Wie passt sich das Gehirn an die Umwelt an? Forscher in Saarbrücken und Peking suchen Antworten

Mit solchen Fragen beschäftigen sich seit vier Jahren Wissenschaftler eines internationalen Graduiertenkollegs der Universität des Saarlandes. Die Saarbrücker Forscher arbeiten dabei eng mit Psychologen an der renommierten Chinese Academy of Sciences in Peking zusammen.

Nach einer umfänglichen Evaluation hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dieses Kolleg jetzt bis 2017 verlängert und wird weitere rund 3,7 Millionen Euro für die Doktoranden der Psychologie und Neuroradiologie zur Verfügung stellen.

„In mehreren Forschungsprojekten beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Gedächtnisleistungen und andere kognitive Prozesse durch die Lebensumwelten innerhalb und über Kulturen hinweg beeinflusst werden“, erläutert Axel Mecklinger, Professor für Experimentelle Neuropsychologie der Saar-Uni und Sprecher des Graduiertenkollegs. In diesen Projekten kommen deshalb auch verstärkt moderne neurowissenschaftliche Verfahren wie die Elektroenzephalographie und die funktionelle Magnetresonanztomographie zum Einsatz.

Zum Beispiel geht es dabei um die Frage, wie sich in beiden Kulturen verschiedene Faktoren wie Motivation, Persönlichkeitsstruktur des Kindes oder der elterliche Einfluss auf den schulischen Erfolg auswirken. Auch die Veränderbarkeit kognitiver Strukturen und ihre neuronalen Grundlagen werden erforscht. Dabei wird beispielsweise untersucht, ob man das Erlernen einer neuen Sprache verbessern kann, indem man gezielt jene Gedächtnisprozesse trainiert, die in der Zielsprache besonders gefordert werden. „Die Wissenschaftler interessiert hierbei auch, wie sich solche Prozesse über die Lebensspanne verändern. Was ändert sich, wenn sich Kinder, Jugendliche oder Erwachsene neues Wissen aneignen?“, erläutert Mecklinger.

Bei den künftigen Forschungsprojekten sollen verstärkt auch krankhafte Veränderungen im Gehirn und psychische Erkrankungen einbezogen werden. „Wenn wir besser verstehen, wie das menschliche Gehirn funktioniert, können wir geschädigte Hirnregionen möglicherweise durch gezieltes Training reaktivieren. Dies ist nicht nur für Schlaganfall-Patienten wichtig, die häufig mit Sprachverlusten zu kämpfen haben, sondern auch bei Tumoren oder nach Unfällen, wenn etwa die Wahrnehmung des Raumes gestört ist“, erklärt der Psychologie-Professor. Die Zusammenarbeit mit den chinesischen Forschern erlaubt neue Einsichten, da unterschiedliches Verhalten von Menschen, die in der westlichen und fernöstlichen Kultur sozialisiert wurden, auch auf unterschiedliche kognitive Mechanismen schließen lassen. Ein Beispiel sind traumatische Erlebnisse. „China weist viele Erdbebenregionen auf, in denen die Menschen mit posttraumatischen Belastungen zurechtkommen müssen. Hier könnten neue Forschungsprojekte ansetzen, mit denen man dann auch Menschen helfen könnte, die andersartige traumatische Erlebnisse hatten“, nennt Mecklinger als Ziel.

Alle Saarbrücker Doktorandinnen und Doktoranden des internationalen Graduiertenkollegs verbringen einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in China und mehrere chinesische Psychologen forschen außerdem für längere Zeit in Saarbrücken. Die Fördergelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft fließen komplett an die Universität des Saarlandes. Die Psychologen der Saar-Uni betreuen die Forschungsvorhaben und koordinieren das Kolleg. In dem deutsch-chinesischen Graduiertenkolleg mit dem Titel „Adaptive Minds: Neural and Environmental Constraints on Learning and Memory“ haben bisher mehr als zwanzig Doktoranden und vier Postdoktoranden erfolgreich unterschiedliche Forschungsprojekte bearbeitet.

Fragen beantwortet:

Prof. Dr. Axel Mecklinger
Lehrstuhl für Experimentelle Neuropsychologie
Tel. 0681 / 302 6510
Mail: mecklinger@mx.uni-saarland.de

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