Schnelltest für Depressionen

Entscheidungsbaum zum Test auf depressive Stimmung<br>Grafik: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin <br>

Eine Forschergruppe am Fachbereich „Adaptive Rationalität“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin hat einen neuen Ansatz entwickelt, wie man Depressionen schneller diagnostizieren kann.

Sie vereinfachten dazu das in der Psychologie gängige und häufig zur Diagnose von depressiven Verstimmungen herangezogene Becks Depressions-Inventar mit insgesamt 21 Kriterien. Hintergrund ist eine Annahme aus der Entscheidungsforschung, wonach einfache Mechanismen der Entscheidungsfindung oftmals genauso gut funktionieren wie komplexe.

Der von ihnen entwickelte Entscheidungsbaum enthält insgesamt vier Fragen, die mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden sollen, etwa „Haben Sie diese Woche mehr geweint als früher?“ oder „Sahen Sie diese Woche besonders mutlos in die Zukunft?“. Werden alle Fragen mit „Ja“ beantwortet, liegt der Verdacht einer klinisch relevanten depressiven Verstimmung nahe.

Getestet wurden der Entscheidungsbaum auf Grundlage der Dresdner Längsschnittstudie zur psychischen Gesundheit – einer epidemiologischen Studie aus dem Jahr 2010, bei der etwa 1.300 junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren in einem Zeitraum von 18 Monaten Auskunft zu depressiven Symptomen geben mussten. „Wir konnten zeigen, dass sich mit dem Entscheidungsbaum Depressionen ähnlich zuverlässig vorhersagen lassen wie mit komplizierteren und langwierigeren Methoden“, sagt Studienleiterin Mirjam Jenny vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Jedoch müsse berücksichtigt werden, dass der Entscheidungsbaum für die Erkennung von Depressionen bei Frauen entwickelt und an dieser Probandengruppe getestet wurde. Männer zeigten oftmals andere Symptome als Frauen – beispielsweise weniger Traurigkeit. Dies müsse sich auch in den Fragen widerspiegeln.

Langfristig soll der Entscheidungsbaum im allgemeinmedizinischen Bereich zum Einsatz kommen: „Er kann als eine Art Schnelltest verwendet werden“, sagt Mirjam Jenny. Besonders Hausärzte könnten davon profitieren. Denn für viele Patienten mit Depressionen ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle.

„Die Fragen des Entscheidungsbaums lassen sich leicht in das Anamnese-Gespräch einbauen“, so die Wissenschaftlerin weiter. Der Test kann auch nicht medizinisch-geschultes Personal in Schulen oder im militärischen Bereich sensibilisieren, Depressionen frühzeitig zu erkennen und weitere Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen einzuleiten. „Psychiater, Psychologen oder Psychotherapeuten soll er aber auf keinen Fall ersetzen. Die Diagnose von Depression soll letztlich immer im entsprechend professionellen Kontext geschehen“, betont Mirjam Jenny.

Noch werden Entscheidungsbäume in der Medizin sehr zögerlich eingesetzt. In Zukunft möchte die Forschergruppe auch Entscheidungsbäume für den notfallärztlichen Bereich entwickeln. Schließlich kommt es gerade hier auf Schnelligkeit an.

Hintergrundinformationen

Originalstudie
Jenny, M. A., Pachur, T., Williams, S. L., Becker, E. S., & Margraf, J. (in press). Simple Rules for Detecting Depression. Journal of Applied Research in Memory and Cognition: http://authors.elsevier.com/sd/article/S2211368113000533
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Das MPI für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

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Kerstin Skork Max-Planck-Institut

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