Lernaktiv im Schlaf – Schlafqualität wichtig für unser Gedächtnis

Immer häufiger wird zu Aufputschmitteln gegriffen, um noch mehr arbeiten zu können oder um in den endlosen Partynächten am Wochenende mitzuhalten. Schlaf wird als vergeudete Zeit empfunden – dabei ist er doch für unseren Körper und unsere Psyche lebensnotwendig. Auch unser Gedächtnis, unser Wissen und unsere Fähigkeiten hängen stark davon ab, ob wir ausreichend und entspannt schlafen.

Im Schlaf gespeichert

Das Erlernen von Fähigkeiten oder Wissensinhalten setzt die Behaltensfähigkeit – also ein Gedächtnis – voraus. Bis ins hohe Alter ist das menschliche Gehirn in der Lage, neues Wissen zu verarbeiten und zu speichern. „Wenn man etwas lernt, dann bilden die Nervenzellen im Gehirn neue Verknüpfungen“, erläutert Dr. Hartmut Fahnenstich, Fachtherapeut für Hirnleistungstraining in der Memory-Clinic des Essener Elisabeth-Krankenhauses. „Je mehr wir unseren Kopf trainieren, desto dichter wird das Netz der Nervenzellen und umso schneller können wir die Informationen bei Bedarf abrufen. Um die Gedächtnisstruktur zu festigen, kann es notwendig sein, den Lernstoff einige Male zu wiederholen. Die Verknüpfungsvorgänge der Nervenzellen brauchen Zeit und dauern oft viele Stunden. Während des Wachzustandes muss das Gehirn allerdings auf verschiedene Reize reagieren und sie verarbeiten. Deshalb werden viele Informationen erst einmal kurzfristig gespeichert. Das Gelernte ist nun schon im neuronalen Netzwerk als Gedächtnisspur vorhanden, allerdings in einer noch nicht sehr verfestigten Form. Im Schlaf werden die lockeren Verknüpfungen erneut aktiviert und Eindrücke und Informationen längerfristig im Gedächtnis verankert.“

Zwei wichtige Phasen

Unser Schlaf ist kein gleichförmiger Vorgang. Wir durchlaufen dabei abwechselnd unterschiedliche Phasen. Wichtig sind die Tiefschlafphase und die Traumphase – auch Rapid-Eye-Movement-Phase oder kurz REM-Phase genannt. „Nicht nur beim Menschen, auch bei allen Säugetieren konnte dieses Schlafmuster nachgewiesen werden. Daher ist davon auszugehen, dass die Grobstruktur des Musters bereits seit mehreren Millionen Jahren vorhanden und von entscheidender Bedeutung ist“, weiß Fahnenstich. “Man geht heute davon aus, dass im Tiefschlaf in unseren Gehirnen die Verschiebearbeit der gespeicherten Daten – beispielsweise der Lerninhalte – stattfindet. Das Ordnen, Sortieren und Strukturieren erfolgt dann in der REM-Phase. Auch Erlebnisse des Tages werden jetzt bewertet und unbewusst unseren Erfahrungen zugeordnet. In der REM-Phase werden nicht nur neu aufgenommene Eindrücke verarbeitet, sondern auch die, die schon länger zurückliegen. Wenn neue Inhalte hinzukommen, werden bestehende Strukturen im Gehirn verändert oder umorganisiert. Traumbilder sind für uns wahrnehmbare Zeichen dieses Vorganges. Für die Speicherkapazität in unserem Kopf ist es aber auch wichtig, Dinge zu vergessen. Unser Gehirn sortiert daher Inhalte aus, die uns nicht wichtig erscheinen.“

Viele Studien verweisen mittlerweile auf einen engen Zusammenhang zwischen Schlaf und der Festigung von Gedächtnisinhalten. Menschen und auch Tiere schneiden nach einer durchschlafenen Nacht bei verschiedenen zuvor erlernten Aufgaben deutlich besser ab. Ständiger Schlafmangel verringert die Gedächtnisleistung insgesamt. Konsequenzen für alle, die ihre geistige Leistungsfähigkeit steigern wollen, so Fahnenstich: „Ausreichend Schlaf muss gewährleistet sein, und wer etwas Neues lernen möchte, sollte den Stoff vor dem Schlafengehen noch einmal wiederholen. Denn vor allem unmittelbar nach dem Lernen wachsen die Nervenverbindungen, die für das Erinnern wichtig sind, rasch. Und im Schlaf kann unser Gehirn diese Umbauarbeiten in aller Ruhe durchführen.“

Schlaf ist nicht gleich Schlaf

Aber nicht jeder Schlaf ist für unser Gedächtnis von gleicher Bedeutung. „Ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus zieht ein breites Spektrum krankhafter Erscheinungen nach sich, darunter verminderte Behaltensfähigkeit und ein schlechtes geistiges Reaktionsvermögen“, erklärt Prof. Dr. Hans Georg Nehen, Direktor des Essener Geriatrie-Zentrums Haus Berge. „Negative Auswirkungen haben auch Stress am Tag oder nächtliche Störungen wie Lärm. Solche Faktoren veranlassen unseren Körper, während des Schlafes vermehrt das Stresshormon Cortisol freizusetzen, welches die Speichervorgänge in den Gedächtnissystemen behindert.“ Alkohol, Kaffee, schwarzer Tee oder Medikamente können ebenfalls einen lernaktiven Schlaf verhindern. Schlafmittel sind besonders schlecht für die Behaltensfähigkeit. Nehen bezeichnet sie sogar als „negative Beschleuniger für das Vergessen“. Je nach Wirkdauer der Medikamente kann es auch noch am Folgetage zu einer Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit kommen. Darüber hinaus behindern Schlafmittel das Gehirn bei seiner Speicherarbeit. „Alle heute existierenden Schlaftabletten verändern in unterschiedlicher Weise das Schlafmuster. Je nach Medikament nimmt der Anteil des besonders erholsamen Tiefschlafes, aber auch des REM-Schlafs ab. Mit Antidepressiva verschwindet der Traum-Schlaf fast vollkommen. Wir wissen, dass die abwechselnden Schlafphasen für das Verschieben und Sortieren der Daten im Gehirn unentbehrlich sind. Ein künstlich herbeigeführter Schlaf kann für unsere geistige Fitness daher nie so gut sein wie der natürliche“, so Nehen. „Patienten mit Ein- und Durchschlafproblemen kann mit synthetischen Mitteln kurzfristig geholfen werden. Gleichzeitig sollte man aber immer versuchen, die Ursachen der Schlafstörung durch andere Therapietechniken anzugehen. Allen, die unter Stress und damit verbundenen Schlafstörungen wegen bevorstehender Prüfungssituationen leiden, möchte ich allerdings raten, von Anfang an auf natürliche Einschlafhilfen wie beispielsweise Yoga oder Sport zu setzen. Denn so kann kein Betäubungsmitteleffekt ihr Gehirn darin hindern, auch noch im Schlaf Erlerntes abzuspeichern.“

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