Tuberkulose: Erklärung für erfolgreiche Verbreitung multiresistenter Bakterien gefunden

Ein Forscherteam um Sébastien Gagneux (Basel) und Stefan Niemann (Borstel) hat jetzt heraus gefunden, warum sich die Bakterien so erfolgreich verbreiten können – und liefert damit einen Ansatz für bessere Kontrollmöglichkeiten. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Nature Genetics veröffentlicht: http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.1038.html

In Deutschland erkranken zirka 4.500 Personen pro Jahr neu an einer Tuberkulose. Die Krankheit wird durch das Mycobacterium tuberculosis ausgelöst und kann normalerweise gut mit Antibiotika bis zur vollständigen Heilung behandelt werden, unbehandelt oder bei Antibiotikaresistenzen kann die Krankheit tödlich verlaufen.

Über antibiotikaresistente Bakterien ist bereits bekannt, dass sie oft weniger virulent (d.h. sie haben eine geringere Darwinsche Fitness) als empfindliche (auf Antibiotika reagierende) Erreger sind, weil die Mutationen, die zu den Resistenzen führen, einen negativen Effekt auf den normalen bakteriellen Stoffwechsel haben. Damit sinkt die Überlebensdauer der Bakterien, dennoch haben multiresistente Tuberkulosebakterien in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Wissenschaftler Sébastien Gagneux, Tropen- und Public Health Institut, Basel (Schweiz), Stefan Niemann, Forschungszentrum Borstel und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung, und ihre Arbeitsgruppen haben jetzt eine mögliche Erklärung für die erfolgreiche Verbreitung dieser multiresistenten Bakterien gefunden. „Bislang wurde angenommen, dass die weltweite Zunahme der multiresistenten Tuberkulose vor allem auf Probleme in den Gesundheitssystemen zurückzuführen ist. Unsere Resultate deuten nun darauf hin, dass auch biologische Faktoren der Erreger eine Rolle spielen“, erläutert Sébastien Gagneux.

Die Forscher haben so genannte kompensatorische Mutationen in der RNA-Polymerase entdeckt, die zur einer Verbesserung der Fitness multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger beitragen, ohne aber zu einem Verlust der Resistenz zu führen. Spezifischer Anteil der Arbeiten aus Borstel war die Untersuchung der Bedeutung dieser Mutation bei einer grossen Anzahl klinischer Isolate. Genomanalysen von multiresistenten Stämmen ergaben, dass Kompensationsmutationen in den Ländern am häufigsten auftreten, in denen das Problem der multiresistenten Tuberkulose am bedeutendsten ist. „Dies deutet darauf hin, dass diese Kompensationsmutationen bei der Übertragung multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger generell eine wichtige Rolle spielen”, so Stefan Niemann.

In weiterführenden Studien in Borstel wird nun die Verbreitung von multiresistenten Stämmen mit besonders hoher Fitness durch kompensatorische Mutationen in Ländern mit hoher Tuberkulose-Inzidenz untersucht. Diese Erkenntnisse werden es ermöglichen, Kontrollstrategien anzupassen, um der Verbreitung von besonders virulenten und multiresistenten Tuberkulosestämmen entgegenzuwirken.

Über die Ergebnisse der Studie „Compensatory evolution in rifampicin-resistant Mycobacterium tuberculosis“ berichtet das Fachmagazin Nature Genetics aktuell auf seiner Website. Der Link zum Abstract: http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.1038.html

Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung
Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung, angesiedelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, verfolgt einen einzigartigen interdisziplinären Forschungsansatz, um die Ursachen der chronischen Entzündung zu entschlüsseln und Therapien zur Heilung zu entwickeln. Der Forschungsverbund bündelt die Kompetenzen von rund 200 GenetikerInnen, BiologInnen, ErnährungswissenschaftlerInnen und ÄrztInnen der Universitäten zu Kiel und Lübeck, des Forschungszentrums Borstel und des Max-Planck-Instituts Plön. Mehrere Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an chronischer Entzündung der Lunge (Asthma), der Haut (Schuppenflechte), des Darms (Morbus Crohn) und des Gehirns (Morbus Parkinson). Auslöser ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems: Unaufhörlich aktiviert es entzündliche Botenstoffe und Abwehrzellen und zerstört dadurch gesundes Gewebe. Dieses Phänomen der modernen Zivilisation ist zur Herausforderung für die Medizin des 21. Jahrhunderts geworden. 2007 erklärten deshalb die Bundesregierung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Entschlüsselung des komplexen Entzündungsmechanismus zu einem nationalen wissenschaftlichen Schwerpunkt.

Pressekontakt Exzellenzcluster Entzündungsforschung: Susanne Weller, M: +49.172.308 41 36, E: s.weller@weller-media.com

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