Tiefe Hirnstimulation liefert neue Erkenntnisse zu chronischen Depressionen

Mithilfe der tiefen Hirnstimulation haben Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin charakteristische Aktivitätsmuster in einer bestimmten Gehirnregion bei chronisch depressiven Patienten dokumentieren können.

Gemeinsam mit Forschern der Universitätsklinik Leuven und der Universität Oxford fanden sie heraus, dass sich auch der Schweregrad einer Depression an der Stärke der rhythmischen Aktivität ablesen lässt.

Die Blockierung dieser neuronalen Schwingungen durch die tiefe Hirnstimulation könnte künftig eine Therapieoption bei Patienten mit schwerer Depression sein. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Molecular Psychiatry* veröffentlicht.

Bei der tiefen Hirnstimulation (THS) sendet ein zuvor operativ eingesetzter Hirnstimulator – ähnlich einem Herzschrittmacher – elektrische Impulse an das Gehirn. Die Implantation der Stimulationselektroden bietet für ein kurzes Zeitfenster von wenigen Tagen nach der Operation die Möglichkeit, die elektrische Aktivität von Nervenzellen beim Menschen zu untersuchen.

Zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe untersuchte Prof. Dr. Andrea Kühn, Leiterin der Arbeitsgruppe „Bewegungsstörungen“ und der DFG-geförderten Klinischen Forschergruppe „Tiefe Hirnstimulation“ an der Klinik für Neurologie der Charité die Aktivitätsmuster von Nervenzellen in bestimmten Bereichen des limbischen Systems bei Patienten mit einer schweren Form von Depression, der sogenannten therapierefraktären Depression (TD). Dem limbischen System werden die Gehirnstrukturen zugeordnet, die an Prozessen der Emotionsverarbeitung beteiligt sind.

Ziel der Studie war es, die Nervenzellaktivität von Patienten mit TD mit den Aktivitätsmustern von Patienten mit einer schweren Zwangsstörung in zwei bestimmten Gehirnarealen des limbischen Systems, dem Bed nucleus striae terminalis und dem vorderen Cingulum, zu vergleichen. Es zeigte sich, dass die Depressionspatienten im direkten Vergleich zu den Patienten mit der Zwangsstörung eine deutlich gesteigerte Aktivität im Bereich der Alpha-Wellen auswiesen.

Die Hirnstromwellen im Alpha-Bereich schwingen mit einer Frequenz von 8 bis 14 Hertz. Des Weiteren wiesen die Wissenschaftler eine Korrelation zwischen der Stärke der Alpha-Wellen und der Symptomschwere der Depression nach. „Unsere Daten beschreiben erstmals krankheitsspezifische Hirnrythmen in emotionsverarbeitenden Hirnarealen bei Patienten mit einer Depression“, betont Prof. Andrea Kühn. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Alpha-Aktivität eine pathophysiologische Signatur bei Depression sein könnte und zukünftig als Biomarker für moderne Stimulationsverfahren dienen könnte“, fügt sie hinzu.

*W-J Neumann, J Huebl, C Brücke, L Gabriëls, M Bajbouj, A Merkl, G-H Schneider, B Nuttin, P Brown and AA Kühn. Different patterns of local field potentials from limbic DBS targets in patients with major depressive and obsessive compulsive disorder. Molecular Psychiatry (2014). doi:10.1038/mp.2014.2.

Kontakt:
Prof. Dr. Andrea Kühn
Klinik für Neurologie
Campus Virchow-Klinikum
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 560 203
andrea.kuehn@charite.de
Weitere Informationen:
Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie
http://kfo247.de
http://neurologie.charite.de/forschung/arbeitsgruppen/bewegungsstoerungen_andrea_kuehn_axel_lipp/

Media Contact

Dr. Julia Biederlack idw

Weitere Informationen:

http://www.charite.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern-befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer