Strahlentherapie: Auf dem Weg zu einer individuell abgestimmten Dosis in der Krebsbehandlung

Diese Radioimmuntherapie, die sich gegen bestimmte Arten von Lymphomen (Krebserkrankungen des Lymphsystems) richtet, beruht auf der Injektion von Antikörpern, an die ein radioaktives Atom gekoppelt ist, in die Blutbahn. Ziel des vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Projekts ist die Optimierung der Behandlung durch eine individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte Dosis.

Die auf den einzelnen Krebspatienten zugeschnittene Behandlung ist eine Verheissung der Medizin der Zukunft. Und gleichzeitig das Ziel des Projekts von Sébastien Baechler, Forschungsleiter am Institut für angewandte Strahlenphysik des Universitätsspitals Lausanne. Er befasst sich mit einer neuen Strahlentherapie gegen bestimmte Krebsarten, die zur Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome gehören. Bei dieser 2004 in der Schweiz eingeführten Radioimmuntherapie mit 90Y-Zevalin® wird das radioaktive Element Yttrium-90 (90Y) in den Blutkreislauf gebracht. Die Arbeiten des Lausanner Forschers konzentrieren sich unter anderem auf die Messung der Strahlenbelastung der Niere und das Abfallen der Konzentration an Blutplättchen im Blut.

Strahlenquelle in unmittelbarer Nähe des Tumors

Der innovative Ansatz der Strahlentherapie besteht darin, dass die Strahlenquelle zielgerichtet in den Tumor geleitet wird. Konkret werden Antikörper, an die Yttrium-Atome gekoppelt sind, in den Blutkreislauf injiziert. Die Antikörper werden so gewählt, dass sie bestimmte Lymphome erkennen und sich an ihre Oberfläche heften. Nach dieser Verankerung beginnen die Yttrium-Atome durch die von ihnen ausgesendete Strahlung mit der Zerstörung des Tumors. Später übernimmt das Immunsystem die vollständige Beseitigung des Krebsgewebes. Diese Behandlung ist so wirksam, weil die Lymphome sehr empfindlich auf ionisierende Strahlung reagieren.

Doch die Behandlung verschont das Knochenmark nicht ganz, wo sich die Stammzellen des Bluts befinden, aus denen sowohl die roten und weissen Blutkörperchen als auch die Blutplättchen hervorgehen. Die Strahlung stört diese Produktion, verursacht starke Müdigkeit und erhöht das Risiko für Infektionskrankheiten und Blutungen.

Im Rahmen der ersten Studie führteSébastien Baechler Messungen zur Strahlenbelastung der Niere bei 17 Patientinnen und Patienten durch. Da das Yttrium an einen Antikörper gekoppelt ist, der zum Immunsystem gehört, wäre eigentlich nicht zu erwarten, dass in diesem Organ eine hohe Radioaktivität gemessen werden kann. Der Forscher stellte jedoch überraschenderweise fast zehn Mal höhere Werte fest, als im Gesuch für die Marktzulassung von 90Y-Zevalin® in den USA angegeben worden waren. „Wir können uns diesen Unterschied nicht erklären“, sagt Sébastien Baechler. Trotzdem stellt dies die Behandlung nicht in Frage, da die Dosen gering und Beeinträchtigungen der Nieren wenig wahrscheinlich sind. Bei einer intensiven Radioimmuntherapie mit anschliessender Autotransplantation von Knochenmark muss dieses Risiko allerdings beachtet werden.

Blutplättchen: Vorläuferzellen nach Chemotherapie empfindlicher

Ein weiteres wichtiges Ergebnis betrifft das Abfallen der Blutplättchenkonzentration im Blut. Noch ist die Radioimmuntherapie in der Onkologie keine gängige Methode und wird nur in zweiter Linie nach der traditionellen Chemotherapie eingesetzt. Problematisch ist dabei, dass die Zahl der Blutplättchen im Blut durch die beiden Behandlungen mehr oder weniger stark abfällt. Deshalb warten die behandelnden Ärzte im Allgemeinen, bis sich die Blutplättchenkonzentration wieder normalisiert hat, bevor sie mit der Radioimmuntherapie beginnen.

Trotz dieser Vorsichtsmassnahme beobachtete Sébastien Baechler im Rahmen der zweiten Studie mit 32 Patientinnen und Patienten, die er in Zusammenarbeit mit dem Johns Hopkins Hospital in Baltimore durchführte, dass die Blutplättchenzahl das zweite Mal umso markanter fällt, je kürzer der Zeitraum zwischen den beiden Behandlungen ist. Das bedeutet, dass die Vorläuferzellen der Blutplättchen in der Erholungsphase nach der Chemotherapie gegenüber Strahlungen empfindlicher sind. „Wir haben ein mathematisches Modell für dieses Phänomen entwickelt, mit dem sich Simulationen durchführen lassen, die sich gut mit unseren Beobachtungen decken“, erklärt Baechler.

Individuell abgestimmte Dosen

„Das Ziel unserer Forschung ist es, eine Methode zur Festlegung der Strahlendosis zu entwickeln, mit der eines Tages für jeden Patienten die ideale Dosis gefunden werden kann, die für die Zerstörung des Tumors ausreichend ist und gleichzeitig das gesunde Gewebe verschont“, sagt der Medizinphysiker. „Die Messung der Strahlendosis, die auf das Knochenmark wirkt, wird im Hinblick auf den unvorhersehbaren Zusammenhang mit den beobachteten klinischen Wirkungen weiter diskutiert. Dieser Zusammenhang beruht im Übrigen auf einer Vielzahl von Faktoren, die sich von Patient zu Patient stark unterscheiden können.“

In der Schweiz erkranken jährlich 1300 Personen an einem Non-Hodgkin-Lymphom. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Krebstumoren des lymphatischen Systems, zu dem das Knochenmark, die Milz, der Thymus und die Lymphknoten gehören.

Kontakt:
Dr. Sébastien Baechler
Institut für angewandte Radiophysik der Universität Lausanne
Grand-Pré 1
CH – 1007 Lausanne
Tel.: + 41 21 623 34 60
Fax: + 41 21 623 34 35
E-Mail: sebastien.baechler@chuv.ch

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