Neue genetische Ursachen für schwere Epilepsien entdeckt

Chaos im Gehirn: Elektroenzephalogramm (EEG) eines Patienten des Kieler Epilepsie Zentrums, der eine Mutation im Dynamin 1 Gen trägt. Normalerweise zeigt ein EEG nur relativ niedrige Ausschläge und sieht insgesamt weniger unruhig aus. Copyright: Klinik für Neuropädiatrie

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es in einer internationalen Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen aus den USA und Europa, mit Beteiligung von Arbeitsgruppen der Universitäten Leipzig, Marburg und Tübingen gelungen, verantwortliche Gene für schwere Epilepsien im Kindesalter zu identifizieren.

Die Ergebnisse der Studie erscheinen heute (Donnerstag, 25. September) in der renommierten Fachzeitschrift The American Journal of Human Genetics.

In dieser bislang größten Studie untersuchten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dreier internationaler Konsortien die Erbinformationen (Gene) von 356 Kindern, die an therapie-schwierigen und die Lebensqualität und Entwicklung gefährdenden Epilepsien erkrankt waren. Sie verglichen diese Erbinformationen mit denen ihrer Eltern und suchten nach genetischen Veränderungen. Sie entdeckten sogenannte de novo Mutationen als Ursache für die Epilepsien. Spontan auftretende Mutationen entstehen bei allen Menschen, machen aber nicht immer krank.

„Wir haben uns diejenigen Gene genauer angesehen, die bei Patientinnen und Patienten mit Epilepsien mehr Mutationen aufweisen, als man statistisch erwarten würde“, erklärt Projektleiter PD Dr. Ingo Helbig, Klinik für Neuropädiatrie, Medizinische Fakultät (CAU) und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). „Diese Gene liefern uns neue Hinweise auf Mechanismen der Krankheitsentstehung und zeigen uns, wie wir mit einer Behandlung gezielt eingreifen können.“

Epilepsien zählen zu den häufigsten Erkrankungen des Zentralen Nervensystems, in Deutschland sind etwa 600.000 bis 800.000 Menschen davon betroffen. Etwa ein Drittel aller Patientinnen und Patienten reagiert nicht auf eine Behandlung mit antiepileptischen Medikamenten. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche. In vielen Fällen sind die Ursachen der Erkrankung unklar, wobei immer mehr darauf hindeutet, dass genetische Faktoren daran beteiligt sind.

Besonders das Gen für das Protein Dynamin 1 lieferte den Forschungsteams überraschende Erkenntnisse. Es spielt eine Rolle bei der Kommunikation von Nervenzellen, die über die Nervenverbindungen (Synapsen) im Gehirn verläuft. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass auch andere Gene, die mit der Funktion der Synapsen in Verbindung stehen, bei Kindern mit Epilepsie mutiert sind.

„Diese Ergebnisse stellen einen großen Fortschritt in der Epilepsieforschung dar“, sagt Professor Ulrich Stephani, Medizinische Fakultät der CAU und Direktor der Klinik für Neuropädiatrie am UKSH. „Wir können mit diesen neuen Erkenntnissen einen immer größer werdenden Anteil genetisch bedingter Epilepsien erklären. Dies ist ein weiterer Schritt für eine personalisierte Therapie.“

In der Vergangenheit hätte man Patientinnen und Patienten zum Teil langwierig mit vielen Tests untersuchen müssen, um Hinweise für die Ursache der Erkrankung zu finden. Mit Hilfe neuer genetischer Technologien und dem Wissen um solche genetischen Veränderungen können Ärztinnen und Ärzte jetzt viel schneller handeln.

Ermöglicht wurde diese groß angelegte Studie durch die Zusammenarbeit dreier internationaler Forschungsverbünde, des Epi4K Konsortiums, des Epilepsie Phenome/Genome Projekts (EPGP) und des europäischen EuroEPINOMICS Konsortiums, an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 europäischen Ländern beteiligt sind.

Kontakt:
Prof. Ulrich Stephani
Klinik für Neuropädiatrie
Tel.: 0431/597-1760
E-Mail: stephani@pedneuro.uni-kiel.de

Dr. Ann-Kathrin Wenke
Dekanat der Medizinischen Fakultät
Tel.: 0431/880-2126
E-Mail: wenke.dekanat@med.uni-kiel.de

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski
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