Weltpremiere: Transplantation einer künstlichen Bronchie

Das Team um Emmanuel Martinod führte diese Operation am 28. Oktober 2009 durch und begleitete den Patienten ein Jahre lang. Die Ergebnisse dieser Behandlung wurden im März 2011 in der internationalen Fachzeitschrift The Annals of Thoracic Surgery veröffentlicht [1].

Lungenkrebs ist die tödlichste Krebsform, und die beste Behandlungsmethode bestand bislang in der teilweisen oder vollständigen Entfernung des betroffenen Lungenflügels, in Abhängigkeit von der Lokalisation des Tumors. Bei der vollständigen Entfernung eines Lungenflügels – Pneumonektomie – liegt das Sterblichkeitsrisiko in den 90 Tagen nach der Operation bei 26%. Sie ist die riskanteste aller Operationen.

Bei der Pneumonektomie kommt es auch zu langfristigen Folgen: Der Patient kann zwar mit nur einem Lungenflügel leben, aber seine Atem- und Herzfunktion sind dadurch stark beeinträchtigt. Um Komplikationen zu vermeiden, versuchen die Chirurgen mindestens einen Lungenlappen zu erhalten [2].

Zu diesem Zweck wird der gesunde Teil der Bronchie ab der Trachea mit dem verbliebenen Teil der Bronchie in Höhe des Lungenlappens verbunden. Dieser chirurgische Eingriff wird jedoch in weniger als 1% der Fälle durchgeführt, da er gewisse Risiken birgt: Es muss ausreichend Lungengewebe entfernt werden, um das Risiko eines erneuten Auftretens des Krebs zu verringern, und gleichzeitig muss genügend Bronchialgewebe erhalten bleiben, um einen Bluthochdruck nach der Anastomose zu verhindern.

Bei der Operation an dem 78 Jahre alten Patienten konnten die Krebszellen mit einer höheren Sicherheitsmarge entfernt und die vollständige Ablation des Lungenflügels vermieden werden.

Die Versuche wurden im Labor von Alain Carpentier, Präsident der nationalen Wissenschaftsakademie, durchgeführt. Das Team um Emmanuel Martinod hat arterielles Gewebe aus einer Aorta genutzt, um eine rohrförmige Matrize zu erhalten. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Bronchialzellen diese Matrize besiedelten und Bronchialgewebe mit den charakteristischen Festigkeits- und Oberflächeneigenschaften bildeten. Das Bronchialgewebe setzt sich aus dem Epithelgewebe, das aus Zellen mit Flimmerhärchen (Zilien) besteht, und einer darunterliegenden Knorpelstruktur zusammen.

In etwa einhundert Operationen an einem Versuchsmodell konnte nachgewiesen werden, dass nicht nur das Aorten-Gewebe des Empfängers (autologe Transplantation), sondern auch das Gewebe von Gewebebanken genutzt werden kann, ohne das Kompatibilitätsprobleme auftreten. Ausgehend von den beiden Rändern des Transplantats besiedeln die Epithelzellen das Aorten-Innere und der Knorpelaufbau erfolgt über die körpereigenen Stammzellen des Patienten, die durch Entzündungsreaktionen zur Matrize des Transplantats wandern. Dem 78-jährigen Patienten wurde eine Stent eingeführt, um die Festigkeit des Transplantats zu gewährleisten.

Der große Vorteil dieser neuen Methode ist, dass sie keine Immunsuppressiva (unterdrücken die Abstoßung des Transplantats) voraussetzt. Diese Medikamente werden normalerweise bei Krebspatienten kontraindiziert, schwächen jedoch ihr Immunsystem. „Wir denken, dass wir die ideale Matrize gefunden haben“, erklärt Emmanuel Martinod, „aber wir müssen sehr vorsichtig bleiben. Wir starten jetzt eine Studie an 20 bis 30 Patienten, die von der Direktion der Abteilung klinische Forschung und Entwicklung der AP-HP geleitet wird.

Diese Studie wird das Sterblichkeits- und Komplikationsrisiko in den 90 Tagen nach dem Eingriff analysieren. Sie wird ebenfalls Antwort auf zwei wesentliche Fragen geben: Entwickelt sich das Transplantat zu einer neuen Bronchie wie in der Versuchsphase? Wird das Transplantat fest genug, so dass wir den Stent entfernen können?“

– [1] Originalpublikation: „Human Transplantation of a Biologic Airway Substitute in Conservative Lung Cancer Surgery“, The Annals of Thoracic Surgery – März 2011 – http://ats.ctsnetjournals.org/cgi/content/abstract/91/3/837?maxtoshow=&hits=10&RESULTFORMAT= &author1=Emmanuel+Martinod&andorexactfulltext=

and&searchid=1&FIRSTINDEX=0&sortspec=releva nce&resourcetype=HWCIT

– [2] Beim Menschen besteht der rechte Lungenflügel aus drei und der linke Lungenflügel aus zwei Lungenlappen.

Kontakt:

Eve Aulong – Aude Chaboissier – Anne-Cécile Bard, Kommunikationsabteilung, Assistance Publique – Hôpitaux de Paris, 3, av Victoria – 75004 Paris – Tel: 01 40 27 37 22 – E-Mail: service.presse@sap.aphp.fr

Quelle:

Pressemitteilung der staatlichen Krankenhauseinrichtung von Paris (AP-HP) – 03.03.2011 http://www.reseau-chu.org/les-articles/article/article/premiere-mondiale-greffe-dune-bronche-artificiellepour- eviter-une-ablation-complete-du-poum/#

Redakteurin: Claire Cécillon, claire.cecillon@diplomatie.gouv.fr

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