Peptid hilft beim Angst-Verlernen

Einen kleinen Teil dieser gewaltigen Fragestellung konnte nun eine Forschungsgruppe von Prof. Dr. Hans-Christian Pape vom Institut für Physiologie I (Neurophysiologie) am Universitätsklinikum Münster lösen. Im Mittelpunkt steht dabei das Peptid „Neuropeptid S“, kurz NPS.

Dieses Peptid beeinflusst einen konkreten Bereich der Amygdala, dem Areal des Gehirns, in dem furchtrelevante Erinnerungen gespeichert werden. NPS ist speziell beim Verlernen von Angst von besonderer Bedeutung, wie die Wissenschaftler nun nachweisen konnten.

Die Ergebnisse der Studie, bei der die Münsteraner Forscher mit einem Team von Wissenschaftlern aus den USA um Prof. Dr. Rainer Reinscheid von der University of California in Irvine zusammenarbeiteten, veröffentlichten sie jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Neuron“.

Auf zwei Ebenen gingen die Forscher vor, erklärt Dr. Kay Jüngling: „Im Labor untersuchten wir einerseits an Hirnpräparaten, wie das Peptid auf die Zell-Zell-Kommunikation wirkt. In einem anderen Schritt wurden Verhaltensstudien durchgeführt.“

Das Ergebnis der an Mäusen durchgeführten Studie: Nach gezielter Gabe des Peptids in die Amygdala wurde das Angstverhalten enorm reduziert. Auch zuvor durch pawlowsche Furchtkonditionierung erlernte negative Erfahrungen wurden mit dem Neuropeptid wieder schneller verlernt. „Wurden hingegen die Rezeptoren für das Peptid in der Amygdala gezielt blockiert, trat der gegenteilige Effekt ein: Das Verlernen der Angst bzw. der unangenehmen Erfahrung dauerte erheblich länger“, so Dr. Jörg Lesting. Vom Prinzip her funktioniert das Verlernen der Angst folgendermaßen: Ein zuvor negativ assoziierter Reiz wird mehrmals ohne aversive Folgen präsentiert.

Die Furchtantwort bezüglich des Reizes nimmt ab, der Fachbegriff hierfür lautet Extinktion. Dieser Prozess beruht auf dem Anlegen einer neuen Gedächtnisspur, welche das ursprüngliche Furchtgedächtnis hemmt. Genau das geschieht aber bei traumatisierten Menschen nicht oder nicht vollständig. Im Grunde harmlose Reize können dann Assoziationen mit der schlimmen Erfahrung auslösen. Ängstliche Reaktionen bis hin zu Panik-Attacken sind die Folgen für die Betroffenen. Und genau hier könnte ein zukünftiger Anwendungsbereich des Neuropeptides liegen. Aber soweit ist die Forschung noch lange nicht, betonen Jüngling und Lesting.

„Die Einsichten aus dem Tiermodell können als Grundlagen für die klinische Forschung am Menschen dienen. Allerdings ist eine gezielte Injektion des Peptids beim Menschen nicht denkbar. Wenn wir aber die exakte Wirkungsweise des Peptides kennen, könnte etwa eine Substanz mit ähnlicher Wirkung verabreicht werden. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Allerdings haben wir nun eine sehr gute Basis, auf der wir weiterarbeiten können“, so Jüngling.

Media Contact

Simone Hoffmann idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenster.de

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