Schwieriger Blick ins Gehirn

Funktionelle Aktivierung des Thalamus (kleine runde Gebiete hinter den Augen) und der visuellen Hirnrinde von Primaten. Im Hintergrund sind die Blutgefäße des Gehirns zu sehen. Bild: Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik/Bruno Weber/Anna-Lena Keller<br>

fMRT-Aufnahmen machen Stoffwechselvorgänge im Gehirn sichtbar, die aufgrund von vermehrter Gehirnaktivität entstehen. Rückschlüsse auf den Ort einer Aktivität können in Form von Wahrscheinlichkeiten berechnet werden. Große Fortschritte in der Scanner-Technologie, bei den Bildakquisitionsprotokollen, im experimentellen Aufbau und in den Analysemethoden verheißen die Entwicklung der Methode von bloßer Kartographie hin zu einem echten Werkzeug, das es erlaubt, die Funktionsweise des Gehirns besser zu verstehen (Nature Review, 12. Juni 2008).

Bisher existieren noch fundamentale Fragen hinsichtlich der Interpretation von fMRI-Daten. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen ignorieren jedoch häufig die realen Grenzen der Methode. Diese haben nichts mit der Physik an sich oder mit Mängeln der Technik zu tun. Sie lassen sich kaum durch eine Verbesserung der technischen Perfektion und Leistungsfähigkeit der Scanner beseitigen. Stattdessen liegen diese Begrenzungen im funktionellen Aufbau des Gehirns. Dem wird in den Versuchsprotokollen häufig nicht Rechnung getragen.

Das fMRI-Signal kann funktionsspezifische und modulierende Prozesse, wie Signalübertragung in der Hierarchie der Gehirnareale, d.h. von unten nach oben und von oben nach unten, nicht einfach unterscheiden. Darüber hinaus, besteht die Möglichkeit, dass Erregung und Hemmung bestimmter Gehirnareale nicht unterschieden werden können. Die Stärke des fMRI-Signals lässt sich nicht so quantifizieren, dass sie exakt Unterschiede zwischen Gehirnregionen oder zwischen Aufgaben innerhalb derselben Region widerspiegelt.

Es gibt Regionen in der Großhirnrinde, in denen reiz- oder aufgabenbezogene Verarbeitungskapazitäten nur spärlich vorhanden sind, was sich unter anderem in der Aktivierung einer nur sehr kleinen Anzahl von Nervenzellen zeigt. Dahingegen können Prozesse, die nicht unmittelbar an der spezifischen Informationsverarbeitung beteiligt sind, aber den Zustand des Gehirns beeinflussen, wie zum Beispiel Motivation, Aufmerksamkeit, Lernvorgänge und Gedächtnisprozesse, die Durchblutungsregulation des Gehirns dominieren und es unmöglich machen, die Leistung bzw. den Beitrag zu ermitteln, die ein Hirnareal bei der Bewältigung einer bestimmten Aufgabe erbringt. Die Beeinflussung der Zellaktivität durch modulierende Botenstoffe beeinflusst wahrscheinlich auch die räumliche und zeitliche Auflösung des fMRI-Signals.

Trotz aller Unzulänglichkeiten ist die fMRI momentan das beste Werkzeug, das wir haben, um Einblicke in die Funktionsweise das Gehirns zu gewinnen, und um interessante und überprüfbare Hypothesen zu formulieren, auch wenn die Plausibilität dieser Hypothesen entscheidend von der verwendeten MR-Technologie, dem Versuchsprotokoll, der statistischen Analyse und einer aufschlussreichen Bearbeitung abhängt.

Jedoch ist die fMRI nicht die einzige Methode, bei der es eindeutige und ernst zu nehmenden Grenzen zu beachten gilt. Auch elektrische Messungen der Gehirnaktivität, die es erlauben, von einzelnen Zellen oder kleinen Zellgruppen abzuleiten, schaffen es nicht, erschöpfende Antworten auf Fragen der Netzwerkaktivität zu geben. Einzelzellableitungen und das Kodierungskonzept der Entladungsraten passen besser in eine Untersuchung von Zelleigenschaften als in eine Studie, in der die Verarbeitungskapazität neuronaler Ensembles und ganzer Netzwerke bestimmt werden soll. Feldpotenziale (lokale Hirnströme) haben viel mit der Mehrdeutigkeit gemein, die dem fMRI-Signal zueigen ist.

Keine der genannten Techniken kann die anderen ersetzen. Heute erfordert die Erforschung normaler Hirnfunktionen und deren krankhafter Veränderungen mehr denn je einen multimodalen Ansatz. Zu einem solchen Ansatz gehören weitere Verbesserungen der MRI-Technologie und deren Kombination mit anderen nichtinvasiven Techniken, wie direkte invasive Messungen der elektrischen Aktivität des Gehirns. Besonders wichtig sind jedoch ein gründliches Verständnis der neuronalen Mechanismen hämodynamischer Reaktionen und eine möglichst enge Verknüpfung von Versuchsreihen an Mensch und Tier, um die Übereinstimmungen zwischen Menschen und anderen Primaten ganz genau zu kennen. Nur an Letzteren lässt sich mittels invasiver elektrophysiologischer und pharmakologischer Tests untersuchen, wie Netzwerke von Nervenzellen kognitive Leistungen erbringen.

Behauptungen, dass computerunterstützte Methoden und nichtinvasives Neuroimaging ausreichen sollten, um die Funktionsweise des Gehirns und deren Störungen gut genug zu verstehen, sind falsch. Wenn wir wirklich wissen wollen, wie unser Gehirn funktioniert, können wir auf keine der relevanten Methoden verzichten, insbesondere nicht auf methodische Ansätze, die uns direkt Informationen von den eigentlichen neuralen Elementen hinter allen unseren kognitiven Fähigkeiten liefern.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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