Kunstherz-Neuheit verzichtet auf Pulsschlag

Herzpumpe im Röntgen: Propeller ersetzt Pulsschlag (Foto: Texas Heart Institute)<br>

Künstliche Herzen müssen den Pulsschlag nicht nachahmen, um einen Menschen am Leben zu erhalten. Herzchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover präsentieren im „Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery“ den Einsatz eines Kunstherzes, das Blut statt im Pulstakt mit kontinuierlich wirkenden Rotoren durch den Körper pumpt und dabei das menschliche Herz vollständig ersetzt.

„Wir haben somit bewiesen, dass alle menschlichen Organe auch ohne Pulsschlag funktionieren“, erklärt Programmleiter Martin Strüber von der Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgen http://dgthg.de im pressetext-Interview.

Rein künstliches Herz

Technisch ist die Entwicklung keine Neuheit. Das grundlegende Antriebssystem, bei dem Rotorpumpen die Herzventrikel in ihrer Tätigkeit unterstützen (Ventricular Assist Devices, VAD), gibt es bereits seit einigen Jahren. „Bei etwa 30 unserer Patienten wurden derartige Pumpen gleichzeitig auf der rechten und linken Herzseite eingebaut“, berichtet Roland Hetzer, Leiter der Klinik für Herz-Thorax- und Gefäßchirurgie des Deutschen Herzzentrums Berlin http://dhzb.de , auf pressetext-Anfrage.

Bei bisher erst einem deutschen Patienten dienten die Pumpen nicht bloß als Unterstützung, sondern als kompletter Ersatz des ursprünglichen Herzens, von dem somit kein Gewebe mehr notwendig war. Statt 50 bis 100 Mal pro Minute wurde der Körper durch den Propeller laufend mit Blut versorgt. „Die bisherige Sorge, dass eine stärkere Pumpleistung auf der rechten Seite – etwa nach dem Trinken – durch komplizierte Algorithmen links ausgeglichen werden muss, erwies sich als überflüssig. Das System reguliert sich selbst“, berichtet Strüber.

Überleben ohne Puls

Der deutsche Patient erhielt das Kunstherz allerdings nur zur 100-tägigen Überbrückung bis zum Einsatz eines Spenderherzens. „Ein Kunstherz zu tragen bedeutet, komplett auf die Pumpen angewiesen zu sein, die je über eine unabhängige Steuereinheit außerhalb des Körpers verfügen, die wiederum mit einem Akku betrieben werden und einen weiteren in Reserve haben. Diese beiden Pakete aus Steuereinheiten und Akkus schränken die Lebensqualität erheblich ein. Jeder Batteriewechsel ist ein Risiko – denn vergisst der Patient nur einmal aufs Laden, würde er sofort tot umfallen“, verdeutlicht der Experte. Die Geräte werden derzeit für diese neuen Einsatzmöglichkeiten modifiziert.

Immerhin steht jedoch nun fest, dass der Mensch zum Überleben keinen Pulsschlag braucht, denn körperliche Probleme blieben aus. Bei langfristiger Anwendung rechnet Strüber dennoch mit Folgen, die es noch zu erforschen gilt: „Die Blutgefäße dürften sich auf lange Sicht dennoch verändern, etwa durch die Ausdünnung der Aorta und anderer Arterien. Zudem sind auch psychische Folgen durch das Fehlen des Herzschlages denkbar.“

50 Kälber und drei Menschen

Emsig weitergeforscht wird derzeit am Texas Heart Institute http://texasheart.org , wo die Technik bereits bei 50 Kälbern und drei Menschen erfolgreich angewandt wurde. Die dort leitenden Forscher Billy Cohn und Bud Frazier haben die Technik soeben auf „Popular Science“ präsentiert http://bit.ly/yBM0Cw und konnten für die Weiterentwicklung bereits Geldgeber an Land ziehen. Zugute kommen wird sie jedoch nur wenigen Patienten: „Der vollständige Ersatz des Herzens durch eine künstliche Version ist nur bei sehr wenigen Indikationen nötig“, betont Herzchirurg Hetzer.

Link zum Originalartikel: http://jtcs.ctsnetjournals.org/cgi/content/extract/143/2/507

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

Weitere Informationen:

http://www.mh-hannover.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Eine neue Art der Kühlung für Quantensimulatoren

Stabilere Quantenexperimente werden an der TU Wien mit neuartigen Tricks möglich– durch ausgeklügeltes Aufspalten von Bose-Einstein-Kondensaten. Immer wieder hat man bei Quantenexperimenten mit demselben Problem zu kämpfen, egal ob es…

Eigenständiger Gedächtnistest per Smartphone kann Vorzeichen von Alzheimer erkennen

Digitaler Ansatz soll Weg für bessere Frühdiagnostik bereiten. Mit speziellen Testaufgaben auf dem Smartphone lassen sich „leichte kognitive Beeinträchtigungen“ – die auf eine Alzheimer-Erkrankung hindeuten können – mit hoher Genauigkeit…

Der Klang der idealen Beschichtung

Fraunhofer IWS transferiert mit »LAwave« lasergestützte Schallanalyse von Oberflächen in industrielle Praxis. Schallwellen können auf Oberflächen Eigenschaften verraten. Parameter wie Beschichtungsqualität oder Oberflächengüte von Bauteilen lassen sich mit Laser und…

Partner & Förderer