoms seien wichtige Schritte auf dem Weg, die Eigenschaften der Pflanze durch fortschrittliche Züchtungsmethoden zu optimieren.

Ende 2010 schlossen Bayer und Evogene einen Vertrag bis 2015, um die Einführung besserer Weizensorten zu beschleunigen. Sie sollen höhere Erträge, eine Dürretoleranz der Pflanze sowie den effizienteren Einsatz von Düngemitteln mit sich bringen. „Wir wollen Weizen weiterentwickeln, um Problemen wie dem Klimawandel und dem Rückgang der Mineralstoffvorräte für Düngemittel zu begegnen“, sagte Dr. Mathias Kremer, Leiter des Geschäftsbereichs BioScience von Bayer CropScience. Hinsichtlich der Düngemittel gab es kürzlich viel Wirbel.

In den Medien wurde verbreitet, die weltweiten Vorräte für Phosphor, einem wesentlichen Dünger-Bestandteil, würden nur noch für ca. 100 Jahre reichen. Dabei ließ man, eventuell absichtlich, die Tatsache außer Acht, dass auf dem Grund der Weltmeere noch große Mengen solcher Rohstoffe liegen.

Dass die Bundesregierung die Sicherung der Rohstoffversorgung des Industrie-Standorts Deutschland stärker sichern möchte, zeigt die Gründung des Helmholtz-Instituts für Ressourcen-Technologien am 29.8.2011 in Freiberg/Sachsen, dem früheren Bergbau-Zentrum. An dem Forschungs-Institut sollen neue Methoden entwickelt werden, um seltene Erdelemente zu erschließen und mittels biotechnologischer Verfahren zu nutzen. Dazu zählen z.B. die seltenen Metalle Lanthan, Ytterbium und Thulium, die in modernen Laptops, Mobiltelefonen und anderen High-Tech-Geräten stecken. Die vorerst fünf, binnen weniger Jahre rund 100 wissenschaftlichen Mitarbeiter des HZF (Helmholtz Zentrum Freiberg) werden sich auf Rohstoff-bezogene Forschungsthemen konzentrieren.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan nannte das HZF einen „zentralen Teil unserer nationalen Rohstoff-Strategie“. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, sprach in seiner Eröffnungsrede vom „rohstoffarmen Deutschland“, das besonders „innovative Technologien zur Gewinnung von mineralischen und metallhaltigen Rohstoffen für die Industrie entwickeln“ müsse, die auch unkonventionelle Vorkommen wie die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Mülldeponien umfassen.

Starke Finanzkräfte werden benötigt
Neben der Innovationskraft gilt der Finanzkraft der Biotech-Unternehmen ein besonderes Augenmerk. Ohne die nötigen finanziellen Mittel kann ein Biotech-Unternehmen, das oft aus einem Start-up hervorging, kaum rasch wachsen und die firmeneigene Forschung voranbringen. Dieser Fakt ist besonders in Zeiten von Turbulenzen in der Finanzwirtschaft beachtenswert. Die Biotechnologie-Branche konnte im ersten Halbjahr 2011 weltweit rund 19,3 Mrd. Dollar als Investitionskapital verbuchen. Damit sei man auf gutem Weg, berichtet der US-Branchendienst BioCentury, bis zum Jahresende das bisherige Rekordergebnis von 33,1 Mrd. Dollar aus dem Jahr 2000 zu übertreffen. Deutsche Biotech-Unternehmen konnten im ersten Halbjahr 2011 allerdings nur rund 66 Mio. Euro einwerben, wie das BMBF berichtet. In 2010 hatten sie zur gleichen Zeit bereits 300 Mio. Euro von ihren Investoren erhalten.
In der Pflanzen-Biotechnologie sind nur 24 von über 530 Biotech-Firmen tätig. Da auch dieser Geschäftsbereich sehr kapitalintensiv ist, dominieren hier Großunternehmen wie Bayer Crop Science oder BASF. Zunehmende Bedeutung erhält die Bioinformatik, ohne deren Fortschritte die z.B. in der Genom-Forschung generierten Datenmengen kaum zu bewältigen wären. Mit ihrer Hilfe können inzwischen aber auch komplexe biologische Prozesse simuliert und berechnet werden.

Freier Wissenschaftsjournalist, Brunnenstraße 16, 72074 Tübingen, Tel: 07071/253015

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