Plötzlichem Herztod vorbeugen – EKG-Phänomen erlaubt Erkennung von Hochrisikopatienten

Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen der westlichen Welt. Ursächlich sind meist bösartige Herzrhythmusstörungen, die unbehandelt innerhalb weniger Minuten zu irreversiblen Hirnschäden führen.

Der plötzliche Herztod kann bei Risikopatienten durch die prophylaktische Implantation eines Defibrillators verhindert werden. Die rechtzeitige Erkennung von Hochrisikopatienten gilt jedoch als ungelöstes Problem in der Medizin.

Aus experimentellen und klinischen Studien ist bekannt, dass Störungen des Nervensystems maßgeblich an der Entstehung bösartiger Rhythmusstörungen des Herzens beteiligt sind. Insbesondere eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems – des so genannten „Stressnervs“ – kann das Risiko für den plötzlichen Herztod erhöhen. Bislang war es jedoch nicht möglich, die Wirkung des Nervus sympathicus auf das Herz nicht-invasiv, also ohne operativen Eingriff, zu messen.

In der Arbeit stellt das Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Axel Bauer, Medizinische Klinik am Universitätsklinikum Tübingen, ein neues elektrokardiographisches Phänomen vor, welches mutmaßlich die Effekte des N. sympathicus auf das Herz widerspiegelt.

Mit Hilfe eigens entwickelter mathematischer Techniken konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Erregungsrückbildung (Repolarisation) des Herzens (T-Welle im EKG) niederfrequenten Modulationen unterliegt. Sie bezeichnen die neu identifizierten Schwingungen, die im 10-Sekunden bis Minutentakt auftreten, als Periodic Repolarization Dynamics (PRD). 

Die Experten untersuchten die prognostische Bedeutung dieses neuen Phänomens an 908 Patienten nach einem Herzinfarkt und an 2965 Patienten mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung. Patienten mit erhöhten PRD wiesen dabei ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko auf. Der prädiktive Wert von PRD war dabei allen bekannten Risikofaktoren in der Erkennung von Hochrisikopatienten überlegen. Mit Hilfe von PRD ließen sich insbesondere gefährdete Patienten erkennen, die mit anderen Verfahren nicht erkannt worden wären.

Zur Messung von PRD wird lediglich ein Oberflächen-EKG benötigt, welches über einige Minuten beim liegenden Patienten aufgezeichnet wird. Die Auswertung kann über herkömmliche Computer erfolgen. Dieses Verfahren kann in Zukunft einen entscheidenden Beitrag leisten, um Hochrisikopatienten frühzeitig zu erkennen und entsprechend prophylaktisch, z.B. durch Implantation eines Defibrillators, zu behandeln.

Titel der Originalpublikation

Sympathetic activity–associated periodic repolarization dynamics predict mortality following myocardial infarction
J Clin Invest. 2014; doi:10.1172/JCI70085

Konstantinos D. Rizas,1 Tuomo Nieminen,2 Petra Barthel,3 Christine S. Zürn,1 Mika Kähönen,4 Jari Viik,5 Terho Lehtimäki,6 Kjell Nikus,7 Christian Eick,1 Tim O. Greiner,8 Hans P. Wendel,8 Peter Seizer,1 Jürgen Schreieck,1 Meinrad Gawaz,1 Georg Schmidt,3 and Axel Bauer;1

1 Medizinische Klinik III, Abteilung für Kardiologie und Herz-Kreislauferkrankungen, Eberhard Karls University, Tübingen, Germany.
2 Division of Cardiology, Helsinki University Central Hospital, Helsinki, Finland.
3 Medizinische Klinik, Technische Universität München, Germany.
4 Department of Clinical Physiology and 5 Department of Biomedical Engineering, University of Tampere and Tampere University Hospital, Tampere, Finland.
6 Department of Clinical Chemistry, Fimlab Laboratories, School of Medicine at University of Tampere, Tampere, Finland.
7 Heart Centre, Department of Cardiology, Tampere University Hospital, Tampere, Finland.
8 Department of Thoracic, Cardiac and Vascular Surgery, Eberhard Karls University, Tübingen, Germany.

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Medizinische Klinik, Kardiologie und Kreislauferkrankungen
Prof. Dr. Axel Bauer
Tel. 0174 9659059
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