Weniger Kollateralschaden bei Krebstherapie

Ligasen sind Enzyme, die dabei helfen zwei Moleküle miteinander zu verbinden. Die „RNA Ligase” sorgt zum Beispiel dafür, dass kopierte Stücke der DNA z.B. zu einer funktionsfähigen tRNA zusammengeklebt werden, die wiederum den Bauplan für die Herstellung von Proteinen liefert.

Neuer Ansatzpunkt für Krebstherapien

RNA Ligasen haben aber auch noch andere Funktionen, die bisher beim Menschen nicht eingehend erforscht werden konnten, weil die Zusammensetzung dieses wichtigen Enzyms unklar war. „Man weiß aus Studien an Hefen bereits, dass diese Ligasen an der Abwehr der Zelle gegen Stressfaktoren beteiligt sind“, erklärt IMBA Gruppenleiter Javier Martinez. Diese Funktionen sind auch in Säugetierzellen sehr wahrscheinlich und könnten ein wichtiger neuer Ansatz für Krebstherapien sein. Vor allem für die Behandlung verschiedener Arten von Brustkrebs und Leukämien, wo man bereits einen sehr engen Zusammenhang zwischen der Funktion des Enzyms und dem Ausbruch der Krankheit vermutet.

„Wenn wir einen Teil der Funktionen der Ligase gezielt blockieren, können wir viel spezifischer bei einer Krebstherapie vorgehen, als dies bisher möglich ist. Die Wirkung des Enzyms ist nämlich viel weiter unten in der Signalkaskade der Zelle angesiedelt als herkömmliche Angriffspunkte für Medikamente“, so Martinez. Man könnte sich als Vergleich einen Baum vorstellen, bei dem ein Blatt von einer Krankheit befallen ist. Natürlich kann man einen dicken Ast abschneiden, um das kranke Blatt loszuwerden. Wenn man aber nur einen dünnen Zweig abschneiden muss, ist der Schaden am gesamten Baum deutlich geringer.

Der neue Ansatz ist vielversprechend und wird sicher das Interesse der Pharmaindustrie wecken. Doch zuvor möchte Javier Martinez bei der Maus die Funktionen der Ligasen noch in vivo testen.

Wichtiges Stück Basisbiologie geklärt

Möglich wurde die Erforschung der Ligase-Funktionen und ihrer Rolle bei der Krebsbekämpfung nur, weil die Arbeitsgruppe rund um Martinez die komplette Zusammensetzung der Ligase Stück für Stück aufgeklärt hat. Der erste Erfolg in diesem Zusammenhang gelang 2011, als die Forscher erstmals die wichtigsten Grundbausteine des Enzyms beschrieben (Popow et al., Science 2011). Jetzt gelang dem jungen, begabten Wissenschaftler Johannes Popow wieder ein Durchbruch, der im renommierten wissenschaftlichen Journal Nature aktuell publiziert ist: ein wichtiges Protein ist an die Ligase gebunden, die sogenannte Archease. Ohne dieses Protein katalysiert das Enzym lediglich einen einzigen Verbindungsprozess. Erst durch die Archease kann das Enzym wieder regeneriert werden und ist erst dann für den nächsten Katalyseprozess bereit. Popow freut sich sehr, „dass wir diesen wichtigen Baustein gefunden haben und es durch unsere Aufklärung der Zusammensetzung der Ligase jetzt möglich ist, die Funktionen dieses wichtigen Enzyms näher zu erforschen und möglicherweise auch für die Medizin zu nutzen.“

Originalpublikation
J. Popow, J. Jurkin, A. Schleiffer, J. Martinez. Analysis of orthologous groups reveals Archease and DDX1 as tRNA splicing factors. Nature, 2014. DOI 10.1038/nature13284.

Über Johannes Popow
Johannes Popow studierte Biochemie an der TU Wien und der ETH Zürich, bevor er ans IMBA kam. In der Forschungsgruppe von Javier Martinez schrieb er seine Dissertation und klärte dabei die Funktion und die Zusammensetzung der menschlichen RNA Ligase auf. Seit kurzem erforscht er am EMBL in Heidelberg, Deutschland, wie Mutationen von neu entdeckten RNA bindenden Proteinen erbliche Krankheiten auslösen können.

Über Javier Martinez
Der gebürtige Argentinier studierte und arbeitete für verschiedene namhafte Institute in Deutschland, Schweden und den USA, bevor er 2004 als Gruppenleiter ans IMBA kam. Hier forscht er intensiv an den Mechanismen der RNA-Interferenz. Zu seinen Spezialgebieten gehört aber auch die Erforschung von Struktur und Funktionen sogenannter Mikro-RNAs. Gemeinsam mit seiner Gruppe sucht Martinez dabei nach Mikro-RNAs, die an der Entstehung und Metastasierung von Krebs beteiligt sind. Allein in den letzten Jahren konnte der begeisterte Biochemiker eine Reihe hochrangiger Publikationen als Erfolg verbuchen, darunter je drei Artikel in den renommierten Journalen Cell und Nature.

IMBA
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie ist ein international anerkanntes Forschungsinstitut mit rund 200 Mitarbeitern aus 25 Ländern. Die Wissenschaftler erforschen molekulare Prozesse in Zellen und Organismen und versuchen, Ursachen für die Entstehung humaner Erkrankungen aufzuklären. Zwölf wissenschaftliche Arbeitsgruppen arbeiten an biologischen Fragestellungen aus den Bereichen Zellteilung, RNA-Interferenz und Epigenetik, ebenso wie an unmittelbaren medizinischen Fragestellungen aus den Gebieten Onkologie, Stammzellforschung und Immunologie. Das IMBA ist eine 100% Tochtergesellschaft der ÖAW. www.imba.oeaw.ac.at

ÖAW
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist die führende Trägerin außeruniversitärer akademischer Forschung in Österreich und verfügt über ein Jahresbudget von rund 75 Millionen Euro. Ihre Forschungseinrichtungen beschäftigen insgesamt etwa 1.300 Personen und betreiben anwendungsoffene Grundlagenforschung in gesellschaftlich relevanten Gebieten der Natur-, Lebens- und Technikwissenschaften sowie der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. www.oeaw.ac.at

Rückfragehinweis
Mag. Evelyn Devuyst, MAS
IMBA-Kommunikation
+43 1 79044 3626
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