"Sie kann uns verstehen" Jülicher Forscher demonstrieren Gefühlserleben bei Patientin im Koma

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich konnten jetzt nachweisen, dass diese Patienten tatsächlich auf Formen persönlicher Ansprache reagieren.

Die Forscher vom Institut für Neurowissenschaften und Biophysik zeigten in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung auch, dass die funktionelle Bildgebung in Zukunft einen neuartigen Einblick in das Erleben von komatösen Patienten geben könnte.

In Zusammenarbeit mit Neurologen der Universitätsklinik Düsseldorf haben die Jülicher Forscher um Dr. Simon Eickhoff mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie gezeigt, dass bei einer seit Jahren komatösen Patientin die Aktivität der entsprechenden Hirnrindengebiete nach sensorischer Reizung erhalten war.

Zudem konnten sie Hinweise auf ein erhaltenes Sprachverständnis und eine personen- und situationsspezifische Aktivität im sogenannten Mandelkern (Amygdala) nachweisen, von dem man weiß, dass er bei emotionalen Reaktionen aktiviert ist. Der Nachweis gelang aber nur bei den Kindern und Freundinnen der Patientin, die ihr nahestehen, und vor allem bei persönlicher Ansprache. Das objektiviert die Ansicht der Angehörigen, die Patientin erkenne vertraute Stimmen und „reagiere“ auf Ansprache.

Die in der Dezemberausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Experimental Neurology“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen somit, dass auch nach schweren Schädelhirnverletzungen und einer seit vielen Jahren andauernden tiefen Bewusstlosigkeit eine dem gesunden Gehirn ähnliche Verarbeitung von sensorischen Reizen und Emotionen stattfindet.

270 000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr eine Schädelhirnverletzung – bei einem Unfall im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz oder im Haushalt. Je länger der Betroffene nach einer solchen Verletzung bewusstlos bleibt, umso geringer werden seine Chancen auf Erholung. So bleiben knapp 20 Prozent aller Wachkomapatienten dauerhaft in einem bewusstlosen Zustand und somit auf ständige Pflege angewiesen.

Die Frage nach dem Bewusstseinszustand von Patienten im Wachkoma und nach dem Umgang mit der für alle Beteiligten extrem belastenden Situation wird nicht erst seit der Diskussion zum Fall der US-amerikanischen Wachkomapatientin Terry Schiavo oft gestellt. Insbesondere trifft hier oft der klinische Befund einer tiefen Bewusstlosigkeit auf die von den Angehörigen überzeugt vertretene Behauptung, dass er oder sie „uns verstehen kann“. Die Jülicher Forscher fanden hier eine Antwort.

Original-Veröffentlichung:
Eickhoff, S.B., Dafotakis, M., Grefkes, C., Stöcker, T., Shah, N.J., Schnitzler, A., Zilles, K., Siebler, M.: fMRI reveals cognitive and emotional processing in a long-term comatose patient. Exp. Neurol. 214(2):240-246 (2008)
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