Zu viele Patienten leiden unnötig – Studien zeigen: Akute Schmerzen sind ein vermeidbares Übel

Auch Erwachsene müssen nach Operationen, aber auch bei internistischen und orthopädischen Erkrankungen noch zu oft leiden, und das unnötig, wie Studien zeigen.

Neue Techniken und Leitlinien sollen helfen, die Realität in den Krankenhäusern zu verbessern. Im „Global Year against Acute Pain“ stellt die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) das Thema Akutschmerz in den Mittelpunkt. Sie lädt am Vortag der Jahrestagung der Europäischen Schmerzgesellschaft EFIC in Hamburg (21.-24.9.2011) zum Satellitensymposium ein.

Auch beim Deutschen Schmerzkongress 2011 in Mannheim (5.-8.10.2011) werden neue Trends gegen akuten Schmerz vorgestellt.

Akuter Schmerz: Unnötig schlecht behandelt

Akute Schmerzen haben, anders als chronische, oft einen Sinn: Als Symptom einer Komplikation oder eines Krankheitsbildes kann Schmerz die Diagnosestellung erleichtern. „Das erklärt vielleicht, warum Studien dem Akutschmerz lange wenig Bedeutung beigemessen haben“, so Prof. Dr. Esther Pogatzki-Zahn, Mitglied der DGSS-Taskforce Global Year against Acute Pain. „Allerdings wissen wir heute, dass akute Schmerzen, z.B. nach einer Operation, Probleme bei der Genesung machen, Komplikationen hervorrufen und sogar chronisch werden können.“

Daher haben sich in den letzten Jahren internationale Wissenschaftler intensiv mit der Verbesserung der Akutschmerztherapie befasst. „Doch trotz vieler neuer Erkenntnisse und spezieller Leitlinien gibt es weiterhin eine schmerztherapeutische Unterversorgung von Patienten mit akuten Schmerzen“, so Prof. Pogatzki-Zahn.

Nicht stiefkindlich behandeln: Kinderschmerzen nach OPs

Beim Schmerzkongress widmen sich die Spezialisten dem bisher stiefkindlich behandelten Thema postoperative Schmerzen bei Kindern (Do. 6.10., 15-16.30 Uhr). Häufig werden z.B. Schmerzmedikamente aus Angst vor Nebenwirkungen unterdosiert, die Zeitintervalle zwischen den Medikamentengaben verlängert, nachts wird zu wenig oder gar nichts verabreicht, und „stark wirksame“ Substanzen wie Opioide werden ganz gemieden. Dabei ist der Einsatz von Opioiden bei Kindern nach Operationen prinzipiell einfach; effektive Wirkstoffe sind teils altbekannt, aber in Vergessenheit geraten. Das Symposium nimmt auch die Wirksamkeit und vermeintliche Sicherheit von Paracetamol im Kindesalter unter die Lupe. Neue Publikationen zeigen neben der bekannten Gefahr der Leberschädigung (auch in niedrigen Dosierungen) vor allem einen Zusammenhang zwischen der Gabe von Paracetamol und dem Auftreten allergischer Erkrankungen. Es stehen andere, zudem wirksamere Substanzen zur Verfügung.

Neue Trends und Ergebnisse: Wirksamkeitsunterschiede von Medikamenten

Ein Symposium des Schmerzkongresses befasst sich mit „Neuen Trends in der Akutschmerztherapie“ (Do. 6.10., 8.30 bis 10 Uhr). Es werden neue Regionalanalgesietechniken diskutiert, die nach einigen Operationsarten gleichzeitig effektiv und risikoarm zu sein scheinen. Ob und wann diese Techniken Vorteile, z.B. gegenüber einer Epiduralanalgesie, haben könnten oder zumindest gleichwertig sind, soll anhand der bisher vorhandenen Daten aus klinischen Studien diskutiert werden. Ebenso wollen die Spezialisten die Wirksamkeit verschiedener Nicht-Opiod-Analgetika (z.B. Paracetamol, Metamizol, NSARs, Coxibe) für Schmerzen nach Operationen und bestimmte Operationsarten differenziert bewerten. Daten aus mehr als 100 deutschen Kliniken deuten darauf hin, dass es deutliche Unterschiede in der Wirksamkeit der verschiedenen Medikamente gibt. Ob und inwieweit dies für Opioide gilt, wird ebenfalls diskutiert. Weiteres Thema: Psychologische Interventionen. Dazu gehört auch die Patienteninformation zum Schmerzmanagement vor Operationen. Sie dient u.a. der Wissenserweiterung, Verhaltenslenkung und Befindensbeeinflussung.

Herzschmerz, Schmerz in arabischen Ländern

Außerdem Thema beim Schmerzkongress: akute internistische und orthopädische Schmerzen (Fr. 7.10., 8.30 bis 10 Uhr). Speziell Angina pectoris-Schmerzen, akute Bauchschmerzen und Schmerzen nach Wirbelkörperfrakturen bei Osteoporose stehen auf dem Programm. Daneben finden sich im Programm anderer Symposien „versteckte“ Vorträge zum Akutschmerz wie „Akutschmerzdienste in arabischen Ländern – Welche Hindernisse müssen überwunden werden“ (Fr. 7.10., 15.30 Uhr) oder „Verbesserung der Qualität der Akutschmerztherapie – Welche Strukturen brauchen wir?“ (Fr. 7.10., 15.30 Uhr). „Diese Präsenz des Themas Akutschmerz auf dem Deutschen Schmerzkongress 2011 repräsentiert die Wichtigkeit, die die DGSS diesem Thema beimisst, nicht nur im Rahmen des ‚Globalen Jahres gegen den Akutschmerz‘“, unterstreicht Prof. Pogatzki-Zahn. „Letztlich kann nur die stete Thematisierung dazu beitragen, dass sich die Situation „vor Ort“ verbessert. Die Zukunft wird zeigen, ob diese und andere Aktionen die Therapie von Akutschmerz in der Praxis einen (Meilen-)Schritt weiterbringen können.“

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. med. Esther Pogatzki-Zahn, Taskforce DGSS Global Year against Acute Pain, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des UKM, Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A 1, 48149 Münster, Tel. 0251-8347261, E-Mail: pogatzki@anit.uni-muenster.de

Kongresstermine

7th Congress of the European Federation of IASP® Chapters (EFIC®)
21.-24. September 2011
CCH – Congress Center Hamburg
DGSS-Satellitensymposium
Acute Pain Management: “Yes, we can?”
20. September 2011
Hotel Hafen, Hamburg,
http://www.dgss.org/fileadmin/pdf/GYAAP_HH_11-09-20.pdf
Deutscher Schmerzkongress 2011
5. bis 8. Oktober 2011
Congress Center Rosengarten Mannheim

Media Contact

Meike Drießen idw

Weitere Informationen:

http://www.schmerzkongress2011.de

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