Warum Nierenerkrankungen so oft chronisch werden

Es gibt nur wenige Therapien, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Forscher der Universität Bonn haben nun herausgefunden, welche Komponenten der Immunabwehr für dessen Fehlreaktion verantwortlich sind. Ihre Erkenntnisse könnten auch zur Entwicklung neuer Therapien beitragen. Die Studie erscheint am 20. April im „Journal of Clinical Investigation“.

In der Nierenrinde finden sich Zehntausende so genannter Nierenkörperchen, die Glomeruli. Dort findet die eigentliche Filtration des Blutes statt. Dabei entstehen täglich rund 200 Liter Primärharn. Der Rest der Niere dient vor allem dazu, einen Großteil dieser riesigen Flüssigkeitsmenge und darin enthaltene wertvolle Moleküle wie Eiweiße oder Kohlenhydrate wieder ins Blut zurückzuführen. Als Urin werden letztlich nur ein bis zwei Liter pro Tag ausgeschieden.

Entzündungen der Nierenkörperchen sind schwerwiegende Erkrankungen: „Häufig breiten sie sich nach und nach auf die gesamte Niere aus“, erklärt Professor Dr. Christian Kurts vom Bonner Institut für Experimentelle Immunologie. „Diese Ausbreitung schädigt das Organ so sehr, dass als letzte Konsequenz ein Nierenversagen droht.“ Für die Betroffenen bedeutet das eine lebenslängliche Dialysebehandlung. Einzige Alternative ist eine Nierentransplantation.

Die Medizin konnte gegen das Fortschreiten der Erkrankung bislang nur wenig ausrichten. Hoffnung verspricht eine Studie des Biochemikers Felix Heymann. Der erst 32-jährige Bonner Forscher aus dem Team von Professor Kurts hat untersucht, wie es zu dieser Fehlreaktion der körpereigenen Abwehr kommt. Am Anfang steht demnach eine Beschädigung der Nierenkörperchen durch die so genannten T-Lymphozyten – das sind Immunzellen, die eigentlich der Infektabwehr dienen.

Kampf gegen den eigenen Körper

T-Lymphozyten, die sich irrtümlich gegen körpereigene Strukturen richten, werden normalerweise direkt nach ihrer Produktion aussortiert und abgetötet. Das gelingt nicht immer zu hundert Prozent. Folge sind Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus oder rheumatische Arthritis. „Auch die anfängliche Entzündung der Nierenkörperchen kann unseren Ergebnissen zufolge durch fehlgeleitete T-Lymphozyten ausgelöst werden“, erklärt Felix Heymann. „Diese Hypothese war lange umstritten.“

Bei dem Angriff der T-Lymphozyten entstehen Trümmer, die wiederum von einer anderen Klasse von Immunzellen aufgenommen werden. Diese so genannten dendritischen Zellen reiben der Immunabwehr die Merkmale des zu bekämpfenden „Feindes“ unter die Nase: Sie präsentieren die Trümmer der Nierenkörperchen auf ihrer Oberfläche und spornen die T-Lymphozyten so zu Höchstleistungen an. Dabei „verschleppen“ sie die Entzündung in die gesamte Niere. „Wir finden bei Patienten regelmäßig große Mengen von Abwehrzellen“, erläutert Kurts. „Und zwar nicht nur in der Nierenrinde, sondern vor allem in den Bereichen, die der Wiederaufnahme des Wassers und der Nährstoffe dienen.“

Die dendritischen Zellen sind dafür verantwortlich, dass die Entzündung so sehr eskaliert. „Wir haben in Mausexperimenten die dendritischen Zellen blockiert“, sagt Felix Heymann. „Dadurch konnten wir nicht nur verhindern, dass die Entzündung auf die gesamte Niere übergriff. Wir konnten bereits erfolgte akute Nierenschäden sogar wieder teilweise rückgängig machen.“ Möglicherweise spielt dieser Mechanismus auch bei anderen Erkrankungen der Niere eine Rolle. „Bei Nierenerkrankungen besteht generell die Tendenz, dass sich lokale Entzündungen auf das gesamte Organ ausbereiten“, erklärt Professor Kurts.

Eventuell führen die Ergebnisse der Studie auch zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze. Zwar kann man nicht wie in der Maus einfach alle dendritischen Zellen hemmen – dazu sind sie einfach zu wichtig. Man kann aber ihre Kommunikationskanäle stören, über die sie die Immunabwehr alarmieren. Die dendritischen Zellen der Niere produzieren dazu spezifische Botenstoffe. Christian Kurts: „Wenn wir diese Alarmrufe unterbinden, lässt vermutlich auch die Entzündungsreaktion deutlich nach.“

Kontakt:
Professor Dr. Christian Kurts
Institut für Experimentelle Immunologie,
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-11031 (Sekretariat: -11050)
E-Mail: ckurts@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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