Tropenkrankeiten: sind afrikanische Kinder in ihrer Entwicklung benachteiligt?

Ein Team von Wissenschaftlern am BNI um Projektleiter Dr. Stephan Ehrhardt untersucht den Einfluss von Infektionserkrankungen auf die körperliche und geistige Entwicklung afrikanischer Kinder.

Eine wichtige Projektpartnerin ist Dr. Carola Bindt, Stellvertretende Ärztliche Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Weitere deutsche und afrikanische Kooperationspartner sind an dem auf drei Jahre angelegten Projekt beteiligt.

Infektionskrankheiten wie Malaria oder schwerer Wurmbefall sind in Afrika sehr häufig. Oft sind die Kinder von vielen verschiedenen Krankheitserregern gleichzeitig befallen. Vielfach erkranken sie schwer oder sterben an den Folgen der Krankheit. Zu den Beschwerden gehören unter anderem häufige Durchfälle. Sie führen zu Mangelernährung, da Nahrungsmittel nur unzureichend oder gar nicht mehr aufgenommen werden. Malaria hingegen kann, besonders bei schwerem Verlauf, den Sauerstofftransport im Blut derart vermindern, dass langfristige Schäden auftreten. Blutsaugende Würmer im Verdauungstrakt entziehen dem Körper zusätzlich Eiweiß und Nährstoffe, die dem Kind für seine geistige und körperliche Entwicklung fehlen. Weiterhin können soziale und psychische Risiken wie Armut, elterliche Überlastung bei rascher Geburtenfolge oder mütterliche Depressionen dazu führen, dass die Gesundheitsfürsorge für das Kind allgemein vernachlässigt wird. Erkrankte und geschwächte Kinder werden dann in ihrer Entwicklung nicht so gefördert, wie es in ihrer Situation notwendig wäre.

„Dieses Projekt ist sehr wichtig, da die Kindesentwicklung, und hier insbesondere die geistige Entwicklung, in den meisten Entwicklungsländern wegen knapper Ressourcen nur ungenau erfasst werden kann. Körperliche und seelische Gesundheit sind aber untrennbare Bestandteile der Gesundheit als Ganzes, “ urteilt Dr. Stephan Ehrhardt. Tropische Infektionskrankheiten würden zwar umfassend erforscht, wichtig sei es jedoch auch zu wissen, wie sich diese auf die Kindesentwicklung auswirkten, so Ehrhardt weiter. Es gilt herauszufinden, welche Kinder einem besonderen Risiko unterliegen, und zusammen mit den afrikanischen Partnern spezielle Hilfsangebote zu entwickeln. „Im afrikanischen Kontext betreten wir hier Neuland.“

Das Forscherteam vermutet, dass die frühkindliche Entwicklung durch verschiedene Infektionserkrankungen erheblich und umfassend negativ beeinflusst wird. Auch bei nicht-tödlichem Verlauf von Infektionserkrankungen können schwere körperliche sowie kognitive und emotionale Langzeitfolgen auftreten. Ziel des Projekts ist nun, Maßnahmen zu erarbeiten, um den möglichen Entwicklungsstörungen bei Kindern mit besonders hohem Risiko entgegen zu wirken.

Über das Projekt:
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert deutsch-afrikanische Kooperationsprojekte in der Infektionsforschung. Solche „Nord-Süd“ Kooperationen sollen vor allem Armutskrankheiten bekämpfen, die akademische Ausbildung afrikanischer Wissenschaftler fördern sowie die „Süd-Süd“ Vernetzung afrikanischer Forscher untereinander unterstützen. Um Nachhaltigkeit zu fördern, sind die Projekte langfristig angelegt.

Dr. Stephan Ehrhardt (AG Klinische Forschung am BNI) gelang gemeinsam mit führenden Experten ein konkurrenzfähiger Projektantrag in einem hochkompetitiven Umfeld. Gemeinsam mit Dr. Carola Bindt vom UKE erfasst er die frühkindliche Entwicklung, sowie die familiären und psychosozialen Risikobelastungen und entwickelt Maßnahmen zur Förderung der kindlichen Gesundheit. Die Wissenschaftler werden über zunächst drei Jahre den Einfluss häufiger Infektionserkrankungen auf die körperliche und mentale Kindesentwicklung bei Kindern in Ghana und der Elfenbeinküste ermitteln. Die Kinder werden ab der Geburt engmaschig untersucht. Infektionserkrankungen wie Malaria, Wurminfektionen oder Durchfallerkrankungen, die die kindliche Entwicklung beeinträchtigen können, sollen möglichst frühzeitig erkannt werden. Im Rahmen der Untersuchungen werden die körperliche, kognitive und emotionale Entwicklung der Kleinkinder sowie die elterliche psychosoziale Risikobelastung in regelmäßigen Abständen über mehrere Jahre erfasst.

Das Forscherteam erhofft sich neuartige Ansätze für psychosoziale Interventionen und eine gezielte Förderung von Kindern, die Gedeih-Defizite und Entwicklungsverzögerungen aufweisen. Die DFG bewilligte die Forschungsmittel für zunächst drei Jahre. Dann wird eine Begutachtung über eine weitergehende Förderung entscheiden. Insbesondere gegenüber den afrikanischen Partnern steht das Hamburger Wissenschaftlerteam in der Pflicht, dieses wichtige Thema mit aller Sorgfalt und unter Einbeziehung lokaler Gesundheitssysteme und -strukturen zu bearbeiten. Ehrhardt ist zuversichtlich, dass die Förderung auf acht Jahre ausgedehnt wird, damit das Projekt seine volle Wirkung entfalten kann.

Kontakt für die Medien:

Dr. Stephan Ehrhardt
Bernhard-Nocht-Institut
AG Klinische Forschung
Bernhard-Nocht-Str. 74
20359 – Hamburg
Tel.: +49-40-42818- 373
Fax: +49-40-42818- 265
E-Mail: ehrhardt@bni-hamburg.de
Dr. Carola Bindt
Stellvertretende Ärztliche Direktorin
Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
E-Mail: bindt@uke.de
Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin:
Als nationales Kompetenzzentrum dient das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) der Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten.

Gegenstand der Forschung sind Klinik, Epidemiologie und Krankheitsbekämpfung sowie die Biologie der Krankheitserreger, ihrer Reservoirtiere und Überträger. Den aktuellen Schwerpunkt bilden Malaria, hämorrhagische Fieberviren und Gewebewürmer. Für den Umgang mit hochpathogenen Erregern wie Lassa- und Ebola-Viren verfügt das Institut über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4).

In Zusammenarbeit mit dem ghanaischen Gesundheitsministerium und der Universität von Kumasi betreibt das BNI seit über 10 Jahren ein modernes Forschungs- und Ausbildungszentrum in Ghana, das auch externen Arbeitsgruppen zur Verfügung steht. Als herausragende wissenschaftliche Leistungen des BNI in jüngster Vergangenheit gelten die Identifizierung des SARS-Coronavirus und die Entdeckung eines bisher unbekannten Entwicklungsstadiums der Malaria-Erreger im Menschen.

Versorgungsleistungen des BNI umfassen die spezielle Labordiagnostik tropentypischer und anderer seltener Erkrankungen, eine enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr sowie Beratung für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, die wesentlich zur gesamtstaatlichen Bedeutung des Instituts beitragen. Das BNI dient dabei als nationales Referenzzentrum für den Nachweis aller tropischen Infektionserreger, Referenzlabor für SARS und Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation für hämorrhagische Fieberviren.

Als Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) wird das BNI als Forschungsinstitut mit überregionaler Bedeutung gemeinsam durch den Bund, die Freie und Hansestadt Hamburg und die übrigen Bundesländer finanziert.

Media Contact

Eva Königsmann idw

Weitere Informationen:

http://www.bni-hamburg.de

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